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# taz.de -- Plagiatsaffäre Schavan: Ministerin, ihr Traumberuf
> Annette Schavan kämpft. Für die Katholikin und überzeugte
> Bildungspolitikerin geht es nicht nur um den Doktortitel, sondern ihren
> Lebensentwurf.
Bild: Schavan besitzt das stählerne Rückgrat und die nötige Schläue, um gan…
BERLIN taz | Um zu verstehen, was die Plagiatsaffäre für Annette Schavan
bedeutet, lohnt ein Blick zurück. Neuss am Niederrhein, Mitte der 70er
Jahre: Eine junge Studentin tritt in die CDU ein. Ihre Partei schickt sie
in den städtischen Schulausschuss, als sachkundige Bürgerin ohne
Stimmrecht, wo sie sich für den Erhalt des Nelly-Sachs-Gymnasiums
engagiert. „Das war mein Einstieg in die Politik“, sagt Schavan über diese
Zeit. Ihr politisches Leben beginnt also mit dem Kampf um die Schule, an
der sie selbst Abitur machte.
Prof. Dr. Annette Schavan, 57, Bundesforschungsministerin unter
Betrugsverdacht, ist Bildungspolitikerin durch und durch. Sie hat ihr
ganzes politisches Leben den Schulen und den Universitäten gewidmet. Einer
akademischen Welt also, in der verstaubt klingende Titel immer noch das Ein
und Alles sind.
Am Dienstag entscheidet der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf, ob er
ein Verfahren zur Aberkennung ihres Doktortitels einleitet. Oder anders: Ob
Schavan noch zu dieser Welt gehört. Für Annette Schavan geht es dabei nicht
nur um ihr Ministeramt, das sie bei einer Aberkennung abgeben müsste oder
um Profanes wie ihre Pensionsansprüche.
Es geht um ihren kompletten Lebensentwurf. Schavan, das graue Haar
gescheitelt, randlose Brille, immer im biederen Hosenanzug unterwegs, ist,
vorsichtig gesagt, eine unauffällige Figur in Merkels Kabinett. Sie scheut
den großen Auftritt, ihre Reden haben stets etwas Pastorales, und wenn sie
ohne Bodyguards durch die Bundestagslobby wandert, realisiert man erst
später verdutzt, dass die freundliche Dame da eben eine amtierende
Ministerin war.
## Ruhig wie Merkel
Dennoch darf man ihren Machtwillen nicht unterschätzen. Schavan besitzt das
stählerne Rückgrat und die nötige Schläue, um ganz oben zu bleiben, das
bescheinigen ihr nicht nur Parteifreunde. Wenn es um sie herum tobt, wird
sie immer ruhiger, so wie ihre Duz-Freundin Angela Merkel. „Sie ist sehr
gesammelt und sehr konzentriert“, beschreiben Menschen, die sie gut kennen,
ihren derzeitigen Gemütszustand.
Diese Coolness bewies sie zum Beispiel, als sie ihrer Partei den Abschied
von der Hauptschule bei bog. Diese war in der CDU seit den 60er Jahren
sakrosankt, so lange, bis Schavan kam.
Ein Abend im August 2011, die Ministerin steht in einem Saal des Hamburger
Congress Centers. Getäfelte Wände, niedrige Decke, 150 CDU-Funktionäre –
die Damen tragen Perlenohrringe, einzelne Herren sind im Kapitänslook da.
„Man sollte unser Papier nicht auf eine einzige Strukturfrage reduzieren“,
sagt sie, als der Saal grummelt. Ein typischer Schavan-Satz.
Sie verkauft Politik nicht in einfachen Botschaften, sie liebt den
intellektuellen Diskurs. Strukturfragen halt. Beim Schlusswort würden
andere die Zuhörer nochmal beim Gefühl packen, Schavan schlägt lieber einen
Bogen vom Theologen Friedrich Schleiermacher bis zum Bildungsraum Europa.
Die Kapitäne starren ermattet in die Luft.
## Evolution statt Revolution
Leise, beharrlich, akademisch argumentierend, so zog sie im Sommer 2011
durch die Republik und setzte die historische Programmreform durch. Während
eine Ursula von der Leyen öffentlichkeitswirksam vorprescht, agiert Schavan
subkutan, sagt ein Unionsmann. Evolution statt Revolution. Dabei hilft ihr
ein Netzwerk, dessen Fäden sie sorgsam pflegt – den zur Kanzlerin,
natürlich, den zu Hermann Gröhe, dem Generalsekretär, den sie noch aus
Neuss kennt. Es sind die Modernisierer in der CDU.
Am 2. Mai 2012 stellt ein anonymer Rechercheur Dutzende [1][mutmaßliche
Plagiatsstellen in ihrer Doktorarbeit ins Netz.] Als Journalisten sie am
selben Tag im Saal der Berliner Bundespressekonferenz danach fragen,
reagiert sie auf eine fast rührende Art altmodisch: Der Ankläger möge sich
doch bitte bei ihr melden, sagt sie, dann diskutiere sie gerne mit ihm.
Damit verkennt sie völlig die Realitäten des Internets, in dem sich
Hunderte anonyme Plagiatssucher dem Jagdfieber hingeben.
Moral ist wichtig in dieser Affäre. Schavan hat da einen hohen Anspruch an
sich selbst, was sich auch aus ihrem Glauben heraus erklärt. Ihre geistige
Heimat ist der rheinische Katholizismus, den ihr die Eltern vorlebten. Die
Ministerin betet trotz ihres voll gestopften Terminkalenders das
Stundengebet der Kirche, die Laudes am Morgen, die Vesper und die Komplet
am Abend.
Wie sehr sie der Vorwurf, sie habe bewusst betrogen, mitnimmt, sagt sie
einer Reporterin der Süddeutschen Zeitung. „Es trifft mich. Es trifft mich
im Kern. Es trifft den Kern von dem, was mir wichtig ist.“ Käme die Uni zu
dem Schluss, Schavan habe getäuscht, entwertete dies ihre ganze Biographie,
die um ein einziges Thema kreist.
## Früher Kultusministerin
Als Chefin des Cusanuswerks kümmerte sie sich bis 1995 um hochbegabte
Studenten, als Kultusministerin Baden-Württembergs hielt sie dann zehn
Jahre lang den Föderalismus hoch, bis die Kanzlerin sie 2005 ins
Bundeskabinett nach Berlin holte. Schavans Traumberuf.
Wegen all dem ist Schavan entschlossen, zu kämpfen. Sie ließ der
Universität von ihren Anwälten verbieten, sich zu Inhalten des Verfahrens
zu äußern, als ein Gutachten durchgestochen wurde. Sie nahm zu jeder
kritisierten Stelle schriftlich Stellung. Am Dienstag entscheiden andere,
ob Annette Schavan weiter kämpfen darf.
21 Jan 2013
## LINKS
[1] http://schavanplag.wordpress.com/
## AUTOREN
Ulrich Schulte
Ulrich Schulte
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