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# taz.de -- Klage gegen EEG-Umlage: Drechsels Zorn
> „Ökologischen Schwachsinn“ nennt Bernd Drechsel die EEG-Umlage. Ungerecht
> sei sie außerdem. Deswegen klagt der Inhaber einer Firma für
> Textilveredlung.
Bild: Für Textilunternehmer Bernd Drechsel ist die Ökostrom-Umlage ein rotes …
SELB taz | Dass Bernd Drechsel nicht mehr an Gerechtigkeit glaubt, hat auch
etwas mit dem Teich zu tun. „Hier“, sagt der lang aufgeschossene, hagere
Mann und deutet auf eine Luftaufnahme an der Wand des Konferenzraums im
Verwaltungsgebäude seiner [1][Firma]. Darauf zu sehen ist das 40.000
Quadratmeter umfassende Gelände seines Unternehmens, der Textilveredlung
Drechsel GmbH. Die Spitze seines schlanken Zeigefingers kreist über der
nordöstlichen Ecke des Bildes.
Die Fotografie wurde im Sommer aufgenommen und dort, wo Drechsel hindeutet,
ist wegen der dort stehenden Bäume gar kein Teich zu sehen. Aber er ist
wichtig. Der Teich hat den Unternehmer geprägt. Wer die Geschichte kennt,
kann nachvollziehen, warum Drechsel dagegen klagt, dass seine Firma die
sogenannte [2][EEG-Umlage] bezahlen muss. Die Abgabe, mit deren Hilfe die
Bundesregierung die Energiewende bezahlen will.
Im Stehen hat Drechsel die knochigen Schultern leicht nach vorne geneigt,
wie einer, der als Kind schon hoch aufgeschossen war. Zum Erzählen nimmt er
wieder an dem langen Konferenztisch Platz: „Irgendwann Ende der sechziger,
Anfang der siebziger Jahre begann das Grundstück über unserem grünlich zu
schimmern“, sagt Drechsel. Damals war der 46-Jährige noch ein Kind.
Sein Vater und sein Großvater müssen ihm die Geschichte erzählt haben. Wie
leicht einem als Unternehmer Unrecht geschehen kann, wenn man nicht
aufpasst, ist bei den Drechsels also tradiert. Die Gutachter, die das
Landratsamt schickte, um den Teich zu untersuchen, stellten fest: Das
Wasser und das Erdreich um den Teich waren mit Kadmium und Blei verseucht.
Doch statt den Erkersreuther Bach, der den Teich speist, zurückzuverfolgen,
sollte die Unternehmerfamilie für den unverschuldeten Schaden aufkommen.
## Veredeln in der Dritten Generation
Die Drechsels veredeln Textilien in der dritten Generation. In langen
Werkshallen produziert das Unternehmen Plisseegardinen, Badezimmervorleger,
Mikrofaserauflagen für Reinigungsmaschinen, Splitterschutzwesten und
Bundeswehrzelte. Um die Stoffe zu färben, bleichen, beschichten, bedrucken
oder infrarot-absorbierend zu machen, sind eine Menge Chemikalien nötig. In
den kleinen Teich auf dem Grundstück seien diese trotzdem nie gelangt, sagt
Drechsel.
„Man wollte uns weismachen, der Fluss fließe von unten nach oben“,
berichtet er sarkastisch. Ein Verursacher der Verseuchung konnte nicht
ausgemacht werden, obwohl es mehrere Untersuchungen gab. Dabei „hätte man
nur den Bachlauf gen Norden zurückverfolgen müssen, dann wäre man darauf
gekommen, dass die Chemikalien von der alten Zinkerei stammen, die da
einmal stand.“ Weil das aber niemand tat, zog sich der Prozess bis zur
Jahrtausendwende hin.
„30 Jahre lang“, sagt Drechsel und schüttelt den Kopf. Erst im Jahr 2000
waren die Behörden in der Lage, den wahren Verursacher zu bestimmen – den
es nicht mehr gibt. Erst jetzt wird das verseuchte Erdreich im Zuge einer
Baumaßnahme saniert. Drechsel hat gelernt: Wenn er nicht für sich selbst
einsteht, dann macht es keiner.
Im Moment prozessiert der Unternehmer aus dem oberfränkischen Selb gegen
die [3][Stadtwerke Bochum], die ihm die sogenannte EEG-Umlage berechnen. Es
ist ein Stellvertreterkrieg, wenn man so will. Denn Drechsels Zorn richtet
sich gegen die Bundesregierung und gegen ihr
[4][Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)]. Es sieht vor, dass die Kosten der
Energiewende von den Stromverbrauchern bezahlt werden müssen. Auch die
Drechsel GmbH ist ein Stromverbraucher. Man könnte sagen: ein guter Kunde.
## „Umweltintensive Branche“
Die Textilveredlung ist das, was man eine „umweltintensive Branche“ nennt,
also eine, die große Mengen an Wasser und Energie verbraucht. Bernd
Drechsel hat sich alles genau ausgerechnet: Im Jahr 2011 hat das
Unternehmen 3.403.960 Kilowattstunden Strom verbraucht. Drechsel hat dafür
120.159 Euro EEG-Abgabe an den Bund bezahlt.
Bei einem Gewinn von etwa 150.000 Euro wie im Krisenjahr 2009 bliebe dem
Unternehmer am Ende nicht mehr viel. „Wird die EEG-Umlage in diesem Jahr
noch mal angehoben wie geplant“, rechnet er vor, „geht das an unsere
Existenz.“ Aber das ist es nicht allein. Er will die Abgabe auch deshalb
nicht bezahlen, weil er sich im Vergleich zu anderen, größeren Unternehmen
benachteiligt fühlt.
Geduldig führt Drechsel in Jeans und hellblauem Hemd durch die weiten
Hallen des Betriebs, vorbei an dicken Spulen, auf denen die aufgerollten
Textilien auf den nächsten Behandlungsschritt warten. „Wir sind ein
Mehrgenerationenbetrieb“, erklärt er. Gegründet vom Großvater. Gemeinsam
mit dem Schwager färbte der nach dem Krieg Wehrmachtsuniformen um.
Wie bei vielen Familienunternehmen zeugt auch bei den Drechsels eine
Schwarz-Weiß-Fotografie davon: Zu sehen sind drei junge Männer in
kurzärmeligen Hemden, die abenteuerlustig in die Kamera blicken. Bis zum
Jahr 2000 war Friedrich Drechsel noch jeden Tag im Betrieb.
Seit dem Tod des Großvaters leitet Bernd Drechsel gemeinsam mit seinem
Vater das Unternehmen. „Im Gegensatz zu anderen Konzernen planen wir
langfristig und wollen die 135 Arbeitsplätze, die wir im Laufe der Jahre
geschaffen haben, erhalten“, schreit er, damit das Dröhnen der riesigen
Textilwaschanlage seine Stimme nicht verschluckt.
## Keine Villa auf Mallorca
Seit 1950 habe es keine Kapitalentnahme aus der Firma gegeben, erklärt er.
„Von uns hat niemand eine Villa auf Mallorca“, sagt er sarkastisch. Er und
sein Vater bezögen ein moderates Gehalt. Erwirtschaftete Überschüsse habe
man stets ins Unternehmen investiert. Von fünf Textilveredelungsbetrieben
in der Gegend seien in den letzten zehn Jahren drei pleitegegangen. Und
nicht nur diese.
In [5][Selb], der einstigen Porzellanstadt am nordöstlichsten Rand Bayerns,
unmittelbar an der tschechischen Grenze, ist vieles im Niedergang
begriffen. Von über zwanzig Porzellanmanufakturen sind die meisten
verschwunden. Von den drei größten ist nur noch Rosenthal geblieben. Dort,
wo einmal die Hutschenreuther-Werke waren, steht heute eine Ruine.
Die Firma Drechsel gibt es noch, auch wenn das Geschäft in einer
globalisierten Welt auch für Textilveredler immer schwieriger wird. Die
Aufträge, die Drechsel meist von anderen Betrieben aus der Gegend bekommt,
sind solche, die die großen Werke in China oder anderswo gar nicht annehmen
– entweder weil die Bestellmenge zu gering ist oder das
Veredelungsverfahren zu kompliziert.
Lauscht man Drechsel eine Weile, wird klar: Der Mann sieht sich selbst als
aufrecht, dort wo viele unehrenhaft sind. Und als einer, der für sein
Verantwortungsbewusstsein bestraft wird statt belohnt. „Energiesparende
Anlagen waren schon meinem Großvater sehr wichtig“, erklärt Drechsel und
zeigt mit einer ausholenden Geste auf eine der meterlangen Maschinen. Auch
schon bevor es dabei um Umweltschutz ging. Seit Jahren arbeite das
Unternehmen daran, seine Energieeffizienz zu verbessern. Genau darin aber
bestehe nun die Krux.
## Maximalbetrag gedeckelt
Zwar enthält das EEG eine [6][Härtefallregelung für Unternehmen], die
besonders viel Strom verbrauchen. Der maximale Betrag, den sie als
EEG-Umlage abführen müssen, ist gedeckelt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu
wahren. Doch obwohl Drechsels Firma mit den brummenden Färbekesseln und
dampfenden Waschanlagen viel Energie verbraucht, gilt diese Sonderregelung
nicht für ihn. Denn, und darin besteht für Drechsel das Paradox: Sein
Unternehmen verbraucht gemessen an der Bruttowertschöpfung zu wenig Strom.
Just weil, so Drechsel, das Unternehmen seit Jahren so viel Strom wie
möglich einzusparen versucht. „Das ist doch ökologischer Schwachsinn“,
ereifert sich Drechsel. Wenn es um dieses Thema geht, verliert der sonst
sehr ruhige Mann die Contenance. „Wenn wir die Investitionen in neue
Anlagen und Energieeffizienz in den letzten fünf Jahren nicht getätigt
hätten, würden wir heute spielend diese Hürde erreichen.“
Betriebe, die vorausschauend wirtschafteten, würden durch diese starre
Regelung bestraft. Denn, so Drechsels Logik: „Betriebe, die höhere
Stromkosten haben, werden einen Teufel tun und Energie sparen, weil sie
Gefahr laufen, aus der Härtefallregelung rauszufallen.“ Umgekehrt gelte das
Gleiche: „Betriebe, die knapp darunter sind, werden mehr Energie
verbrauchen, um die Kosten der EEG-Umlage zu senken.“
## Wutrede
In die Politik habe er schon lange kein Vertrauen mehr, sagt Drechsel am
Ende seiner Wutrede zwischen den Maschinen resigniert. Immer wieder hat er
Briefe an Abgeordnete geschrieben. Irgendjemand müsse die Energiewende
schließlich bezahlen, war eine der nichtssagenden Antworten, die er immer
wieder bekam. Dass ausgerechnet er das sein soll, sieht Drechsel nicht ein
– und klagt. Dagegen, dass sein Unternehmen die EEG-Umlage per
Stromrechnung bezahlen soll. Und damit auch gegen die
„Industriefeindlichkeit“, die er in Deutschland ausmachen will.
Auch er habe Solarzellen auf die Dächer der Firma und seines Wohnhauses
montiert, sagt er immer wieder, um zu demonstrieren, dass auch er
Umweltschutz für wichtig hält. „Ich weiß bloß nicht, warum wir in
Deutschland immer mit gutem Beispiel vorangehen müssen.“ Und wenn das
kleine und mittelständische Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit koste, sei
am Ende keinem geholfen.
Mit seiner Klage will Drechsel deshalb bis vors Bundesverfassungsgericht,
einen Präzedenzfall schaffen und die EEG-Umlage kippen, wie er sagt. Dass
das Jahre dauern könnte, nimmt er in Kauf. Hauptsache, seine Firma wird
nicht schon wieder für etwas bestraft, das sie nicht verursacht hat. So wie
für die Chemikalien im Teich.
17 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.tvd.de/
[2] /!103310/
[3] http://www.stadtwerke-bochum.de/privatkunden.html
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz
[5] http://www.selb.de/
[6] /!107980/
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
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Erneuerbare Energien
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daher mehr.
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