# taz.de -- Kommentar Sicherheit im Stadion: Die totale Kontrolle | |
> Es ist nicht leicht, über Fußballfans zu reden in diesen Tagen. Doch für | |
> die Sicherheitsapologeten ist es ganz einfach. Nur die bürgerliche Mitte | |
> schweigt. | |
Da ist der Papa, der seine zwei kleinen Töchter an seinen Klub heranführen | |
will. Das Pärchen, das seinen Hochzeitstag im Stadion verbringt, ist auch | |
da – genauso der Rentner, der eigentlich schon immer im Stadion war. Er | |
kennt die bunten Fans, die am Spieltag grölend durch die Städte ziehen, und | |
er freut sich, wenn die jungen Leute auf den Stehplätzen, die sich Ultras | |
nennen, zu singen anfangen. Sie alle sind Fans. Sie feiern Messen für ihre | |
Passion. Es ist eine Freude. | |
Dann brennt es in der Kurve. Roter Rauch steigt auf. Männer prügeln sich. | |
Noch mehr Männer liefern sich Auseinandersetzungen mit behelmten | |
Polizisten. Hubschrauber kreisen über den Stadien, Überwachungsdrohnen | |
fliegen vor den Stehplatzbereichen, Delinquenten werden in den Stadionknast | |
gesperrt. Polizeibeamte und Innenminister sprechen von | |
bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Es ist ein Graus. | |
Es ist nicht leicht, über Fans zu reden in diesen Tagen. Die einen denken | |
an entsetzliche Gewaltexzesse, wenn sie nur das Wort Stadion hören, andere | |
schwärmen von stimmungsvollen Events und vergessen dabei, dass es auch | |
gefährlich sein kann, wenn eine bengalische Fackel außer Kontrolle gerät. | |
Doch für die Sicherheitsapologeten in der deutschen Politik ist alles ganz | |
einfach. Sie wollen mit aller Macht die totale Kontrolle über die Stadien | |
und sehen genüsslich dabei zu, wie aus lauter Angst vor Fangewalt, die sie | |
selbst mit ihren Worten schüren, rechtsstaatliche Standards aufgeweicht | |
werden, auf die eine Demokratie eigentlich stolz sein sollte. Sie | |
befürworten eine Denunziationskultur in den Kurven, wollen Fanklubs mittels | |
Kollektivbestrafungen den Stadionzutritt verwehren, wenn ein einziges | |
Mitglied Mist gebaut hat, und finden es angebracht, wenn Sicherheitsdienste | |
den Fans in den entblößten After schauen – es könnte ja darin Pyrotechnik | |
ins Stadion geschmuggelt werden. | |
Die allgemeine Empörung über diesen Sicherheitsfanatismus hält sich indes | |
in Grenzen. Über die Einführung von Ganzkörperscannern an deutschen | |
Flughäfen kann sich die bürgerliche Mitte durchaus empören. Das Filzen von | |
nackten Fans ist ihr egal. Auch für das noch so liberale Bürgertum stehen | |
die meist sehr jungen Ultrafans schon längst außerhalb der Gesellschaft. | |
Die spüren, dass sie als Outlaws wahrgenommen werden, und fühlen sich | |
zunehmend vogelfrei. Sicherer macht das die Stadien nicht. | |
11 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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