| # taz.de -- Energiewende an der Nordsee: Grüner Strom von nebenan | |
| > Föhr macht einen ersten Schritt zur unabhängigen Stromversorgung. Ab | |
| > Januar verkauft ein Windparkbetreiber auf der Nordsee-Insel Ökostrom nur | |
| > noch direkt an Nachbarn. | |
| Bild: Wind von hinten schiebt nicht nur Spaziergänger auf dem Deich an, sonder… | |
| HAMBURG taz | Das erste Windrad hat Hauke Brodersen 1990 auf seinen Deich | |
| gestellt, lange vor dem Boom der Windenergie-Branche. Heute gehören dem | |
| Familienbetrieb „Föhrer Windkraft“ zehn Anlagen im Ort Oevenum auf der | |
| Insel Föhr, und seit über vier Jahren speisen sie ihren Strom ins Stromnetz | |
| von Eon ein. Ab dem 1. Januar verkauft Brodersen seinen Ökostrom direkt an | |
| die Inselbewohner – ohne Umweg über einen Stromhändler. | |
| „Warum sollen wir das Verkaufen den Händlern überlassen“, sagt Brodersen. | |
| „Wir profitieren davon und die Föhrer Kunden auch.“ Denn die Kunden werden | |
| für den grünen Strom von nebenan weniger bezahlen als beim bisherigen | |
| Anbieter Eon. Und, so wirbt die Föhrer Windkraft für den Anbieterwechsel, | |
| sie „verbessern ihre persönliche Umweltbilanz“. | |
| Der Strom auf Föhr wird also zu einem regionalen Öko-Produkt für das gute | |
| Gewissen. „Wir wollen klein anfangen“, sagt Brodersen. Rund 1.000 Kunden | |
| könnten sie mit ihren zehn Windkraftanlagen beliefern, dann sei erst mal | |
| Schluss. Auf Föhr leben 8.000 Menschen. | |
| Brodersen will sich so für die Zukunft aufstellen. Denn heute wird der | |
| Strom aus Windanlagen entweder in das Netz des lokalen Netzbetreibers | |
| eingespeist. Die Betreiber der Anlagen bekommen dann für 20 Jahre einen | |
| gesetzlich festgelegten Betrag – die sogenannte Einspeisevergütung. Oder | |
| die Betreiber geben ihren Strom an Großhändler und Großkunden ab. | |
| Die Föhrer Windkraft speist bisher ins lokale Netz ein und vermarktet | |
| direkt. Aber für die Windräder auf dem Föhrer Deich rückt das Ende der | |
| garantierten Einspeisevergütung immer näher. Brodersen will sich mit seiner | |
| lokalen Vermarktung genau darauf vorbereiten und sich von den Stromhändlern | |
| möglichst unabhängig machen. | |
| Aber ganz allein geht es dann doch nicht, denn die Föhrer brauchen auch bei | |
| Flaute Strom. Die Föhrer Windkraft arbeitet darum mit den | |
| Elektrizitätswerken Schönau (EWS) zusammen. Der Öko-Stromversorger aus dem | |
| Schwarzwald übernimmt die Abrechnung und die Kundenbetreuung. Und wenn der | |
| Strom aus Brodersens Maschinen nicht reicht, weil zu wenig Wind weht oder | |
| eine der Anlagen ausfällt, liefert EWS Strom aus Wasserkraft dazu – | |
| entsprechende Verträge hat Brodersen bereits abgeschlossen. | |
| Die Direktvermarktung seines Ökostroms kann sich für Brodersen rechnen, | |
| weil er bei Faktoren, die den Strompreis in die Höhe treiben, sparen darf. | |
| Zum einen bei der sogenannten EEG-Umlage, über die der Ausbau der | |
| regenerativen Energien mitfinanziert werden soll. | |
| Stromverkäufer, die mehr als die Hälfte ihres gelieferten Stroms aus | |
| erneuerbaren Energien beziehen und mindestens ein Fünftel aus Solar- oder | |
| Windanlagen, müssen nur einen Teil der regulären Umlage von 5,277 Cent pro | |
| Kilowattstunde zahlen. Außerdem ist die Föhrer Windkraft mit ihrem lokalen | |
| Direktvertrieb von der Stromsteuer befreit. | |
| Denn die muss nicht abgeführt werden, wenn der Strom mit kleinen Anlagen | |
| produziert und in der Nachbarschaft verkauft wird. Diese beiden Vorteile | |
| machen Brodersens Modell wettbewerbsfähig, aber auch sehr abhängig vom | |
| Gesetzgeber. | |
| Einer der Vorreiter der Windstrom-Direktvermarktung kommt aus | |
| Nordrhein-Westfalen. Dort verkaufen die Betreiber des Windparks Lichtenau | |
| bei Paderborn den Strom aus ihren 17 Anlagen an Kunden in der Umgebung und | |
| garantieren zehn Jahre lang einen stabilen Strompreis. Für diese Idee | |
| wurden sie unter anderem 2011 mit dem Deutschen Solarpreis ausgezeichnet. | |
| Brodersen will den Preis für seinen Inselstrom zunächst bis Ende 2014 | |
| stabil halten. Und irgendwann soll es auf Föhr einen | |
| Energieversorgerverbund geben – mit den anderen Betreibern von Windkraft-, | |
| Biogas- und Solaranlagen auf der Insel. Noch gibt es einen solchen Verbund | |
| allerdings nicht, auch wenn auf den Vertragsunterlagen für die neuen Kunden | |
| von Brodersen schon mit dem Wort „Stromverbund“ geworben wird. | |
| „Wenn man weiter träumt, tun sich die Windradbetreiber an der Küste | |
| vielleicht zu einem lokalen Öko-Energieversorger zusammen“, sagt Brodersen. | |
| „Aber so weit sind wir noch nicht.“ | |
| 30 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Kummetz | |
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