# taz.de -- Kommentar Schavans Rücktritt: Schavans menschliche Größe | |
> Eine Bildungsministerin kann nicht glaubwürdig arbeiten, wenn ihr der | |
> Ruch des Betruges anhaftet. Schavan hat das erkannt und schnell | |
> gehandelt. | |
Bild: In Merkels Logik war Schavans Rücktritt unausweichlich | |
Annette Schavan hat gezeigt, dass ein Rücktritt keine Niederlage sein muss. | |
Es ist richtig und konsequent, dass sie ihr Amt als Bildungsministerin | |
abgibt, kurz nachdem ihr die Universität ihren Doktortitel absprach. Und | |
gerade durch ihr schnelles Handeln, dass sie ausdrücklich nicht als | |
Schuldeingeständnis verstanden wissen will, beweist Schavan menschliche | |
Größe. | |
Das wichtigste Argument, warum ein Rückzug notwendig war, liefert sie | |
selbst. Eine Forschungsministerin, die gegen eine Forschungseinrichtung in | |
eigener Sache klagt, ist eine Belastung – für die Regierung, für die CDU, | |
und ja: für das Amt. Dabei ist entscheidend, dass Politik nach anderen | |
Regeln funktioniert als die Rechtssprechung. | |
Auch wenn Schavan ihr Titel noch nicht rechtskräftig entzogen wurde, auch | |
wenn sie sich nun juristisch wehren will: Eine Bildungsministerin kann | |
nicht glaubwürdig den Wissenschaftsbetrieb der Republik verantworten, wenn | |
ihr der Ruch des Betruges anhaftet. Junge Doktoranden würden sich zu Recht | |
fragen, was die Tortur einer Doktorarbeit eigentlich wert ist, wenn die | |
höchste politische Repräsentantin bei sich selbst Fünfe gerade sein lässt. | |
Ein Spitzenpolitiker wirkt auf Menschen auch und vor allem durch sein | |
glaubwürdiges Vorbild. | |
Schavan hat dieses Dilemma erkannt und handelt danach. Obwohl sie sich | |
unschuldig fühlt, obwohl sie ihr Leben der Wissenschaft gewidmet hat, | |
obwohl der Rücktritt für sie ein persönliches Drama bedeutet. Wie wohltuend | |
wirkt diese Konsequenz, wenn man sie mit Karl-Theodor zu Guttenberg | |
vergleicht. Der ehemalige Verteidigungsminister klammerte sich quälend | |
lange an seinen Posten, obwohl das Ausmaß seiner Plagiate weit über die | |
Schavans hinausging. | |
## Auch Merkel hat dazugelernt | |
Nach Schavans Rücktritt bleibt daher ein schaler Beigeschmack. | |
Selbstverständlich hat die Universität das Recht, streng und hart zu | |
entscheiden, selbstverständlich ist ihr Votum zu akzeptieren. Doch Schavans | |
Arbeit war ein Grenzfall, man hätte ihn – so legen es viele kundige Stimmen | |
aus der Wissenschaft nahe – auch anders entscheiden können. Ihre Vergehen | |
liegen drei Jahrzehnte zurück, hätte Schavan damals, sagen wir: ihren | |
Professor krankenhausreif geprügelt, wäre diese Gewalttat längst verjährt. | |
Deshalb verwundert die Selbstgewissheit, mit der manche Kommentatoren im | |
Internet den Stab über Schavan brechen. Verzeihen ist eine aus der Mode | |
gekommene Tugend, diese Erkenntnis drängt sich angesichts immer neuer durch | |
traditionelle Medien und Netz schwappende Erregungswellen auf. | |
Wie sehr Kanzlerin Angela Merkel ihre Ex-Ministerin schätzt, hat sie in | |
ihrem kurzen Statement mehr als deutlich gemacht. Sie achtet und vertraut | |
Schavan, die beiden Frauen pflegen eine politische Freundschaft. Doch | |
Merkel hat, um noch einmal die Parallele zu ziehen, aus dem Fall Guttenberg | |
gelernt. | |
## Unausweichlicher Schritt | |
Als damals Betrugsvorwürfe laut wurden, ließ sie ihn gewähren. Sie | |
beobachtete seine Windungen mit Befremden, warf ihn aber nicht schnell aus | |
dem Kabinett. Schon bei Norbert Röttgen, der lediglich eine Wahl in | |
Nordrhein-Westfalen verloren hatte, handelte sie anders. Weil sie Schaden | |
für sich selbst befürchtete, schasste sie ihn umgehend. | |
Auch Schavan hätte ihr im Wahljahr geschadet. Insofern darf man der | |
Kanzlerin zwar glauben, dass es ihr schwerfiel, den Rücktritt einer | |
Freundin anzunehmen. Aber in Merkels Logik war er unausweichlich. Die | |
Schnelligkeit, mit der Merkel eine Nachfolgerin für Schavan präsentierte, | |
belegt, dass die Pragmatikerin im Kanzleramt den Rückzug vorhersah. Und | |
vorbereitete. Merkel und Schavan wissen beide, dass Freundschaft in der | |
Politik keine gültige Kategorie darstellt. | |
9 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Ulrich Schulte | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Rücktritt | |
Bildung | |
Annette Schavan | |
Frank-Walter Steinmeier | |
Annette Schavan | |
Schavan | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Plagiatsaffäre | |
Plagiat | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Plagiatsvorwürfe gegen Steinmeier: Unsauber zitiert? | |
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wehrt sich gegen | |
Plagiatsvorwürfe. Er soll in seiner juristischen Doktorarbeit 1991 unsauber | |
zitiert haben. | |
Reaktionen auf Rücktritt von Schavan: Was zu erwarten war | |
Konsequent und notwendig. Die Reaktionen auf den Rücktritt der | |
Bildungsministerin sind nahezu einhellig. Doch die Opposition spart nicht | |
mit Spott. | |
Geschäft mit Honorarprofessuren: Alles reine Ehrensache | |
Ein Fall aus dem Bildungsministerium zeigt, wie problematisch das Geschäft | |
mit Honorarprofessuren ist. Schavan stand diesem System vor. | |
Neue Bildungsministerin Wanka: Pragmatische Mathematikerin | |
Mehr als zwölf Jahre wirkte Johanna Wanka in zwei Bundesländern schon als | |
Hochschulministerin. Sie gilt als konservativ, aber pragmatisch. | |
Bildungsministerin Schavan tritt zurück: Ex-Doktorin wird Ex-Ministerin | |
Nach der Plagiatsaffäre um ihre Dissertation ist Bildungsministerin Schavan | |
zurückgetreten. Ihre Nachfolgerin wird Niedersachsens | |
Wissenschaftsministerin Johanna Wanka. | |
Kommerzieller Online-Plagiatsjäger: Kopfgeld für Merkels Doktortitel | |
Für Geld sucht Martin Heidingsfelder nach Plagiaten in Doktorarbeiten. | |
Seine alten Kollegen vom VroniPlag-Wiki sind nicht so gut auf ihn zu | |
sprechen. | |
Plagiate in Schulen und Unis: Annette Schavan ist überall | |
In Schulen und Unis wird kräftig plagiiert, sagen Schüler, Studenten und | |
Bildungsforscher. Lehrende merken oft nicht, wenn etwas faul ist. |