# taz.de -- Streit im Nobelpreiskomitee: Wie ein Wirtshausstreit | |
> Mitglieder des schwedischen Nobelpreiskomitees legen sich mit einem | |
> chinesischen Übersetzer an. Sie fühlen sich von dem Sinologen | |
> angegriffen. | |
Bild: Tomas Tranströmers übersetzte Gedichte sorgen für Wirbel | |
STOCKHOLM taz | „Wie eine Laus mit dem Daumennagel zerquetschen“ werde er | |
diesen Mann, schreibt M. seinem Kollegen W. Der beantwortet das mit einem | |
aufmunternden „Zerquetsche ihn – meinen Segen hast du“. M. und W., Göran | |
Malmqvist und Per Wästberg, sind Mitglieder der ehrwürdigen Schwedischen | |
Akademie. | |
Dem 18-köpfigen Gremium, das laut seiner Statuten für „Reinheit, Kraft und | |
Größe der schwedischen Sprache“ wirken und gemäß Alfred Nobels Testament | |
„das Herausragendste in der Literatur“ mit dem Nobelpreis ehren soll. Und | |
dann solch ein Sprachgebrauch? | |
Begonnen hatte es mit einer scharfen öffentlichen Kritik des Sinologen | |
Malmqvist an dem chinesischen Übersetzer Li Li: Dieser tue den Gedichten | |
des letztjährigen Literaturnobelpreisträgers Tomas Tranströmer Gewalt an. | |
Worauf der ihn als „Elster, die auf meinen Kopf scheißt“, und jemand, der | |
selbst „keinerlei literarisches Gefühl hat“, bezeichnete. | |
Malmqvist, der sich schon gegen Vorwürfe wehren muss, er habe nicht | |
unbefangen sein können, als dem von ihm persönlich übersetzten Mo Yan der | |
Nobelpreis zuerkannt wurde, schrieb daraufhin an Li Lis Ehefrau, | |
schwedische Generalkonsulin in Schanghai. | |
Der Inhalt dieses Briefes könne nur als Drohung verstanden werden, ihrer | |
weiteren Karriere in Schwedens auswärtigem Dienst schaden zu wollen, | |
urteilte die Tageszeitung Aftonbladet. Und veröffentlichte einen | |
Mailwechsel, in dem Malmqvist und Wästberg sich darüber austauschen, dass | |
Li Li, der 1986 nach Schweden geflüchtet war, „keine Stipendien von | |
irgendwoher“ mehr bekommen solle. | |
## Widerliche Gedichte | |
Das sei das Empörendste an der ganzen Geschichte, meint die | |
Literaturkritikerin Ulrika Milles: Die Akademie sei ein Machtfaktor im | |
schwedischen Kulturleben, teile eine Vielzahl von Preisen und Stipendien | |
aus. Mit ihr über Kreuz zu geraten, sei nicht tunlich. Nun verstiegen sich | |
deren Mitglieder aus höchst privaten Gründen zu solchen | |
Boykottüberlegungen. | |
Malmqvist entschuldige sich, solle er der Akademie geschadet haben. Er sei | |
wegen eines chinesischen Gedichts von Li Li in Rage geraten. Worin der sich | |
über reiche alte Männer und ihre jungen Frauen Gedanken macht. Der | |
88-jährige Malmqvist, dessen jetzige Ehefrau 43 Jahre alt ist, fand das | |
„widerlich“ und verstand es als gegen sich gerichtet. „Aus der Luft | |
gegriffen“, sagt Li Li: Er habe nur ein derzeit in China heiß diskutiertes | |
Phänomen aufgreifen wollen. | |
Auch wenn privat, schadet ein solcher „Wirtshausstreit“ natürlich der | |
Akademie, meldete sich zwischenzeitlich deren „ständiger Sekretär“ Peter | |
Englund zu Wort: Er habe sich eigentlich nicht vorstellen können, dass er | |
jemals in diesem Amt Akademiemitglieder an so eine Selbstverständlichkeit | |
werde erinnern müssen. Die größte Sorge der mit ihrer Mo-Yan-Wahl mächtig | |
ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen Akademie dürfte dieser | |
„Wirtshausstreit“ allerdings momentan gerade nicht sein. | |
7 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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