# taz.de -- Debatte Tötung durch Drohnen: Perverse Waffen | |
> Drohnen haben in den vergangenen Jahren tausende Menschen getötet – auch | |
> viele Zivilisten. Die UNO muss die unbemannten Kampfmaschinen ächten. | |
Bild: Kein Risiko für die Anwender: Kampfdrohnen. | |
Der militärische Einsatz von Drohnen, das heißt von unbemannten Flugzeugen | |
zur gezielten Tötung, wird von Befürwortern als „saubere Kriegsführung“ | |
gehandelt. Seit Präsident Obama Drohnen im Wahlkampf als „großartigste | |
Sache seit Ewigkeiten“ bezeichnete, kommen auch deutsche Politiker auf den | |
Geschmack. Verteidigungsminister de Maizière und der Wehrbeauftragte | |
Königshaus fordern Drohnen für die Bundeswehr. | |
Die militärische Effizienz von Drohnen ist allerdings alles andere als | |
erwiesen, und die Kollateralschäden sind immens. Allein in Pakistan sind | |
bei Angriffen durch Drohnen 2.000 bis 3.000 Menschen umgekommen, darunter | |
sehr viele Zivilisten. | |
Strafrechtlich und völkerrechtlich sind die Probleme, die der Einsatz von | |
Drohnen aufwirft, so groß, dass Obama – nach den Wahlen – verkündete: „… | |
brauchen ein legales Fundament.“ Juristen hatten ihn auf zwei Lücken | |
aufmerksam gemacht. Erstens sind gezielte Tötungen von Menschen in | |
Friedenszeiten strafrechtlich schlicht illegal – reine Willkürakte. Und | |
zweitens handelt sich bei diesen Einsätzen um einen Bruch des Völkerrechts. | |
Durch das im Artikel 51 der UNO-Charta garantierte Recht auf | |
Selbstverteidigung sind Angriffe nur gedeckt, soweit die Sicherheit eines | |
Landes und seine territoriale Integrität bedroht sind. In Kriegen dürfen | |
laut dieser Regelung Kombattanten zwar getötet werden, aber nur, wenn die | |
Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der militärischen Notwendigkeit | |
gewahrt werden. Beide Gebote werden missachtet, wenn durch eine Drohne ein | |
mutmaßlicher Terrorist getötet wird, mit ihm aber auch seine halbe Familie | |
und andere Opfer, die sich zufällig gerade in der Nähe des „Targets“ | |
befanden. | |
## Der ehrenhafte Krieg ist obsolet | |
Jenseits der rechtlichen Fragen stellen sich natürlich | |
politisch-moralische. Der an der UdK Berlin lehrende koreanische | |
Kulturwissenschaftler Byung-Chul Han verwies bei der Debatte über die | |
ethischen Probleme des Drohneneinsatzes auf die seit dem Mittelalter | |
entwickelten Lehre des „justus hostis“, des „ehrenhaften Feindes“. Den | |
durfte man nur töten, wenn er symmetrisch, das heißt gleich gut ausgerüstet | |
war und selbst dann nicht heimtückisch oder außerhalb des Schlachtfeldes. | |
So jedenfalls die Theorie. Diese Lehre der „ehrenhaften Einhegung des | |
Krieges“ ist allerspätestens seit der Industrialisierung der | |
Waffenproduktion und damit auch des Tötens obsolet geworden. Außerdem | |
herrscht in Kriegen vermutlich seit jeher keine Symmetrie der Waffen, weil | |
jede Seite versucht, aus waffentechnischen Neuerungen Vorteile zu ziehen | |
(und meist die Seite mit den neueren, moderneren Waffen die Schlacht | |
gewinnt). | |
Symmetrie der Waffen gibt es nur so lange, bis die eine oder andere Seite | |
über eine neue oder zumindest effizientere Waffe verfügt. Dieses | |
Zeitintervall verkürzt sich exponenziell etwa seit dem Amerikanischen | |
Bürgerkrieg (1861–1865). Hier gewann der Norden die Oberhand auch deshalb, | |
weil er sich als Erster eine Vorform des Maschinengewehrs – das Repeating | |
Gun oder Gatling Gun – verschaffte. | |
Fortan mobilisierten Politik, Militär und Wirtschaft in allen | |
hochindustrialisierten Ländern den technischen Fortschritt zur Entgrenzung | |
des Krieges durch permanente Innovation und Aufrüstung. Die Entwicklung von | |
Drohnen bildet in diesem Prozess keinen qualitativen Sprung, wohl aber eine | |
weitere Drehung in der nach oben offenen Gewaltspirale. Das technische | |
Mittel – die Drohne – ermöglicht politische und militärische Kalküle, die | |
wenn nicht die rechtlichen Grundlagen, so doch das zivilisatorische, also | |
ethisch-moralische Fundament der Gesellschaft tangieren. | |
## Dr. Seltsams neue Waffen | |
Drohnen töten ohne jedes Risiko für den Anwender. Gegen solche Waffen | |
sprechen dieselben Argumente wie gegen die Neutronenbombe: Diese töten | |
Menschen und andere Lebewesen durch hohe Strahlendosen, lassen aber Gebäude | |
und Waffensysteme unversehrt. Neutronenbomben treffen also hauptsächlich | |
Zivilisten und nicht die kämpfende Truppe. | |
Egon Bahr sprach 1978 von der „Perversion des Denkens“. Die Proteste gegen | |
diese Waffen führten dazu, dass US-Präsident Bush sen. die unter Ronald | |
Reagan seit 1981 produzierten Sprengköpfe vernichten ließ, weil die | |
Bevölkerung solche Waffen mehrheitlich als unmoralisch und | |
„religionswidrig“ ablehnte. Zustimmungsfähig sind sie wohl nur bei | |
abgebrühten Militärs wie dem amerikanischen General John Joseph Pershing | |
(1860–1948). Der blieb bis ans Ende seines Lebens der Devise treu, dass man | |
es sich bei Waffen, deren Wirkung „auf Ungeschützte so tödlich“ sei wie | |
chemische und biologische Waffen, nicht leisten könne, „die Frage ihres | |
Einsatzes zu vernachlässigen“. | |
Die Wiederbelebung der Lehre vom „ehrenhaften Feind“ und von der Symmetrie | |
der Waffen als Bedingung für einen geregelten Krieg, wie er Byung-Chul Han | |
vorschwebt, ist aussichtslos. Wenn man politisch-militärische Kalküle mit | |
Mitteln wie dem Einsatz von Drohnen verhindern will, gibt es nur einen Weg: | |
Man muss Politik und Gesellschaft mit moralisch-politischen Gründen von der | |
Notwendigkeit überzeugen, diese Waffen kollektiv und rechtlich verbindlich | |
zu ächten, und die Staaten für ein Produktionsverbot gewinnen. | |
Drohneneinsätze verwandeln die vom Kriegsschauplatz abgeschotteten | |
Bedienungsmannschaften zu „bloßen Maschinen und Werkzeugen“ (Kant), die | |
buchstäblich blind und taub sind gegenüber den Konsequenzen ihres Tuns. | |
Das Produktionsverbot für Drohnen müsste eine von der UNO mandatierte | |
Behörde überwachen. Das böte noch keine Gewähr dafür, dass die Produktion | |
eingestellt und bereits existierende Geräte zerstört würden. Verfahren für | |
die Verhängung von Sanktionen gegen Verstöße des Produktionsverbots müssten | |
entwickelt werden. Die Erfahrung mit anderen Verboten – zum Beispiel von | |
Landminen – ist wenig ermutigend, weil große Mächte entsprechende Abkommen | |
nicht unterzeichnen und Verbote ignorieren. Aber die Schwierigkeit dieses | |
Wegs ist kein Argument gegen seine ethische Plausibilität und politische | |
Vernünftigkeit. | |
19 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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