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# taz.de -- Vor dem ägyptischen Referendum: Chaos-Tage in Kairo
> Die Opposition ist uneins, ob sie das Referendum boykottiert. Die
> Offiziellen sind derweil damit beschäftigt, Verwirrung ums Prozedere zu
> stiften.
Bild: Während in Kairo noch gestritten wird, wird in den ägyptischen Botschaf…
KAIRO taz | Nur drei Tage vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum
verstricken sich Ägyptens staatliche Institutionen endgültig im internen
Kommunikationschaos. Am Mittwoch morgen vermeldete das staatliche
Fernsehen, dass das Referendum nun nicht nur am kommenden Samstag, sondern
auch am 22. Dezember in zwei Phasen abgehalten werden soll, mit jeweils der
Hälfte der Wahlbezirke.
Hintergrund dafür ist wahrscheinlich, dass den Sicherheitskräften der
Einsatz erleichtert wird, wenn sie nur für die Absicherung der Hälfte der
Bezirke zuständig sind. Außerdem braucht man dann nur die Hälfte der
Richter zur Überwachung der Wahllokale, zumal man sich deren Loyalität noch
nicht vollkommen sicher ist.
Wenige Stunden später stritt der Chef der Obersten Wahlkommission den neuen
Plan ab. Alles bleibe beim Alten, ließ er verlauten. Kurz darauf machten
sich die ersten Twittermeldungen über die Bananenrepublik Ägypten lustig.
Doch am Nachmittag bestätigte die Wahlkommission, dass das Referendum in
zwei Runden stattfinden wird.
Auch mit dem für den Nachmittag vom Militär einberufene Dialog-Treffen war
zunächst alles unklar – die Tagesordnung ebenso wie die Frage, wer
teilnehmen würde. Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi erklärte, dass
die Gespräche keinen politischen Charakter haben soll. „Wir sitzen einfach
als Ägypter zusammen“, lies er verlauten. Erst am frühen Nachmittag
erklärte das größte oppositionelle Bündnis, Nationale Rettungsfront, seine
Bereitschaft, an den Gesprächen teilzunehmen. Fast zeitgleich verschob das
Militär allerdings die Gespräche und machte das Chaos komplett.
## Politische Polarisierung hält an
Immerhin rang sich die Rettungsfront zu einer einheitlichen Linie für das
Referendum durch und stellte Bedingungen. Das Referendum solle nur an einem
Tag abgehalten und von den Richtern überwacht werden. Die Ergebnisse
müssten in den jeweiligen Wahllokalen ausgezählt und verkündet werden.
Außerdem sollten lokale und internationale Nichtregierungsorganisation das
Referendum beobachten. Mit diesen Maßnahmen sollen die Möglichkeiten von
Wahlbetrug eingegrenzt werden. Wenn alle diese Bedingungen erfüllt seien,
wird das Bündnis die Ägypter aufrufen, am Referendum teilzunehmen und mit
Nein zu stimmen. Werden diese nicht erfüllt, wird die Rettungsfront zu
einem Boykott aufrufen.
Die jüngste Erklärung der Wahlkommission widerspricht also einer der
Teilnahmebedingungen der Opposition. Unterdessen hält die Polarisierung des
Landes an. „Platz gegen Platz“ titelten ägyptische Tageszeitungen in ihrem
Berichten über Demonstrationen der rivalisierenden politischen Strömungen
am Dienstagabend.
Die Muslimbrüder trafen sich zu einer Großdemonstration in einem der
nördlichen Bezirke Kairos, um für Ja-Stimmen werben. Auf dieser
Demonstration herrschte große Zuversicht über den abzustimmenden
Verfassungsentwurf. Schließlich wurde der fast ausschließlich von
Islamisten geschrieben, nachdem die Liberalen aus Protest die
Verfassungsgebenden Versammlung verlassen hatten. Egal, wen man auf der
Kundgebung der Muslimbrüder fragte: Alle waren sich, einig, wie sie am
Samstag stimmen werden.
er Kommunikationstechniker Salem Abdel Latif sagte: „So Gott will, werde
ich am Samstag mit Ja stimmen, mit all meinen Freunden, Verwandten und
allen, die Ägypten lieben. Wir werden für die Verfassung stimmen und damit
alle Hindernisse aus dem Weg räumen, damit es endlich voran geht“, erklärte
er.
Nur wenige davon Kilometer entfernt stürmten am gleichen Abend vor dem
Präsidentenpalast erneut die Gegner des Verfassungsentwurfs die
Absperrungen. Es ging laut aber gewaltlos zu. Die Republikanergarde
versuchte vergeblich, ein Gitter festzuhalten, das den Zugang versperrte.
Nachdem die Demonstranten durchgebrochen waren, zogen sich die Soldaten
sofort zurück, um jede weitere Eskalation zu vermeiden.
## Salafisten habe keine Zeit zu demonstrieren
Aber anders als auf der Kundgebung der Muslimbrüder schienen die Liberalen
vor dem Präsidentenpalast noch keine einheitliche Linie gefunden zu haben,
wie sie sich nächsten Samstag verhalten werden. Der Tahrir-Aktivist und
Student Ahmad Hassan will auf jeden Fall mit Nein stimmen. „Weil ich gegen
den gesamten Verfassungsentwurf bin, der nicht repräsentativ ist und den
die Islamisten alleine geschrieben haben“, sagt er. Direkt neben ihm steht
der Fremdenführer Midhat Saudi, der das Referendum boykottieren will.
„Diejenigen, die am Samstag zu den Urnen gehen, verleihen einem Prozess
Legitimität, obwohl der von Beginn an illegitim war. Ich fordere alle auf,
diesem Referendum fern zu bleiben und ihm keine Chance zu geben“,
appellierte er.
Manche der Islamisten wie die salafistische Al-Nour-Partei entschuldigten
sich für ihr Fernbleiben von der Muslimbrüder-Kundgebung. Ihre Mitglieder
hätten keine Zeit zu demonstrieren, sagten sie. Sie seien damit
beschäftigt, von Haus zu Haus gehen und um weitere Ja-Stimmen zu werben.
12 Dec 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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