# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Kult gegen Kommerz | |
> Dortmunds Anhänger protestieren in Wolfsburg gegen teure Tickets. Das ist | |
> Teil eines Kulturkampfs: Wer entscheidet, was echte Fankultur ist? | |
Bild: Immerhin sie wissen sicher, dass sie immer auf der richtigen Seite stehen… | |
Das Thema Fans ist wieder da. Am Samstag soll wieder protestiert werden. An | |
der Spitze der Protestbewegung stehen die Anhänger von Borussia Dortmund. | |
Die schwarz-gelben Fans, die eine Karte für das Spiel beim VfL Wolfsburg | |
haben, wollen erst nach 20 Minuten ihre Plätze in der Arena einnehmen. | |
Sie protestieren damit dagegen, dass die Eintrittskarten oft teurer sind | |
als üblich, wenn Dortmund ein Gastspiel gibt. Ein Fan des BVB, der für alle | |
Auswärtsspiele seines Klubs eine Stehplatzkarte gekauft hat, musste in der | |
ablaufenden Saison 50 Euro mehr zahlen, als ein Fürther, der seinem Team | |
nachgereist ist. | |
Der Erfolg hat den BVB teuer gemacht. Die echte Liebe ist kostspielig | |
geworden. „Dann lasst es doch!“, mag man denken. „Dann lasst doch die | |
hinfahren, die sich das leisten wollen.“ Doch genau das ist für so manchen | |
Fan und vor allem für jene, die sich in der Kampagne „Kein Zwanni für nen | |
Steher“ engagieren, eine wahre Horrorvorstellung. Sie fordern: „Fußball | |
muss bezahlbar bleiben!“ | |
Ihnen graut vor nichts mehr als einem Operettenpublikum, das vielleicht | |
allein wegen des Fußballs, der gespielt wird, ins Stadion kommt. Deshalb | |
führen sie einen beinahe schon verzweifelten Kampf gegen die | |
Durchkommerzialisierung der Stadionkultur. Sie schenken ihre Liebe einem | |
Milliardenspektakel und feuern Millionäre an, aber zur Finanzierung dieses | |
fortschreitenden Wahnsinns wollen sie so wenig wie möglich beitragen. | |
Diese Liebenden sehen sich nicht als Kunden, sie halten sich für einen Teil | |
des Spiels. Vielleicht glauben sie ja sogar, dass man sie für die Arbeit, | |
die sie mit ihren Stimmbändern auf den Rängen leisten, bezahlen sollte. Sie | |
werden zornig, wenn sie sehen, dass die Fußballkonsumenten auf den wirklich | |
teuren Sitzplätzen die von den Klubs verteilten Werbekartons zu | |
Klatschpappen falten und diese zu einem vorgegebenen Rhythmus zum Knallen | |
bringen. | |
Den Tod der Fankultur beklagen sie dann und huldigen ihren eigenen Riten, | |
ihren Fangesängen, ihren Sprechchören, ihren Kurvenchoreographien. Und wer | |
die Ruhe genossen hat, die vor Weihnachten in den Bundesligastadien | |
herrschte, als die Brüllfans in den Kurven zu Beginn der Spiele geschwiegen | |
haben, um gegen ihre Kriminalisierung und ihre drohende Verdrängung zu | |
protestieren, der gilt bei den Stehplatzfetischisten als Schnösel, als | |
einer, der in einem Stadion eigentlich nichts verloren hat, als einer, der | |
von Fußball nichts versteht, als Fußballkulturbanause. | |
Es ist ein Kulturkampf, der da geführt wird. Die Frontlinie verläuft | |
zwischen Kult und Kommerz. Der Ausgang ist ungewiss. Können die echten | |
Emotionen, die den Aktiengesellschaften im Spielbetrieb entgegengebracht | |
werden, in Einklang gebracht werden mit dem Business Bundesliga? Haben die | |
Gefühle, die nicht selten mit einen Abscheu gegen die turbokapitalistischen | |
Auswüchse im Fußball einhergehen, einen Platz in einer Welt, in der es um | |
Millionengehälter und Milliardenumsätze geht. Wird die echte Liebe von den | |
Klubs am Ende nur ausgenutzt, um das Produkt Fußball besser verkaufen zu | |
können? | |
Mit dem Spiel auf dem Platz haben all diese Fragen nichts zu tun. Über | |
Taktik, Laufvermögen oder spielerische Geniestreiche kann auch diskutieren, | |
wer den jüngsten Bundesligareport mit allen den Umsatzzahlen nicht gelesen | |
hat. Auch einen Fangesang muss man nicht anstimmen können, um ein Spiel zu | |
analysieren. Wie das Ringen der Kurvenromantiker um eine kommerzfreie Zone | |
im Stadion auch ausgehen mag, Fußball wird in jedem Fall weiterhin | |
gespielt. Das ist ja schon mal nicht schlecht. | |
11 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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