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# taz.de -- Ermittlungen gegen Rechtsextremisten: Beinfreiheit für den Bundesa…
> Die Bundesanwaltschaft darf nur Staatsschutzfälle ermitteln. Nach dem
> Fall NSU scheint das Gesetz aber zu eng. Doch das Justizministerium
> zögert.
Bild: In diesem mittlerweile abgerissenen Haus blieb der NSU jahrelang unentdec…
Das ist erfolgreiches Krisenmanagement. Während Polizei und
Verfassungsschutz nach dem NSU-Desaster am Pranger stehen, gilt die
Karlsruher Bundesanwaltschaft nicht als Teil des Problems, sondern als Teil
der Lösung.
Als in Thüringen drei militante Rechtsextremisten untertauchten, hat die
Bundesanwaltschaft nicht ermittelt. Das wird jedoch nicht ihr angelastet,
sondern der verharmlosenden Darstellung der Thüringer Staatsanwaltschaft.
Auch die Mordserie gegen neun migrantische Kleingewerbler war elf Jahre
lang kein Fall für die Bundesanwaltschaft. Schließlich sahen die örtlichen
Staatsanwaltschaften keinen terroristischen Hintergrund.
Die Bundesanwaltschaft hat eine schmale Ermittlungszuständigkeit. Es muss
sich, grob zusammengefasst, um Staatsschutzfälle von besonderer Bedeutung
handeln. Morde einer mutmaßlichen türkischen Mafia gelten nicht als Fall
für den Staatsschutz, sie landeten deshalb nicht bei der
Bundesanwaltschaft. Die Karlsruher Terrorexperten blieben bei der
NSU-Mordserie jahrelang außen vor, während die Polizei der falschen Fährte
folgte.
Die Rufe nach einer Stärkung der Bundesanwaltschaft häufen sich. Wenn es
schon spezialisierte Staatsschutzermittler gibt, dann sollen sie auch gegen
Banden wie den Nationalsozialistischen Untergrund zum Einsatz kommen. Schon
im November 2011 forderte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): „Der
Generalbundesanwalt sollte in Fällen schwerer Kriminalität mit
länderübergreifendem Bezug eine stärkere Rolle spielen“, nicht nur wenn die
Erkenntnisse von vornherein Richtung Staatsschutz deuten. Ende Januar 2013
wiederholte er die Forderung.
## Die Justizministerin schweigt
Auch Generalbundesanwalt Harald Range hat in Interviews vorgeschlagen, die
Zuständigkeitsregeln für seine Behörde zu ändern: „Man könnte eine
’besondere Bedeutung‘ etwa immer dann annehmen, wenn ein
länderübergreifender Zusammenhang besteht“, sagte Range im März 2012. Auch
die Bund-Länder-Kommission Rechtsextremismus will die Beschränkungen der
Bundesanwaltschaft lockern. Ihr Bericht wird im Mai 2013 erwartet.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf müsste Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorlegen. Doch von ihr hört man zu diesem
Thema nichts. Auf Nachfrage heißt es, sie rede über die Angelegenheit mit
dem Generalbundesanwalt persönlich und „nicht über die Presse“.
Offensichtlich bereitet sie keine Gesetzesinitiative vor. Das erklärt das
Engagement von Innenminister Friedrich im fremden Revier.
Allerdings ist der Spielraum gering. Die erstinstanzliche Justiz des Bundes
ist im Grundgesetz auf wenige Felder, vor allem den Staatsschutz,
beschränkt. Um der Bundesanwaltschaft eine Zuständigkeit für alle
länderübergreifenden Mordserien zu geben, müsste die Verfassung geändert
werden. Das will derzeit niemand.
Realistischer erscheint, die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft innerhalb
des Staatsschutzes auszuweiten. So könnte die Messlatte, was ein
„bedeutender Fall“ ist, niedriger gehängt werden. Das bringt aber dann
nichts, wenn wie beim NSU die Staatsanwaltschaft vor Ort schon keinen
Staatsschutzbezug erkennt.
## Hinweise zu rechtem Terror aus der Presse
Eigentlich sollen die örtlichen Staatsanwaltschaften der Bundesanwaltschaft
alle Vorgänge vorlegen, bei denen der Verdacht auf eine Zuständigkeit der
Karlsruher Behörde besteht. Das sieht eine justizinterne Richtlinie (202
RiStBV) vor, funktioniert aber kaum.
Nur bei knapp 7 Prozent der Prüfvorgänge, die die Bundesanwaltschaft zu
rechten Delikten anlegte, kamen die Informationen aus den Ländern, die
überwiegende Zahl der Hinweise stammte aus den Medien. Üblich sind in
anderen Deliktfeldern 54 Prozent Hinweise aus den Ländern. Die Länder
mauern also, wenn es um rechtsextremistische Straftaten geht, und halten
Informationen zurück.
Die ehemalige BGH-Richterin Ruth Rissing-van Saan will deshalb dem
Generalbundesanwalt ein gesetzliches Recht geben, zur Prüfung der eigenen
Zuständigkeit Vorermittlungen vorzunehmen. Er soll von den Landesbehörden
Auskünfte und Akteneinsicht verlangen können.
Und vor allem soll er schon in diesem Stadium Ermittlungsaufträge an das
Bundeskriminalamt vergeben können. So könnte sich der Generalbundesanwalt
immer einschalten, wenn er das Gefühl hat, absichtlich oder aus Ignoranz
ausmanövriert zu werden. Vermutlich wird auch die Bund-Länder-Kommission
diesen Vorschlag unterstützen.
## Schock und Rückschläge
Aber braucht man solche Daumenschrauben überhaupt noch? Ist die Justiz nach
dem NSU-Desaster nicht so geschockt, dass alte Blockaden jetzt freiwillig
aufgegeben werden? Im Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR)
arbeiten Bund und Länder seit Dezember 2011 intensiv zusammen. Daraus sind
schon drei Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen möglicherweise
rechtsterroristische Gruppen entstanden – gegen Strukturen also, die früher
in Karlsruhe gar nicht bekannt geworden wären.
Allerdings scheint es auch Rückschläge zu geben. Im April 2012 griffen drei
Rechtsradikale eine deutsch-syrische Familie auf einem Volksfest in
Eisleben (Sachsen-Anhalt) an, die Mutter und der Verlobte der Tochter
sterben fast unter den brutalen Angriffen. Obwohl die Nazis nach
Darstellung der Süddeutschen Zeitung ausländerfeindliche Parolen grölten,
sah die Staatsanwaltschaft Halle keinen Mordversuch aus niedrigen
Beweggründen, sondern nur gefährliche Körperverletzung. Die Anklage
erfolgte beim Amtsgericht Eisleben, also auf der untersten Ebene. Und der
Bundesanwaltschaft legten die Hallenser Staatsanwälte den Fall nicht einmal
zur Prüfung vor – trotz aller Bekenntnisse zu mehr Transparenz und
Kooperation.
11 Feb 2013
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesanwaltschaft
Beate Zschäpe
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Hans-Peter Friedrich
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Beate Zschäpe
Terrorismus
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