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# taz.de -- Gerichte stärken Fluggastrechte: Chaos beim Abflug
> Reiseveranstalter dürfen die Abflugzeiten nicht einfach ändern, diese
> Meinung vertreten gleich mehrere Gerichte. Noch ignorieren Reiseanbieter
> diese Urteile.
Bild: Auch die Reiseanbieter müssen sich an die Abflugzeiten halten.
Bei vielen Pauschalreisen ändern sich die Abflugzeiten, weil geplante Flüge
verschoben, gestrichen oder zusammengelegt werden. Für die Kunden ist das
lästig, muss aber nicht immer zum Drama werden. Wenn der nette Berater im
Reisebüro das Problem erklärt, der Veranstalter vielleicht ein besseres
Hotelzimmer oder einen kostenlosen Ausflug als Ausgleich bietet, werden
viele Kunden das Ärgernis abhaken.
Wer jedoch auf weniger Kulanz stößt und sich beschwert, hat bisher geringe
Aussichten, seine Rechte durchzusetzen. Veranstalter verweisen auf das
Kleingedruckte – und dort steht mehr oder weniger deutlich, dass sich
gebuchte und bestätigte Abflugzeiten noch ändern können.
Für die Verbraucherzentralen ist das kein fairer Umgang mit Kunden. Der
Bundesverband vzbv hat deshalb die drei Branchenriesen TUI, Alltours und
Schauinsland-Reisen wegen unzulässiger Änderung der Vertragsbedingungen
verklagt. In allen drei Musterfällen hatten die Klagen in erster Instanz
teilweise den erhofften Erfolg. Die Gerichte entschieden, dass ein
Veranstalter die Abflugzeiten nicht willkürlich ändern darf.
Wenn die Urteile rechtskräftig werden, wäre es für Reisende leichter, bei
Flugzeitenänderungen vom Vertrag zurückzutreten. Alternativ könnten man
Schadenersatz oder eine Minderung des Reisepreises verlangen. Denn
Reiseveranstalter müssen, so der vzbv, ihren Kunden bei Vertragsabschluss
oder gleich danach eine Bestätigung aushändigen und darin die
voraussichtlichen Flugzeiten angeben.
Diese Angaben wiederum seien nicht unverbindlich, sondern fester
Vertragsbestandteil – und dürfen demnach nur aus triftigem Grund geändert
werden. Die meisten Reiseveranstalter tun aber weiter so, als sei es ihr
gutes Recht, die Flugzeiten auch nach der Buchung noch beliebig zu ändern.
Das ist zumindest die Erfahrung der Verbraucherzentralen.
So teilte Marktführer TUI den Kunden in der beklagten Buchungsbestätigung
mit, dass die Flugzeiten erst mit Versand der Reiseunterlagen endgültig
festgelegt werden. Das sei „gängige Praxis“ in der Branche, betont die TUI.
Alltours bezeichnete die Angabe der Flugzeit als unverbindlich. Und
Schauinsland schrieb: „Die aktuellen Flugzeiten entnehmen Sie Ihren
Flugtickets.“
Die Urteile in den Musterprozessen sprechen für sich. Die Landgerichte in
Düsseldorf (Az. 12 O 223/11 für Schauinsland, Az. 12 O 224/11 für Alltours,
beide am 4. Juli 2012) sowie in Hannover (Az. 18 O 79/11 vom 13. 3. 2012
für TUI) erklärten die genannten Klauseln für unzulässig, weil sie die
Kunden benachteiligten und irreführend seien. Seither herrscht in der
Branche Aufregung. TUI hat Berufung gegen das Urteil angekündigt.
## Fehlende Einsichten
Bei der Jahrestagung des Deutschen Reiseverbands (DRV) in Montenegro waren
die Urteile ein Thema. Verbandspräsident Jürgen Büchy verteidigte
Flugplanänderungen. Zum einen gebe es ohnehin in mehr als 80 Prozent der
Buchungen keine Änderung. Zum anderen könnten Änderungen von Flugplänen
ganz unterschiedliche Gründe haben, von Streiks über politische und
wirtschaftliche Gründe bis zu ungünstigen Wetterlagen.
Überdies brauche man Flexibilität in der Abwicklung, damit die Flugpreise
bezahlbar blieben. Und das starre Festhalten an Abflugzeiten wäre „auch
ökologischer Unfug“, fügte der oberste Branchenlobbyist hinzu.
Einige Argumente der Branche sind nachvollziehbar. Wenn statt zwei halb
leeren Fliegern nur eine volle Maschine in die Luft geht, nützt das
zweifellos dem Klima und der Umwelt. Allerdings verschaffen gerade solche
Zusammenlegungen von Flügen, die nicht selten sind, auch den
Reiseunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil. Und das oft zum Nachteil
jener Passagiere, die umgebucht werden.
## Fairer Ausgleich notwendig
In der Debatte über geänderte Flugzeiten sollte es also im Kern um einen
fairen wirtschaftlichen Ausgleich zwischen Reiseanbietern und Kunden gehen.
Davon allerdings ist man gerade in der Luftfahrtbranche noch weit entfernt.
Der DRV droht nun damit, dass die Veranstalter in ihren Reiseunterlagen
künftig gar keine Abflugzeiten mehr lange im Voraus angeben werden, falls
die Urteile bestätigt werden. „Das wäre dann wenig hilfreich für die
Kunden“, warnt Verbandssprecher Torsten Schäfer.
Denn im Schauinsland-Prozess entschied das Gericht auch, dass der
Veranstalter keine Abflugzeiten nennen muss, wenn diese noch gar nicht
feststehen. Das kommt vor, denn die Kataloge für die nächste Saison werden
bis zu einem Jahr im Voraus produziert.
## Abflugzeit unbekannt
Der vzbv hatte auch die Formulierung „Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt“
in den Buchungsunterlagen erfolglos angefochten. Das Landgericht hielt es
für zulässig, dass der Veranstalter dennoch die Reise schon bestätigte und
vom Kunden Geld kassierte. Das sieht die Branche als Erfolg.
Der vzbv hat einen langen Atem und allein gegen Airlines seit 2006 mehr als
100 Klageverfahren auf den Weg gebracht, um bessere Fluggastrechte
durchzusetzen. Möglicherweise sorgen auch verschärfte EU-Regeln für mehr
Klarheit.
Brüssel hat schon einheitliche Entschädigungen für Passagiere bei
Verspätungen und Flugausfällen gegen die Airlines durchgesetzt und ist
dabei, auch für Pauschalreisen strengere Richtlinien zu erlassen. Die
einflussreiche Tourismusbranche hält mit aller Lobbymacht gegen.
8 Dec 2012
## AUTOREN
Thomas Wüpper
## TAGS
Verbraucherrechte
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