# taz.de -- Rosa Spielzeug und Führungspositionen: „Wirst du Merkel, liebt d… | |
> Genderforscherin Stevie Schmiedel kann Prinzessin Lillifee und das „Sei | |
> zart und hübsch, dann wirst du was“ nicht mehr sehen. Ihr Verein heißt | |
> Pinkstinks. | |
Bild: Die Barbie sieht nicht wie Merkel aus. Aber den Frauen in Unternehmen kom… | |
sonntaz: Frau Schmiedel, was haben Sie gegen Rosa? Ist doch bloß eine | |
Farbe. | |
Stevie Schmiedel: Und sie stinkt natürlich nicht. Der Name unseres Vereins | |
ist Provokation. Die Emma schrieb neulich, Rosa mache Mädchen dümmer. Das | |
sagen wir nicht. Aber die Mädchenprodukte wie Prinzessin Lillifee und rosa | |
Ü-Eier führen dazu, dass Mädchen einseitige Geschlechterbilder vermittelt | |
werden, die sich verfestigen können. | |
Sie sehen also eine Verbindung zwischen rosafarbenem Spielzeug und zu wenig | |
Frauen in Führungspositionen? | |
Mir haben schon einige Frauen erzählt, dass sie im Job nur ernst genommen | |
werden, wenn sie gut aussehen, also geschminkt und gestylt sind und sich | |
dementsprechend verhalten. Dementsprechend heißt: immer freundlich, ja | |
nicht zu laut sein. Das vermittelt auch Prinzessin Lillifee: Sei zart und | |
hübsch, dann wirst du was. Mädchen sehen das und denken, so läuft das | |
Leben. Laut einer Studie wollen 90 Prozent der jungen Engländerinnen lieber | |
Model als Premierministerin werden. Solche Ergebnisse lassen sich bestimmt | |
auch in Deutschland finden. | |
Wir haben mit Angela Merkel eine Frau als Bundeskanzlerin, die keine | |
90-60-90 Maße und blonde Haare hat und sich nicht ziert wie eine | |
Prinzessin. | |
Aber in vielen deutschen Unternehmen sieht es anders aus. | |
Warum sind Merkel und andere Spitzenpolitikerinnen weniger Vorbild für | |
Mädchen als Prinzessin Lillifee und Heidi Klum? | |
Heidi Klum entspricht dem Bild, das Kinder schon aus Märchen kennen: die | |
hübsche Prinzessin mit ihren blonden, langen Haaren und dem ebenmäßigen | |
Gesicht. Angela Merkel geht da eher als Typ Hexe durch, und der kommt ja in | |
Märchen meist schlecht weg. Die Botschaft, die Kinder von früh an bekommen, | |
ist: Werde Angela Merkel, und keiner liebt dich – nicht wegen der | |
politischen Meinung, sondern wegen ihres Aussehens. | |
Ihre Töchter sind sechs und acht Jahre alt. Verbieten Sie ihnen, rosa | |
Klamotten zu tragen? | |
Meine große Tochter wollte das nie, aber meine kleine hatte eine | |
Rosa-Phase. Nach einer Weile habe ich ihr rosa Klamotten gekauft. | |
Allerdings habe ich immer darauf geachtet, ihr viel anzubieten: | |
verschiedene Farben, Fußball spielen, auf Bäume klettern, aber auch Puppen | |
waschen. | |
Also gibt es in Ihren Kinderzimmern auch Prinzessin Lillifee? | |
Ja, auch wenn ich sie furchtbar finde. Aber statt das abzulehnen, sage ich | |
eher: Ich finde das andere Spielzeug schöner. Das verstehen meine Töchter. | |
Wichtig ist natürlich, dass auch Erzieher und Erzieherinnen in Kindergärten | |
auf so etwas achten. | |
Nicht jede Familie hat die Möglichkeit, nach einem geschlechtergerechten | |
Kindergarten zu suchen. Sie wohnen in Hamburg-Eimsbüttel. Hier leben die | |
Gutverdiener, hier ist die Kindergartendichte eine der höchsten in der | |
Bundesrepublik. | |
Das stimmt. In vielen Kindergärten in anderen Stadtteilen gibt es leider | |
die Mädchenecke mit Kochnische und Barbieankleideplatz und die Jungsecke | |
mit Bob dem Baumeister. | |
Was stört Sie daran denn am meisten? | |
Das Gesellschaftsbild, das dahintersteht: Der Mann, der Starke, der sich | |
auch mal dreckig macht. Die Frau, die Zarte, die am Herd steht. Wenn | |
Mädchen das so früh lernen, werden sie sich später kaum durchsetzen können. | |
Vielleicht doch, wenn sie es vorgelebt bekommen. Wie viel Schaden kann eine | |
Puppe denn anrichten, wenn Eltern ihre Tochter zu Selbstbestimmung und | |
Emanzipation erziehen? | |
Was ist ein emanzipiertes Leben? Die Mutter, die morgens auf die Waage | |
steigt und flucht, zum Businessmeeting rennt, abends mit ihrer Tochter | |
„Germany’s next Topmodel“ schaut und mit ihr über die Mädchen lästert, | |
bringt da auch nicht so viel. | |
Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder anders erziehen. | |
Es gibt unzählige Frauen, die mit Barbies gespielt haben und sich heute | |
wohlfühlen, so wie sie sind – egal ob in Führungsposition oder als | |
Hausfrau. Wir sagen nicht, dass jedes Mädchen, das mit Barbies spielt, zur | |
Tussi wird. Aber wir sagen, dass die gesellschaftliche Vorstellung auf | |
diesen Bildern aufbaut. | |
Was leben Sie Ihren Töchtern vor? | |
Ich versuche meine Mädels zu ermutigen, zu fordern – auch von uns | |
Erwachsenen. Trotzdem ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich ihnen | |
manchmal traditionelle weibliche Werte mitgebe. | |
Welche denn? | |
Nett zu Verwandten sein, kommunizieren, Streit schlichten. | |
Wie würden Sie einen Sohn erziehen? | |
Ihm würde ich wahrscheinlich eher sagen: Siehst du heute cool aus – als: | |
Siehst du heute süß aus, wie ich es zu meinen Mädels sage. Ich müsste mich | |
wahrscheinlich immer wieder daran erinnern, dass er genauso in der Küche | |
helfen sollte wie seine Schwestern. | |
Würden Sie Ihrem Sohn zu Ballett oder Fußball raten? | |
Ballett ist ein toller Sport für Jungs und Mädchen. Ich habe selbst lange | |
Ballett getanzt – mit meinem besten Freund. Das ist ein hervorragender | |
Sport, um Feingefühl für den Körper und die Musik zu entwickeln und um | |
abzuschalten. Meine Töchter tanzen übrigens auch Ballett. | |
Ballett tanzende Jungs haben es ja oft nicht so leicht. Angenommen, Ihr | |
Sohn würde, wie im Film „Billy Elliott“, gemobbt und als schwul beschimpft, | |
weil er tanzt. Was würden Sie ihm sagen? | |
Ich würde ihm Bilder von tollen Tänzern zeigen, die keinem homosexuellen | |
Klischee entsprechen. Ich weiß aber nicht, ob das passieren würde. Meine | |
Töchter wachsen mit wundervollen homosexuellen Bezugspersonen auf und mein | |
besagter Ballettfreund ist Patenonkel – und sehr heterosexuell. | |
Trotzdem spielen Freunde und Klassenkameraden ja eine große Rolle. Ihre | |
große Tochter geht in die Schule. Was sind denn die großen Themen in ihrer | |
Klasse? | |
Eine ihrer Mitschülerinnen ist in einer Kindermodelagentur. Als meine | |
Tochter das erfahren hat, kam sie ganz begeistert nach Hause. Dann haben | |
wir uns zusammen Modekataloge angeschaut und ich habe versucht, ihr zu | |
erklären, dass dieser Job auch extrem anstrengend ist: Immer lächeln, | |
unbequem dastehen, immer fröhlich sein. Das war ihr vorher nicht bewusst. | |
Seitdem will sie kein Model mehr sein? | |
Nein. Aber natürlich bleibt das in ihrem Freundeskreis ein Thema. Manche | |
ihrer Mitschülerinnen schauen jetzt schon „Germany’s next Topmodel“ – … | |
acht Jahren. | |
Und Ihre Tochter darf das wohl nicht? | |
Nein, sie soll dann schlafen! Aber ich will das Thema Aussehen und Mode | |
nicht verbannen. Wenn sie auf dem nächsten Kindergeburtstag mit ihren | |
Freundinnen die Sendung nachspielen wollen würde, dann würde ich ihnen | |
einen riesigen Kleiderhaufen hinwerfen und sie ermuntern, sich ein cooles | |
Outfit auszusuchen. Einfach so, ohne am Ende vor eine Jury zu treten. | |
Nehmen wir mal an, die typischen Geschlechterbilder bleiben noch eine Weile | |
an unserer Gesellschaft haften: Was wünschen Sie sich für Ihre Kinder? | |
Ich wünsche mir, dass sie sich schön finden und sich wohlfühlen. Und dass | |
sie sich durchsetzen können, dass sie lieber mit der Faust auf den Tisch | |
hauen, als nett mit verlängerten Wimpern zu klimpern. | |
5 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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