# taz.de -- Neue Art der Stromerzeugung: Süßwasser + Salzwasser = Strom | |
> An einem norwegischem Fjord entsteht das erste Salzkraftwerk der Welt. | |
> Die Technik funktioniert überall dort, wo Süßwasser ins Meer fließt. | |
Bild: Osmose sei Dank: Wo Wasser auf Wasser prallt gibt´s Strom. | |
STOCKHOLM taz | „Demnächst werde ich den Champagner kaltstellen“, scherzt | |
Ståle Refstie, Bürgermeister der westnorwegischen Kommune Sunndalsøra. Die | |
4.000 EinwohnerInnen kleine Gemeinde dürfte bald in die Geschichte eingehen | |
als Ort, an dem eine völlig neue Stromerzeugungstechnik erstmals in der | |
Praxis getestet wurde. | |
Hier am Tingvollfjord soll 2015 das weltweit erste Salzkraftwerk seinen | |
Betrieb aufnehmen. Die erste Ausbauphase sieht eine Leistung von ein bis | |
zwei Megawatt vor und könnte somit 250 bis 500 Haushalte mit Strom | |
versorgen. Voll ausgebaut, sollen es zehnmal so viel sein. | |
Das klingt zwar nicht gewaltig. Dennoch ist das Potenzial riesig, weil das | |
Konzept überall funktioniert, wo Süßwasser ins Meer fließt. Es basiert auf | |
Osmose. Treffen Süß- und Salzwasser zusammen, vermischen sie sich, bis | |
beide die gleiche Konzentration aufweisen. Was dann passieren kann, lässt | |
sich in der Küche beobachten: Die Haut salziger Bockwürste platzt beim | |
schnellen Erwärmen, da das hineindrängende (Süß-)Wasser den Innendruck in | |
der Pelle erhöht. | |
Beim Salzkraftwerk werden Süß- und Salzwasser auch durch eine „Haut“ | |
getrennt, wobei diese aber nicht platzen darf. Diese Membran ist | |
durchlässig für Wasser, aber nicht für Salz. Das Wasser kann sich also | |
nicht einfach vermischen. Das Süßwasser wird vielmehr durch die Membran zum | |
Salzwasser hinübergezogen. | |
## Osmoseprinzip bringt Kilowatt | |
Dadurch steigt auf der Salzwasserseite die Wassersäule, das heißt, der | |
Druck nimmt zu. Wendet man dieses Prinzip nun in einer Anlage aus einigen | |
tausend Druckrohren an und leitet das unter Druck stehende Wasser auf eine | |
Turbine, hat man ein Salzkraftwerk. | |
Einen auf dem Osmoseprinzip beruhenden kleinen Salzkraft-Prototyp mit | |
mehreren Kilowatt Leistung hat die staatliche norwegische | |
Elektrizitätsgesellschaft Statkraft seit 2009 erfolgreich am Oslofjord | |
getestet. Sie will nun auch die Pilotanlage in Sunndalsøra bauen. In dem | |
zum Jahreswechsel abgeschlossenen Anhörungsverfahren gab es weder Einwände | |
von Natur- und Umweltschützern noch seitens der Fischereibranche. | |
Die Eingriffe in die Natur sind bei einem am Meerufer angelegten | |
Salzkraftwerk tatsächlich relativ gering. Das Süßwasser soll einfach aus | |
dem Abfluss eines dort liegenden Wasserkraftwerks entnommen werden. Es | |
fließt derzeit sowieso schon in den Fjord. Das Salzwasser soll aus 40 Meter | |
Tiefe aus dem Fjord hochgepumpt werden, wo die Salzkonzentration besonders | |
hoch ist. Das am Ende des Prozesses entstehende Brackwasser wird wieder | |
zurück ins Meer geleitet. | |
## Prinzip schon 1970 entwickelt | |
Das Prinzip eines Salzkraftwerks war bereits in den 1970er Jahren von dem | |
israelischen Forscher Sidney Loeb entwickelt worden. Die technische | |
Herausforderung bestand darin, eine geeignete Membran zu finden. Diese muss | |
einerseits für Süßwasser leicht durchlässig, andererseits aber stabil genug | |
sein, um das Salzwasser trotz des starken Drucks zurückzuhalten. In Zukunft | |
hofft man auf noch geeignetere Materialien. | |
Als Standorte bieten sich Flussmündungen an, wo sowieso Süß- auf Salzwasser | |
trifft. Statkraft schätzt das Potenzial für Salzkraftwerke auf eine | |
Leistung von 200 Terawattstunden, also 200 Millionen Megawattstunden, in | |
Europa und 1.700 Terawattstunden weltweit – etwa die Hälfte der jährlichen | |
europäischen Stromproduktion. Bald schon hofft man auch in puncto Kosten | |
mit Offshore-Windparks konkurrieren zu können. | |
7 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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