# taz.de -- Neues Album von Karo: Wegkommen von der Traurigkeit | |
> Homemade statt Hochglanz: Das deutsche MySpace-Indie-Wunder Karo geht für | |
> ihr neues Album „Home“ in einen Tresorraum. | |
Bild: Karoline Schaum wurde notgedrungen zur Nomadin. | |
Die Odyssee, in der sich Karoline Schaum alias Karo wiederfand, hat sie | |
dazu verleitet, ihr neues Album schlicht „Home“ zu taufen. Mit 21 zog die | |
Musikerin weg aus ihrer hessischen Heimatstadt Friedberg – zunächst nach | |
London, von dort weiter nach Würzburg. Und dann viele Male innerhalb | |
Würzburgs. Ausgerechnet im beschaulichen Norden Bayerns sei sie zum | |
Spielball rüder Vermieter geworden, erzählt Karo. | |
Rekord war vor drei Jahren, als sie innerhalb weniger Monate fünfmal ihr | |
Zuhause wechseln musste. „Dadurch hat das Wort ’zuhause‘ für mich eine g… | |
neue Bedeutung bekommen,“ sagt Karo. „Weil es einfach keinen Ort gab, wo | |
ich mich wirklich heimisch fühlen konnte.“ Dennoch sei ihr Würzburg bald | |
ans Herz gewachsen, „weil es ein Mikrokosmos ist, nicht zu klein und nicht | |
zu groß.“ | |
Die hügeligen Weinberge findet sie schön, alles in der Universitätsstadt | |
lässt sich leicht per Fahrrad erreichen, und die lokale Musikszene ist | |
nicht nur sehr aktiv, sondern auch bestens organisiert. Als von einem Tag | |
zum anderen in ihrem Proberaum Strom und Wasser abgestellt wurden, erfuhr | |
sie innerhalb kürzester Zeit von einem frei stehenden Tresorraum in einer | |
alten, auf Abriss wartenden Schalterhalle der Post. | |
Der schalldichte Raum stellte sich nicht nur als ideale Probebühne heraus, | |
sondern auch als das denkbar geeignetste Aufnahmestudio für Karos | |
düster-melancholische Kompositionen: Allein der Gedanke, in einem | |
professionellen Studio aufzunehmen, widerstrebte ihr: „Da fühle ich mich | |
gefangen, weil man stets beobachtet wird.“ Auch die Produktion in andere | |
Hände geben zu müssen, war nicht in ihrem Sinne: „Da drückt der Produzent | |
dem Ganzen einen eigenen Stempel auf“, sagt die 32-jährige Autodidaktin. | |
„Ich habe es klanglich lieber nicht ganz so tadellos, aber dafür so, wie | |
ich es mir vorstelle.“ | |
## Home-Studio im Kinderzimmer | |
Schon als behütetes Kind mit festem Wohnsitz fand Karo zu den Künsten: „In | |
der musikalischen Früherziehung bastelte ich meine eigenen Schellenkränze. | |
Später sang ich im Kirchenkinderchor.“ Zu Hause gab es viel Musik – in Form | |
von Schallplatten: „Meine Mutter war ein großer Elvis-Fan.“ Kurzerhand | |
holte ihr Vater für die Tochter eine „richtig zerfurchte“ Gitarre vom | |
Dachboden. Statt Unterricht zu nehmen, fing Karo an, sich die ersten | |
Akkorde selbst beizubringen – und sofort zu Songs zu verarbeiten. | |
Zusätzlich verbrachte sie täglich Stunden vor einem Kassettenrecorder, um | |
ihre Stimme aufzunehmen. „Und jedes Mal, wenn mir etwas nicht gefallen hat, | |
habe ich es noch mal gesungen, noch mal aufgenommen, noch mal abgehört.“ | |
Karo muss ein exzellentes Gehör haben, denn ihr Gesang ist beeindruckend. | |
## Falsch einsortiert | |
Ende 2006 legte sie sich ein eigenes Profil auf MySpace an, und innerhalb | |
weniger Monate wimmelte es dort nur so vor Fans. Bald folgten erste | |
Konzertauftritte. Als 2009 ihr Debütalbum „Sing Out, Heart“ beim Label | |
Normoton erschien, wurde sie als „stimmgewaltige Konkurrenz“ für etliche | |
Galionsfiguren der Singer-Songwriter-Szene bejubelt. Damals wurde auch | |
Daniel Gehret, Bassist in der Hardcore-Band Shokei, auf sie aufmerksam und | |
schlug eine Kollaboration vor. „Hardcore ist mir fremd und Shokei waren mir | |
nur ein Begriff, weil sie auch aus Würzburg kommen“, sagt Karo. | |
Auf Karos neuem Album spielt Gehret den Bass und Shokei-Bandkollege | |
Matthias Labut sitzt an den Drums. Alle Instrumente hat Karo mit ein und | |
demselben Mikro aufgenommen. Gepaart mit der speziellen Akustik im | |
Tresorraum, ergibt das eine ungewöhnliche Tonqualität – gedämpft, geballt, | |
intim. | |
## Deprimierendste Musik ever | |
Ihre großen Helden sind Low, eine auch hierzulande legendenumrankte | |
US-Slowcore-Band. „Low Once Saved My Life“ heißt ein Lied auf Karos neuen | |
Album. „Die Akkordfolgen in dem Song gehören bei Low zum Standard“, erklä… | |
sie den Titel pragmatisch. Die Band stehe zudem für „die deprimierendste | |
Musik“, die sie je gehört habe. Das habe ihr den Mut gegeben, Trauer, die | |
ihr oder ihrer Umgebung widerfährt, zu eigenen Melodien und Klängen zu | |
verarbeiten. | |
Auch wenn schon der Auftaktsong des neuen Albums, „The Great Depression“, | |
Seelenpein und Wirtschaftskrise in einem Lied vermengt, ziehen Karos Lieder | |
die Hörer nie in den Abgrund. Getragen von ihrem überwältigenden Gesang, | |
erzählen sie vielmehr von der Sehnsucht, dem Versuch und schließlich dem | |
Befreiungsschlag einer Erhebung. Karo versteht ihr musikalisches Treiben | |
durchaus auch als Katharsis: „Die Songs sind eine Art Erlösung, ein | |
Wegkommen von der Traurigkeit“. | |
## Karo „Home“ (Normoton/Alive/Finetunes); live: 22. März Würzburg, 23. | |
März München, weiter im Mai | |
21 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
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HipHop | |
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