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# taz.de -- Verbraucherschutz bei Airlines: Schlichter für geschädigte Flugg�…
> Die Airlines wollen eine gemeinsame Beschwerdestelle aufbauen. Ein Gesetz
> verpflichtet Flugunternehmen zu außergerichtlichen Schlichtungsverfahren.
Bild: Beim Warten zahlt sich der Hartschalenkoffer aus.
Es ist einer von vielen Fällen, der Schlagzeilen machte. Erst mit fast 36
Stunden Verspätung konnten 260 Reisende, die ihren Winterurlaub auf Kuba
verbrachten, zurück in die Heimat nach Frankfurt starten. Der Ferienflieger
Condor begründete das mit dem Defekt der Maschine. Die Gäste mussten nach
langer Wartezeit am Flughafen schließlich in Hotels übernachten
Nach der Rückkehr verlangten viele Reisende Entschädigung für die
zusätzlichen Mühen. Bei Verspätungen ab drei Stunden und Entfernungen von
mehr als 3.500 km sieht die EU-Fluggastrechte-Verordnung eine
Ausgleichszahlung von 600 Euro vor – zusätzlich zum Anspruch auf
Verpflegung, nötige Hotelübernachtungen sowie Taxi- und Telefonkosten.
Voraussetzung ist, dass der Flug nicht wegen außergewöhnlicher Umstände wie
schlechtem Wetter oder Streiks verspätet oder ausgefallen ist.
## Willkürliche Einzelfallprüfung
Die Kuba-Reisenden erlebten trotz dieser klaren Regelung eine ganz
unterschiedliche Behandlung. Teils zahlte Condor die volle Entschädigung,
teils weniger, teils überhaupt nicht, obwohl alle in der gleichen Maschine
gesessen haben. Das Unternehmen begründet das mit Einzelfallprüfungen. Für
Kritiker ist der Fall eher ein Musterbeispiel, wie willkürlich manche
Firmen ihre Kunden behandeln – und dabei darauf setzen, dass geprellte
Reisende den teuren und mühsamen Weg zum Gericht scheuen, um ihre Rechte
durchzusetzen.
Seit vielen Jahren beklagen Verbraucherschützer diese Missstände. Zumal
eine unabhängige außergerichtliche Beschwerde- und Schlichtungsstelle für
Flugreisende fehlt, die in anderen Branchen teils seit Jahrzehnten üblich
ist. Bei Streitfällen mit Banken oder Versicherungen zum Beispiel können
sich Kunden an Ombudsmänner wenden, die nach Prüfung und Anhörung des
Unternehmens einen Einigungsvorschlag vorlegen.
Für den Verbraucher ist das Verfahren kostenlos – und anders als das
Unternehmen ist der Kunde nicht verpflichtet, den Vorschlag des Schlichters
anzunehmen. Der Klageweg steht dem Betroffenen weiter offen. Zwar gibt es
solche neutralen Anlaufstellen auch für Reisende seit vielen Jahren, zum
Beispiel die frühere Schlichtungsstelle Mobilität beim Verkehrsclub
Deutschland, die von der Bundesregierung als Modellvorhaben unterstützt
wurde. Doch Lufthansa, Air Berlin & Co verweigerten, anders als zum
Beispiel die Deutsche Bahn, die Teilnahme und Mitfinanzierung.
Bundesregierung und Gesetzgeber duldeten dieses Verhalten lange. Zu lange,
wie Kritiker meinen. Nach langem Hin und Her schafft ein neues Gesetz aber
nun die Möglichkeit, dass auch verärgerte Fluggäste ihren Streitfall ohne
Gerichtsprozess klären können. Sanfter Druck soll helfen, die Opposition
hatte vergeblich strengere Regeln gefordert. Die Unternehmen werden künftig
zwar nicht direkt zur Schlichtung gezwungen – aber jede Firma, die sich
nicht an freiwilligen Verfahren beteiligt, soll sich mit ihren Kunden
künftig vor einer staatlichen Beschwerdestelle beim Bundesamt für Justiz
auseinandersetzen müssen.
Noch ist offen, wie viele Flugunternehmen sich an einer geplanten
Branchenlösung beteiligen. Man wolle eine privatrechtlich organisierte
Schlichtungsstelle aufbauen, heißt es beim Bundesverband der Deutschen
Luftverkehrswirtschaft (BDL). Dort sollen die im BDL organisierten
deutschen Airlines und die Unternehmen der Barig, des Verbands
ausländischer Anbieter, ihre Beschwerdefälle klären lassen. Die gemeinsame
Schlichtungsstelle solle „zu Beginn des nächsten Jahres an den Start
gehen“. Es ist kein Geheimnis, dass die Branche diesen Schritt nur
widerwillig geht und lieber an den bisherigen „Einzelfalllösungen“
festhalten würde, bei denen die Unternehmen am längeren Hebel sitzen.
Offiziell betonen die Verbände jedoch nun, man habe die Einrichtung einer
Schlichtungsstelle „aktiv unterstützt“.
Richtig ist: Die Lobbyvertreter haben im Gesetzgebungsverfahren ihren
Einfluss geltend gemacht, um strengere Regeln zu verhindern. So betont der
BDL, dass der Kunde den Sachverhalt auch weiterhin zunächst mit dem
Unternehmen zu klären habe – und erst nach einer Frist von 60 Tagen die
Schlichtungsstelle anrufen könne.
## Branche verhindert zentrale Anlaufstelle
Auch die gesetzliche Vorgabe, dass es nur eine einheitliche Anlaufstelle
für alle verärgerten Reisenden geben soll, hat die Branche verhindert. Mit
der unabhängigen Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr
(SÖP) in Berlin gibt es zwar bereits eine bewährte Institution, die für
alle Bahn-, Bus- und Schiffsreisenden und mehr als 180 Unternehmen
Streitfälle schlichtet. Doch ob sich die Airlines der SÖP anschließen, ist
weiter offen.
Dabei liegen bei der SÖP bereits Tausende Beschwerden verärgerter Fluggäste
auf Halde. Die Fluggesellschaften akzeptieren jedoch – anders als viele
Schienenunternehmen – die SÖP und ihre Vorschläge bisher nicht. SÖP-Chef
Heinz Klewe bleibt zuversichtlich, dass es zu einer gemeinsamen Lösung und
einer einzigen Anlaufstelle kommt. Einen ersten Erfolg konnte er verbuchen.
Ausgerechnet der Billigflieger Ryanair, der durch rüde Geschäftsmethoden in
die Schlagzeilen geriet, hat sich im März als erste Airline der SÖP
angeschlossen und akzeptiert die Schlichtungsvorschläge.
Der SÖP-Chef hofft, dass die anderen Airlines folgen und ebenfalls beim
SÖP-Trägerverein mitmachen: „Das wäre für alle die beste und
wirtschaftlichste Lösung.“
8 Jun 2013
## AUTOREN
Thomas Wüpper
## TAGS
Beschwerdestelle
Flugverkehr
Fluggesellschaften
Ryanair
Verbraucherschutz
Airline
Verbraucherrechte
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