# taz.de -- Literaturnobelpreisträger Mo Yan: Notwendiges Übel stößt übel … | |
> Zensur sei ein notwendiges Übel, meint der chinesische | |
> Literaturnobelpreisträger Mo Yan. Nun hagelt es Kritik aus aller Welt. | |
Bild: Wäre er doch bei der Literatur geblieben: Nobelpreisträger Mo Yan. | |
BERLIN/STOCKHOLM taz | Bei der Bekanntgabe des diesjährigen | |
Literaturnobelpreisträgers vor sechs Wochen hielt sich die Kritik an dem | |
chinesischen Schriftsteller Mo Yan noch in Grenzen. Nur Ai Weiwei wetterte | |
schon damals gegen die Entscheidung des Nobelpreiskomitees. „Kann man einen | |
Schriftsteller mit diesem Preis auszeichnen, der sich vom heutigen | |
politischen Kampf in China fernhält?“, fragte Chinas bekanntester Künstler | |
und Regimekritiker. „Ich halte das für unerträglich.“ Immerhin gratulierte | |
er dem Schriftsteller damals noch. Nun twitterte Ai Weiwei: „Ich bin nur | |
noch angewidert.“ | |
Vier Tage vor der Preisverleihung hat Mo Yan am Donnerstag auf einer | |
Pressekonferenz in Stockholm die staatliche Zensur in China als ein | |
notwendiges Übel bezeichnet, das mit lästigen Sicherheitskontrollen auf | |
Flughäfen zu vergleichen sei. Ähnliches gebe es auf der ganzen Welt. Nur | |
der Grad der Zensur sei unterschiedlich. | |
Intellektuelle aus aller Welt zeigen sich nun entsetzt über Mo Yans | |
Äußerungen. In China werden Schriftsteller und Künstler in Haft gesteckt | |
oder bedroht, empörte sich Ai Weiwei. Mit dieser Äußerung verteidige Mo Yan | |
„dieses bösartige System“. | |
„Wir alle sollten uns fragen, ob ein solcher Schriftsteller den höchsten | |
Literaturpreis der Welt verdient hat“, sagte der Direktor des Hongkonger | |
PEN-Zentrums unabhängiger chinesischer Schriftsteller, Patrick Poon. Ein | |
Preisträger werde nicht nur an seinen schriftstellerischen Fähigkeiten | |
gemessen, sondern auch an seiner Haltung gegenüber der Meinungsfreiheit. | |
Der im Exil lebende Autor Yu Jie nannte Mo Yan einen „Lakaien“. Die | |
deutsch-rumänische Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hatte Mo Yan | |
schon zuvor unkritische Anpassung vorgeworfen. Und der im deutschen Exil | |
lebende chinesische Schriftsteller Liao Yiwu verwies darauf, dass die | |
Schwedische Akademie schon einmal „einem Anhänger der kulturellen | |
Unterdrückung“ diesen Literaturpreis verliehen habe: Michail Scholochow. | |
„Das war ein Unglück und nun haben Sie es wieder getan.“ Schocholow, | |
ZK-Mitglied der sowjetischen KPdSU, hatte 1965 den Literaturnobelpreis | |
erhalten. | |
## Geschichten aus dem Heimatdorf | |
Der 1955 geborene Mo Yan ist der erste in China lebende Autor, der den | |
Literaturnobelpreis erhält. Mit Werken wie „Rotes Kornfeld“ oder „Die | |
Knoblauchrevolte“ zählt der Bauernsohn zu den wichtigsten Autoren der | |
Gegenwart. Seine Geschichten handeln oft vom Leben in seinem Heimatdorf | |
Gaomi in der Provinz Shandong im Ostchina der vergangenen 50 Jahre. | |
Mo Yan ist der erste chinesische Literaturnobelpreisträger, den die | |
chinesische Führung auch anerkannt. Der erste Chinese, der einen | |
Literaturnobelpreis erhielt, war im Jahr 2000 Gao Xingjian. Gao ist aber | |
ein Kritiker des Regimes und lebt im französischen Exil. Mo Yan hingegen | |
wird in China nun ganz groß vom Staat gefeiert. | |
Seine Exilkollegen verübeln Mo Yan auch, dass er über den chinesischen | |
Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo kein Wort verliert. 134 | |
Nobelpreisträger haben vor zwei Tagen von dem neuen chinesischen Parteichef | |
Xi Jinping die Freilassung Lius gefordert. Mo verweigerte diesem Aufruf | |
seine Unterschrift. | |
Bei der traditionellen Nobelvorlesung am Freitag wehrte sich Mo gegen die | |
Kritik. „Ich sehe, wie ein Preisträger mit Blumen überhäuft, aber auch mit | |
Steinen beworfen und mit Dreckwasser überschüttet wird.“ Er wische sich das | |
„Schmutzwasser“ aber gelassen ab und sage zum Publikum: „Für einen | |
Schriftsteller ist der beste Weg, sich zu äußern, das Schreiben.“ Der Preis | |
wird ihm am Montag verliehen. | |
7 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
F. Lee | |
R. Wolff | |
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