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# taz.de -- Geheimdienst besucht Vereine: Verfassungsschützer tauchen auf
> Der Verfassungsschutzchef übt sich in neuer Bürgernähe - und besucht zum
> Auftakt den SPD-nahen Jugendverein Falken. Auch Schulen sollen folgen.
Bild: Will öfter mal raus aus seiner Bude: Interims-Verfassungsschutzchef Bern…
BERLIN taz | Zweieinhalb Stunden saßen sie zusammen: Bernd Palenda, der
neue Interimschef des Berliner Verfassungsschutzes, und ein gutes Dutzend
Neuköllner Falken. Der Behördenleiter war eigens nach Britz gekommen, ins
Anton-Schmaus-Haus der linken, SPD-nahen Jugendorganisation. Dort ließ er
sich schildern, wie die Falken auf die wiederholten rechten Schmierereien
an ihrem Haus reagierten, auf die Angriffe, die 2011 zweimal auch mit
Brandsätzen erfolgten. Hörte zu, was der Verein über die rechtsextreme
Szene berichtete.
„Sehr offen, sehr konstruktiv“ sei das Gespräch gewesen, bekundete danach
Falken-Koordinatorin Mirjam Blumenthal. Viele im Haus waren von Palenda
überrascht, hatten sie die Besuchsanfrage des Geheimdienstlers zuerst doch
mit Argwohn aufgenommen. „Er hat sich aber intensiv für unsere Ansichten
interessiert“, sagt Blumenthal. Sie wertete das Treffen als Dialogauftakt.
Nun müsse der Verfassungsschutz zeigen, dass es ihm damit nicht nur um
Imagepolitur gehe.
Auch Palenda sprach am Mittwoch von einer „sehr angenehmen
Gesprächsatmosphäre“. Näher wollte er sich nicht äußern. Das Treffen war
nicht öffentlich, es sollte dem Kennenlernen dienen. Für Palenda, der den
Verfassungsschutz zumindest in den nächsten Monaten leiten soll, aber war
es ein Auftakt: Nach den beiden Affären um das rechtswidrige Schreddern von
Akten mit möglichem NSU-Bezug und dem Rücktritt von Chefin Claudia Schmid
versucht sich die Behörde jetzt an einem Neuanfang.
Nach dem Versagen im NSU-Fall müsse der Verfassungsschutz viel Vertrauen
zurückgewinnen, sagte Palenda jüngst. „Offener, ansprechbarer, bürgernähe…
wolle man auftreten. Die Öffentlichkeitsarbeit soll intensiviert werden.
Mitarbeiter sollten das Haus öfter verlassen und mit Verbänden ins Gespräch
bekommen, wie jetzt mit den Falken. Der Verfassungsschutz, so Palenda,
dürfe kein Geheimnis um sich machen.
Die Gesprächsofferte richtete Palenda auch an Schulen. Damit sollten etwa
Lehrer fortgebildet werden. Mitarbeiter aus dem Haus könnten, auf
Einladung, an Oberstufen über Demokratiefeinde referieren. Die genaue
Zusammenarbeit soll mit der Bildungsverwaltung erarbeitet werden. Palenda
nannte dies „ein Angebot“. Auch kritische Fragen werde man sich gefallen
lassen.
Die Offensive passt dennoch nicht allen. Kritik kommt aus der Opposition.
Linken-Landeschef Klaus Lederer würdigte zwar, dass Palenda mit seinem
Falken-Besuch das Problem Rechtsextremismus erkannt habe. „Das war bisher
ja nicht selbstverständlich.“ Dessen Behörde bleibe aber ein Geheimdienst
und habe vor allem an Schulen nichts zu suchen. „Es bleibt eine
Institution, die Gesinnung ausforscht und demokratisch nicht kontrollierbar
ist. Da hilft alle Bürgernähe nicht“, kritisierte Lederer, dessen Partei
für die Abschaffung des Verfassungsschutzes eintritt. Wenn in Schulen über
Rechtsextreme aufgeklärt werde, sollten dafür zivilgesellschaftliche
Initiativen eingeladen werden, nicht „Geheimniskrämer“.
Auch Piraten-Innenexperte Christopher Lauer sprach von "keiner guten Idee".
Wenn der Verfassungsschutz informieren wolle, fänden sich dafür sicher auch
Räume außerhalb von Schulen.
In der Koalition findet der Vorstoß dagegen Zustimmung. „Eine Öffnung nach
außen ist der richtige Weg“, sagte SPD-Innenexperte Thomas Kleineidam. Er
fände es „merkwürdig“, würde der Verfassungsschutz eigene
Unterrichtsstunden anbieten. Spreche er aber nur als eingeladener Experte,
sei dies völlig in Ordnung. Dies gehöre zur Rolle des Amtes als
„gesellschaftlicher Berater“.
Die Debatte erinnert an die Diskussion, ob die Bundeswehr an Schulen
Vorträge halten soll. Ein Karlshorster Gymnasium lud daraufhin 2010
Militärvertreter offiziell aus. In Brandenburg ist der Verfassungsschutz
dagegen schon länger an Schulen aktiv und veranstaltet dort etwa
Planspiele.
23 Dec 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Verfassungsschutz
Schwerpunkt Überwachung
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