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# taz.de -- Liberalisierung des Busverkehrs: Mit dem Überlandbus zur Oma
> Die Fernbus-Marktöffnung ab 1. Januar erfreut Busunternehmer und
> Umweltschützer. Die Busse gelten als billige und ökologische Alternative.
Bild: Abgeschafftes Monopol: Ab Januar dürfen Fernbusse auch auf innerdeutsche…
BERLIN taz | Der Zentrale Omnibusbahnhof Berlins im Bezirk Charlottenburg
ist ein zugiger Ort, aber immerhin sind die Haltestellen gut ausgeschildert
und überdacht. Wer hier herkommt, möchte nicht lange warten, sondern
möglichst schnell weg: Richtung Süd- oder Osteuropa, aber auch zu vielen
innerdeutschen Zielen, etwa nach Hamburg, Hannover oder Dresden.
Berlin hat damit eine Sonderstellung inne, die aus den Jahren der deutschen
Teilung herrührte. Während Buslinien im Fernverkehr in Deutschland bislang
prinzipiell untersagt sind, um die Bahn vor Konkurrenz zu schützen, waren
sie für Westberlin erlaubt, damit die eingeschlossene Stadt mehr
Verbindungen in die weite Welt bekommt. Diese Sonderstellung Berlins blieb
auch nach der Wende erhalten. Ab 1. Januar ist es damit vorbei – dann wird
der Buslinienfernverkehr in ganz Deutschland erlaubt sein.
Darauf hat sich nach jahrelangen Diskussionen eine ganz große Koalition aus
Union, FDP, SPD und Grünen geeinigt. Nur die Linkspartei lehnt die
Liberalisierung ab, weil sie Lohndumping bei den Busfahrern und Einbußen
bei den Schienenverkehren befürchtet. Die Befürworter der Liberalisierung
erwarten hingegen ein neues Angebot, das vor allem einkommensschwache
Kunden mit viel Zeit – Rentner, Arbeitslose und Studenten etwa – anspricht
und eher zu Lasten des Autos als der Bahn geht.
„Wir erwarten von der Liberalisierung attraktive Angebote für die
Verbraucher und einen kräftigen Impuls für die Omnibuswirtschaft – sowohl
für die etablierten Verkehrsunternehmen wie auch für junge Unternehmen mit
innovativen Geschäftsideen“, sagt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer
(CSU). Dann könne man mit dem Bus kostengünstig und umweltfreundlich quer
durch Deutschland reisen.
## Mittelstädte könnten profitieren
Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die
„Aufhebung des Monopols für bestehende Fernverkehrsangebote“, so
VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann. Die Erfahrungen in Schweden und
Großbritannien zeigten, dass eine Liberalisierung des Fernbusverkehrs dem
Bahnverkehr nicht schade. „Ganz im Gegenteil konnten Bus und Bahn Fahrgäste
hinzugewinnen.“
Der VCD sieht vor allem drei Bereiche, in denen Busse die Bahnen sinnvoll
ergänzen können: Viele Mittelstädte werden nicht vom Eisenbahnfernverkehr
bedient. Zwar gibt es dort Regionalbahnen, aber diese können nicht alle
Mobilitätswünsche erfüllen – zum Beispiel möchten Reisende mit viel Gepä…
und mit Kindern gerne Plätze reservieren. Das geht aber in Regionalzügen
nicht. Als Anbindung solcher Mittelstädte könne der Reisebus eine
attraktive Alternative sein, so der VCD, ebenso auf Strecken, die aus
topografischen Gründen nicht von der Bahn bedient werden können.
Dazu zählt etwa eine direkte Verbindung von Freiburg nach Stuttgart, bei
der der Schwarzwald zu überwinden ist. Als drittes Einsatzgebiet macht der
VCD Strecken zwischen den Ballungsgebieten aus. „Auf nachfragestarken
Strecken kann der Fernlinienbus als Korrektiv wirken und Mobilität für
Menschen mit wenig Geld bezahlbar machen.“
Die Umweltbilanz der Busse kann sich sehen lassen. Aufgrund ihrer bislang
hohen Auslastung gelten Reisebusse als besonders klimafreundlich. Für das
Jahr 2010 hat das Umweltbundesamt beim Reisebus einen Treibhausgasausstoß
von 30 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Personenkilometer berechnet, wobei die
Emissionen aus Bereitstellung und Umwandlung der Energieträger in Strom,
Benzin oder Diesel berücksichtigt wurden.
## Nicht schmutziger als die Schiene
Der Eisenbahnfernverkehr kam demnach auf 45 Gramm CO2 pro
Personenkilometer, der Pkw auf 142 Gramm und das Flugzeug auf 228 Gramm. Im
Nahverkehr – mit seinen dichten Taktzeiten – kamen Busse, Regionalbahnen,
Straßen- und U-Bahnen auf 75 bis 78 Gramm pro Personenkilometer; zwischen
einem schienengebundenen und einem straßengebundenen öffentlichen
Personennahverkehr gibt es also keinen signifikanten Unterschied. Eine
solche Angleichung der Umweltwerte dürfte auch im Fernverkehr zu erwarten
sein, sollte es dort zu einem flächendeckenden Busliniennetz mit breitem
Angebot kommen.
Daran zeigt sich auch ein Dilemma der Verkehrspolitik: Soll es Alternativen
zum Auto geben, müssen die Taktzeiten im Linienverkehr attraktiv sein, auch
wenn etwa zur Mittagszeit die Fahrzeuge weniger ausgelastet sind. Ebenso
müssen gute Angebote in den späten Abend- und frühen Morgenstunden
vorhanden sein, auch wenn die Fahrzeuge dann hauptsächlich warme Luft
transportieren. Ein Beispiel: Pendler, die spätabends mit dem Linienverkehr
nicht mehr nach Hause kommen, werden selbst dann morgens mit dem Auto
fahren, wenn sie bei Sonnenaufgang im Stau stehen müssen.
Die Kritiker der Liberalisierung befürchten vor allem Nachteile für die
Bahnen, da deren Attraktivität durch neue Angebote leiden könnte. Vor allem
bemängeln sie, dass die Busse keine Autobahnmaut bezahlen sollen, während
Bahnen Trassenpreise für ihre Züge berappen müssen; dabei sind sowohl
Autobahnen als auch Schienenwege vom Staat finanziert worden. Auch
mangelnde Fahrgastrechte, etwa bei Verspätungen, stoßen auf Kritik. „Im
Fernbusverkehr sollten dieselben Fahrgastrechte gelten wie bei der Bahn“,
fordert Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.
Der größte Anbieter von innerdeutschen Fernbuslinien ist Bex, eine
Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn. Aber die Konkurrenz schläft nicht;
derweil sitzen verschiedene Anbieter schon mit konkreten Angeboten in den
Startlöchern: So bietet Eurolines Verbindungen zwischen Hamburg, Hannover,
Göttingen, Frankfurt/Main, Darmstadt, Heidelberg und Mannheim an.
Die Firma Deinbus.de bedient Strecken wie Freiburg–Stuttgart,
Freiburg–Tübingen, Frankfurt–München, Frankfurt–Köln. Das Unternehmen
Meinfernbus.de unterhält ebenfalls diverse Strecken, etwa Freiburg–München,
Freiburg–Düsseldorf, Ludwigshafen–Nürnberg. Auch der ADAC und die Deutsche
Post planen, gemeinsam ins Geschäft mit den Fernbussen einzusteigen.
26 Dec 2012
## AUTOREN
Richard Rother
## TAGS
Fernbus
Deutsche Bahn
Peter Ramsauer
Bus
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