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# taz.de -- Machtkampf in Ägypten: Mursis Dekret ist vom Tisch
> Der Präsident erfüllt eine zentrale Forderung der Opposition und zieht
> sein Dekret zurück. An dem Termin des Verfassungsreferendums am 15.12.
> hält er aber fest.
Bild: Machtbewusster Mursi: Neue Grafitti zieren die Außenmauern des Präsiden…
KAIRO taz | Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi hat im politischen
Konflikt mit der Opposition einen Rückzieher gemacht. Nach einem
zehnstündigen Treffen zwischen der Regierung mit Teilen der Opposition und
40 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nahm er Samstagnacht sein
präsidiales Verfassungsdekret vom 22. November zurück und ersetzte es durch
ein neues. Damit ist das Dekret, mit dem seine Entscheidungen nicht mehr
gerichtlich anfechtbar waren, vom Tisch. An dem Termin des umstrittenen
Verfassungsreferendums am 15. Dezember hält Mursi aber fest.
Damit erfüllt er zwar eine Schlüsselforderung der Opposition, ignoriert
aber die Forderung, das Referendum zu verschieben und Teile des
Verfassungsentwurfes neu zu verhandeln. Noch Stunden zuvor hat
Regierungschef Hischam Kandil in Aussicht gestellt, dass am Ende des
nationalen Dialogs der Termin für den Verfassungsentwurf verschoben werden
könnte.
Wörtlich sagte der Ministerpräsident auf Al-Mehwar TV: Mursi habe „keine
Einwände, das Referendum zu verschieben“. Doch am Ende des Treffens am
Samstag, das von dem größten Oppositionsblock, der Nationalen
Rettungsfront, aber auch von den Tahrir-Aktivisten der 6.-April-Bewegung
boykottiert wurde, war davon nicht mehr die Rede.
Eine offizielle Antwort der Opposition lässt bisher auf sich warten. Deren
wichtigste Politiker wie Mohamed ElBaradei und die ehemaligen
Präsidentschaftskandidaten Hamdeen Sabahi und Amr Musa zogen sich am
Sonntag zu einem mehrstündigen Treffen zurück, um ihre Antwort zu
koordinieren. Aber es gibt erste Hinweise, dass sich die Opposition mit
Mursis Schritt nicht zufrieden gibt.
## Aufforderung zum Widerstand
ElBaradei hat bereits über Twitter aufgerufen, sich gegen das neue
Präsidentendekret zu stellen. Khaled Dawood, einer der Sprecher der
Rettungsfront, erklärte, dass die Annullierung des ursprünglichen
Präsidentendekrets inzwischen relativ wenig Bedeutung habe.
„Eine unsrer Hauptforderungen ist es, das Referendum zu verschieben. Darauf
nicht einzugehen, wird zu mehr Konfrontation führen“, sagte auch ein nicht
namentlich genanntes hochrangiges Mitglied der Nationalen Rettungsfront der
staatlichen Nachrichtenagentur. Ahmad Maher, prominentes Mitglied der
6.-April-Bewegung, sagte: „Nichts hat sich geändert, außer dass ein
diktatorisches Dekret des Präsidenten eingefroren wurde. Alle Konsequenzen
daraus sind noch gültig“.
Zuvor hatte sich auch das Militär eingeschaltet. „Wir unterstützen den Ruf
für einen nationalen Dialog, um einen Konsens zu erreichen, der alle Teile
der Nation einigt“, heißt es auf der Facebook-Seite der Armee. Eine Linie,
die auch der Sprecher Mohammed Ali wiederholte und mit einer Warnung
verband: „Die Armee wird nicht erlauben, dass die Gewalt weitergeht“,
erklärte der Armeesprecher.
## Die Armee will sich nicht auf eine Seite stellen
Damit stehen beide, Präsident und Opposition, unter Druck, eine
Verhandlungslösung zu finden. Zuvor hatte der Präsident noch ein weiteres
Dekret angekündigt, das der Armee die gleichen Rechte wie der Polizei bei
der Festnahme von Zivilisten gibt. Dieses Dekret soll bis zu den
Parlamentswahlen in Kraft bleiben, die spätestens zwei Monate nach
Ratifizierung der Verfassung stattfinden sollen.
Doch sowohl die Polizei als auch die Armee und selbst die
Republikaner-Garde, die für den Schutz des Präsidentenpalasts zuständig
ist, verrichten ihrer Arbeit nur halbherzig und betonen immer wieder, dass
sie im politisch zweigeteilten Ägypten nicht auf einer Seite stehen,
sondern lediglich für den Schutz öffentlicher Gebäude zuständig sind.
Wie prekär die politische Lage in Ägypten gerade ist, zeigt auch eine
Erklärung von Jusri Hamad, dem Sprecher der salafistischen El-Nur-Partei.
„Sollte dem Präsidenten Mohammed Mursi etwas zustoßen, werden wir uns
sofort zu einer islamischen Revolution erheben und auf dem Boden Ägyptens
einen islamischen Staat errichten.“
9 Dec 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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