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# taz.de -- Gefängnisse in Berlin: Im Knast sind doch noch Zimmer frei
> Insassen der JVA Tegel fürchten eine Revolte wegen schlechter
> Haftbedingungen. Die Justizverwaltung reagiert umgehend – mit
> Einzelzellen.
Bild: Auch mit Tischkicker kein leichtes Spiel: Einblick in die JVA Tegel.
BERLIN taz | Brandbrief mit schneller Wirkung: Gefangene der
Justizvollzugsanstalt Tegel hatten sich am Mittwoch über die Zustände in
ihrem Gefängnis beschwert und dabei auch von Hungerstreik und
Gefängnisrevolte gesprochen. Noch am selben Tag hat die Justiz reagiert,
einen Teil der Forderungen erfüllt und eine Prüfung aller Vorwürfe
angekündigt.
„In Berliner Gefängnissen rumort es mächtig“, heißt es in dem offenen Br…
an Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Absender sind die Redaktion der
Gefangenenzeitung Lichtblick und die Insassenvertretung. Die Gefangenen
fordern mehr Freigang, eine frühere Aussetzung der Reststrafe zur
Bewährung, mehr Sozialarbeiter und bessere Wohnbedingungen. Sonst könnten
„Klagewellen, Hungerstreiks und Gefängnisrevolten“ die Folge sein.
Die „verfehlte Strafvollzugspolitik“ schade darüber hinaus auch „jedem
Berliner Bürger“, weil die Gefangenen nicht gut genug auf ein späteres
Leben in Freiheit vorbereitet würden. Der Senat praktiziere „einen Vollzug,
der Gesetze missachtet, vorsätzlich die Sicherheit der Bevölkerung
gefährdet und weder wissensbasiert noch human noch sozialstaatlich mit
seinen Gefangenen umgeht“. Kritisiert wird in dem Brief auch die sogenannte
Doppelbelegung, bei der zwei Gefangene sich eine Zelle teilen müssen.
Zumindest in diesem Punkt kam die Reaktion schnell: Noch am Mittwoch wurden
die rund 30 Gefangenen, die zu zweit in Zellen saßen, in Einzelzellen
gebracht. Heilmann-Sprecherin Lisa Jani teilte mit, die Doppelbelegung sei
„rechtlich zulässig, aber im Hinblick auf die Belegungssituation
gegenwärtig nicht erforderlich“. Ein Lichtblick-Redakteur, der seinen Namen
nicht in der Zeitung lesen möchte, freute sich darüber im Gespräch mit der
taz: „So einfach geht es also, wenn man will.“
Der Gefangene vermutet, das Land Berlin wolle seine neu gebaute
Justizvollzugsanstalt Heidering füllen: „Nur um die Knäste voll zu
bekommen, behält man Gefangene rechtswidrig im Gefängnis.“ Vorzeitige
Entlassungen würden in Berlin „außerordentlich selten gewährt“, heißt e…
dem Schreiben an Justizsenator Heilmann. Dies bedeute auch „unnötige Kosten
für den Steuerzahler“ – ein Tag im Gefängnis kostet 134,75 Euro pro Perso…
## Vorwürfe objektiv prüfen
Lisa Jani kündigte an, die Justizverwaltung werde „sich mit den seitens der
Gefangenen erhobenen Vorwürfen umfassend auseinandersetzen und sie fair und
objektiv prüfen“. Sie konnte aber wenig Hoffnung machen, dass dabei mehr
vorzeitige Entlassungen herauskommen. Ob eine Strafe nach zwei Dritteln zur
Bewährung ausgesetzt werden könne, sei „eine Entscheidung unabhängiger
Gerichte, auf die die Justizverwaltung keinen Einfluss hat“.
Die Entscheidung hänge allein davon ab, ob das Gericht dem Gefangenen eine
positive Prognose gebe. „Fiskalische Erwägungen dürfen dabei aus Gründen
des Schutzes der Bevölkerung selbstverständlich keine Rolle spielen“, so
Jani. Auch Freigänge und Hafturlaube seien nur möglich, wenn „keine Flucht-
oder Missbrauchsgefahr gegeben ist“. Es gebe keine Anweisung der
Senatsverwaltung, Freigänge restriktiver zu erlauben.
Nach Ansicht von Jani verfügt Berlin „im Bundesvergleich mit circa 150
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialdienstes über eine sehr gute
Ausstattung“. Es könne allerdings im Einzelfall „aufgrund von Krankheit zu
vorübergehenden Mehrbelastungen einzelner Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter
kommen“. Der Lichtblick-Redakteur hingegen findet die Betreuung viel zu
schlecht: „Hier kommt ein Sozialarbeiter auf 50 oder 60 Gefangene, es gibt
also maximal ein Gespräch im Monat.“ Das sei „natürlich viel zu gering,
damit aus uns im Gefängnis wieder Menschen werden, die man auf die Straße
lassen kann“.
6 Dec 2012
## AUTOREN
Sebastian Heiser
## TAGS
Berlin
Gefängnis
JVA
Berlin-Tegel
Gefängnis
Strafvollzug
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