# taz.de -- Knast-HipHop: „Schön, wenn's draußen regnet“ | |
> Die Rapper von GittaSpitta haben ein Album über ihre Erfahrungen im | |
> Gefängnis aufgenommen. „9 qm“ ist ein Mix aus Musik und Hörspiel. | |
Bild: Ihre Erfahrungen im Gefängnis inspirierten Duman und Gigoflow, ein ganze… | |
taz: Duman und Gigoflow, Sie haben sich im Gefängnis kennengelernt, als Sie | |
gemeinsam an dem HipHop-Projekt „GittaSpitta – Rap aus dem Arrest“ | |
teilnahmen. Was haben Ihnen die wöchentlichen Treffen damals bedeutet? | |
Gigoflow: Am Anfang gar nichts. Wir dachten nur: Cool, wir können rappen. | |
Duman: Dadurch hatten wir auch drei zusätzliche Stunden Aufschluss, also | |
längere Freizeit. | |
Und später? | |
Gigoflow: Das Projekt wurde immer wichtiger. Man hat die Leute gemocht, sie | |
wurden zur Familie. Auf einmal hatte man auch Ziele: hier einen Song | |
aufnehmen, da einen Auftritt in einer anderen Anstalt. | |
Duman: Und wenn wir Streit oder schlechte Laune hatten, haben wir die nicht | |
mehr einfach so rausgelassen, sondern aufgeschrieben und gerappt. Es war | |
eine Art Therapie. | |
Gigoflow: Genau. Es ist ein Phänomen, das sich nicht einfach erklären | |
lässt. Aber die persönliche Geschichte ins Mikrofon zu rappen ist mir nicht | |
so peinlich, wie das ist, wenn ich sie vor einer Gruppe Häftlinge erzähle. | |
Ich schäme mich nicht so. Beim Rappen habe ich auch das Gefühl, mir wird | |
wirklich zugehört. | |
Ihre Gefängniserfahrungen haben Sie nun in einem Doppelalbum, einem Mix aus | |
Hörspiel und HipHop, verarbeitet. Kam die Idee während des Workshops? | |
Duman: Ich war zu dem Zeitpunkt schon aus der Anstalt entlassen. Aber du | |
warst noch Ausgänger, glaube ich. | |
Gigoflow: Auf jeden Fall. Ich habe ihn besucht, und wir haben einen Song | |
gemacht, der hieß „Einschluss“, und gleich auch ein erstes Hörspiel. Das | |
hat mich nicht mehr losgelassen, also schrieb ich das Konzept für ein | |
ganzes Album herunter. Dann ging wieder ein Jahr rum, bis ich es Olad Aden | |
vom Berliner Verein Gangway vorstellte, der Straßensozialarbeit leistet und | |
auch HipHop-Workshops organisiert. Er meinte, das sei top, auch pädagogisch | |
gesehen, woran wir selbst gar nicht gedacht hatten. 2012 konnten wir | |
schließlich mithilfe von Gangway die Songs und Hörspiele in einem | |
professionellen Tonstudio einspielen. | |
Also gute fünf Jahre nach Ihrer Entlassung. Wie war es, bei den Aufnahmen | |
der Hörspiele die Vergangenheit noch einmal nachzuspielen? | |
Duman: Ich habe versucht, mich hundertprozentig da reinzuversetzen, wie es | |
damals war. | |
Gigoflow: Hört man auch! | |
Duman: Die ganze Geschichte aufs Papier bringen, den Text auswendig lernen, | |
in die Aufnahmekabine gehen, das ist mehr als nur darüber nachdenken. Das | |
ist wirklich befreiend. | |
Gigoflow: Und trotzdem kam alles wieder hoch. Aber indem wir alle Themen | |
durchgegangen sind, sind wir jetzt damit durch. Das Album ist für uns ein | |
richtiger Abschluss. | |
Die Musik haben Sie zunächst für sich gemacht. An wen richtet sie sich | |
sonst? | |
Duman: Ansprechen wird es erst mal die, die momentan im Knast sind und es | |
mit sich ausmachen müssen. | |
Gigoflow: Aber auch die, die darüber reden und gar keine Ahnung haben. | |
Duman: Ja, dann können sie sich denken, wie es ist. Denn wir haben nichts | |
erfunden, all das ist wirklich passiert, höchstens haben wir es in Rapform | |
ein wenig verharmlost. | |
Inwiefern verharmlost? | |
Gigoflow: Wenn wir jetzt die krassen Themen stärker veranschaulicht hätten, | |
was auch jeder hören will … | |
Duman: … dann wäre das wieder Gangsta-Rap: Aufstand im Knast, Meuterei, | |
Drogenschmuggel. Aber ich habe keinen da drin getroffen, der sagte: Hey, | |
geil, ich bin im Knast, ich ficke alle. Sondern: Was mache ich hier, was | |
habe ich nur gemacht? | |
Gigoflow: Aber wenn die dann rauskommen, sagen sie wieder: Ich bin der | |
Krasseste, ich war im Knast. | |
Duman: Ja, und deswegen sprechen wir die Wahrheit. Die Mama kommt zu | |
Besuch, oder jemand sieht beim Sprecher [Besuch im Gefängnis] seinen | |
kleinen Neffen zum ersten Mal, seit der das Licht der Welt erblickt hat. | |
Das sind die wahren Themen. | |
Beim Hören des Album kommt viel vom tristen Gefängnisalltag rüber. | |
Gigoflow: Die Stimmung im Knast ist generell schlecht. Das gibt’s nicht | |
wirklich, dass man aufsteht und sagt: Hey, heute ist schönes Wetter, alles | |
ist cool. | |
Duman: Schön ist es nur, wenn’s draußen regnet. | |
Ihr Track „ Traum“ geht unter die Haut. Haben Sie im Gefängnis viel von der | |
Freiheit geträumt? | |
Gigoflow: Oh ja. Heute träume ich allerdings, dass ich wieder hinter | |
Gittern bin. Das fühlt sich dann so echt an, und ich denke: Wie kann ich | |
nur so blöd sein … | |
Duman: … und wieder reinkommen. Ich schwöre. | |
Gigoflow: Aber dann wacht man auf und stellt fest, dass das nur ein | |
Albtraum war. In den Knast gehen wir nur noch für Auftritte. | |
Das Album hört mit Ihrer Entlassung auf. War es schwer, in Freiheit wieder | |
Fuß zu fassen? | |
Gigoflow: Das ist das Schwierigste. Man wird entlassen, und der Knast | |
kümmert sich gar nicht mehr. | |
Duman: Nur Musterhäftlinge können sich wirklich darauf vorbereiten. Als | |
solche kriegen sie Ausgänge und können sich einen Ausbildungsplatz oder | |
eine Wohnung suchen und mit dem Arbeitsamt reden. | |
Gigoflow: Die meisten kommen aber raus, haben nichts, vielleicht auch keine | |
Familie, müssen einen Job finden, ihre Schulden regeln, stehen dann | |
vielleicht noch vor der Abschiebung. Allein ist man da ziemlich | |
aufgeschmissen. | |
## Am Freitag treten GittaSpitta mit einigen Songs in Berlin auf und | |
diskutieren über Haft und Resozialisierung, u. a. mit Thorsten Luxa, dem | |
Leiter der Jugendstrafanstalt Berlin. Literaturwerkstatt Berlin, 17 Uhr, | |
Knaackstraße 97. | |
8 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
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