| # taz.de -- Online-Bezahlsystem „Pennyread“: Lesen, Zahlen, nächster Absatz | |
| > Um zu überleben müssen Verlage funktionierende Bezahlmodelle entwickeln. | |
| > Beim Start-up Pennyread sollen Leser pro Textabsatz bezahlen. Eine gute | |
| > Idee? | |
| Bild: Das Print-Zeitungssterben geht weiter. | |
| In Zeiten bröckelnder Auflagen, schließender Tageszeitungen und Magazine | |
| und immer noch zu geringer Werbeeinahmen im Internet steht die | |
| Verlagsbranche vor der Existenzfrage. Fast alle Bezahlmodelle für digitale | |
| Inhalte vergraulen entweder Leser, weil sie umständlich sind. Oder aber sie | |
| zielen einzig auf den guten Willen der Nutzer ab – so wie Flattr zum | |
| Beispiel, das Bezahlsystem des schwedischen Pirate-Bay-Mitbegründers Peter | |
| Sunde. | |
| Doch nun kommt ein anderer Vorschlag, der das Lesen einfach halten, aber | |
| zugleich Geld bringen soll: Ein französischer Internetunternehmer und | |
| Start-up-Investor will Nutzer von Onlineinhalten mit einer Art Minimaut zum | |
| Zahlen bewegen. | |
| Mit Pennyread hat Emmanuel Valjavec ein Modell vorgestellt, bei dem die | |
| Nutzer absatzweise Texte weiterlesen können, wenn sie hierfür bezahlen | |
| möchten: Entscheidet der Nutzer sich dagegen, bleibt der nächste Textabsatz | |
| verborgen. Klickt er auf o.k., bekommt er mehr zu sehen. Im Hintergrund | |
| zählt das Mautsystem von Pennyread mit, und jeder weitere Absatz soll den | |
| Nutzer nur wenige Cent kosten. | |
| Als Nano-Payments, also noch kleiner als Mikropayments, bezeichnet das | |
| Start-up seine Idee. Das wirkt auf den ersten Blick gut, wenn es auch nach | |
| französischen Autobahnen riecht. Doch die meisten Bezahlmodelle scheitern | |
| schlicht daran, dass kaum ein Nutzer bereit ist, für Texte unbekannter | |
| Qualität pauschal einen, zwei Euro auf den Tisch zu legen und dafür bei | |
| jedem Anbieter eine umständliche Anmelde- und Abrechnungsprozedur über sich | |
| ergehen zu lassen. | |
| Fast alle diese Hürden entfallen bei Pennyread: Hier meldet sich der Nutzer | |
| einmal an, lädt sein Konto auf und kann das Geld von diesem Konto dann | |
| verteilen – ähnlich wie bei Flattr. Klingt sehr praktikabel. Vielleicht | |
| etwas zu gut? | |
| ## Schwache Aussichten | |
| Pennyread steckt voller guter Absichten und Ideen, doch in der Praxis | |
| dürfte das System sich kaum durchsetzen. Zum einen müsste der Dienst große | |
| Anbieter für sich gewinnen, um überhaupt viele Nutzer für sich zu | |
| begeistern. Das jedoch dürfte die größte Hürde darstellen. | |
| Zum anderen basiert Pennyread auf einer Cookies genannten Technik, bei der | |
| ein Anbieter eine Textdatei am Browser (wie Firefox, Chrome oder Internet | |
| Explorer) speichert und die oft auch auf anderen Seiten zur Identifikation | |
| des Nutzers benutzt wird. Auch das ist ein Problem – denn was passiert, | |
| wenn Pennyread-Nutzer so, wie ihnen immer wieder empfohlen wird, Cookies | |
| aus Datenschutzgründen regelmäßig löschen? | |
| Außerdem erscheint auch das Konzept, dass der Nutzer alle paar Sekunden den | |
| Kauf des nächsten Absatzes bestätigen muss, eher theoretisch als praktisch | |
| schön. | |
| Auch die Konkurrenz schläft nicht, und die heißt nicht zuletzt Google. Der | |
| Suchmaschinen-Werbe-Dienstleistungsallerlei-Konzern betreibt mit seinem | |
| Dienst Wallet (Geldbörse) längst einen eigenen Onlinepayment-Dienst. Diese | |
| virtuelle Brieftasche wurde erst kürzlich noch einmal kräftig überarbeitet, | |
| um das Bezahlen digitaler Inhalte zu vereinfachen. Vorgesehen ist unter | |
| anderem das Prinzip des „Instant Refund“, des Sofortbezahlens für Fotos, | |
| Videos – oder eben auch für Textabschnitte. | |
| Noch geht der Netzkonzern nicht von allerkleinsten Beträgen aus. Aber dass | |
| man auch bei Google die Minimaut-Idee des Franzosen Valjavec verfolgt, | |
| davon kann man ausgehen. Und mit dem hierfür technisch notwendigen | |
| Nutzertracking kennt sich eh kaum einer so gut aus wie der Konzern aus | |
| Mountain View. | |
| 3 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Falk Steiner | |
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