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# taz.de -- Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Mehr Sicherheit fürs Kind
> Homosexuelle dürfen die Adoptivkinder ihrer Partner ebenfalls adoptieren.
> Darauf reagiert die Politik nicht immer euphorisch.
Bild: Rote Roben für das Kindeswohl.
KARLSRUHE/BERLN taz | Ein Schritt nach vorn für homosexuelle Paare: Das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat ihr Recht auf Adoption erweitert.
Der erste Senat erklärte am Dienstag in einem einstimmigen Urteil, das
bisherige Verbot von Zweitadoptionen verstoße gegen das Grundgesetz.
Zwei Fälle lagen dem Urteil zugrunde: Eine lesbische 58-jährige
Innenarchitektin aus Münster hatte vor rund neun Jahren in Bulgarien ein
Mädchen adoptiert, das inzwischen 13 Jahre alt ist. Die Architektin lebt
schon seit zwanzig Jahren mit ihrer Freundin zusammen, einer heute
53-jährigen Ärztin. Diese durfte das Kind aber wegen der Gesetzeslage nicht
adoptieren.
Im zweiten Fall ging es um ein schwules Paar aus Hamburg. Einer der Partner
hat vor 12 Jahren ein neugeborenes Kind aus Rumänien adoptiert. Sein
Lebensgefährte würde gern auch Vater sein, darf aber nicht.
Bisher erlaubt das deutsche Recht Adoptionen von Homosexuellen nur in zwei
Konstellationen: Als Einzelperson konnten sie schon immer ein fremdes Kind
annehmen. Seit 2005 ist auch die Stiefkindadoption erlaubt, bei der einer
der Partner ein leibliches Kind in die Beziehung einbringt und der andere
Partner es dann adoptiert. Künftig kann die Münsteraner Ärztin das von
ihrer Partnerin adoptierte Mädchen ebenfalls adoptieren. Das Kind hat dann
zwei rechtliche Mütter.
## Partner tragen ebensoviel Verantwortung wie Eheleute
Bisher waren solche Zweitadoptionen (auch Sukzessivadoption genannt) nur
für heterosexuelle Ehepaare möglich. Darin sahen die Verfassungsrichter nun
aber eine ungerechtfertigte Diskriminierung. Eine eingetragene
Partnerschaft sei „gleichermaßen auf Dauer angelegt und durch eine
verbindliche Verantwortungsübernahme geprägt wie eine Ehe“.
Auch für das Kindeswohl sei eine Zweitadoption „regelmäßig zuträglich“.
Schließlich lebe das vom einen Partner adoptierte Kind ja bereits mit
beiden Partnern in einem Haushalt zusammen. Da könne es eine
„stabilisierende entwicklungspsychologische“ Wirkung haben, wenn beide
Partner auch rechtlich Verantwortung übernehmen.
Grundsätzliche Bedenken gegen die homosexuelle Elternschaft halten die
Verfassungsrichter für widerlegt. Die „behüteten Verhältnisse“ einer
Lebenspartnerschaft könnten „das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern wie
die einer Ehe“. Tatsächlich hatten fast alle Sachverständigen und
Fachverbände sich bei der mündlichen Verhandlung im Dezember für die
Erweiterung der Adoptionsmöglichkeiten ausgesprochen.
Die Beschwerdeführerinnen selbst feierten am Dienstag ihren Erfolg. „Wir
sind überglücklich und total überrascht, dass die Begründung der Richter so
deutlich ausfiel. Das ist bahnbrechend“, sagte die 58-jährige
Innenarchitektin der taz. Die logische Konsequenz aus dem Urteil wäre das
gemeinsame Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare. „Das darf jetzt
nicht mehr lange auf sich warten lassen“, sagte sie.
Dazu mussten die Richter in Karlsruhe diesmal nichts sagen, weil die Fälle
anders lagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Richter auch dieses
Verbot kippen werden, wenn es entsprechende Klagen gibt. Vielleicht
liberalisiert auch der Bundestag vorher das Adoptionsrecht. Für die
gesetzliche Umsetzung des Urteils hat er bis 30. Juni 2014 Zeit. Allerdings
tritt das Verbot der Zweitadoption sofort außer Kraft.
## CDU und CSU zerknirscht bis zurückhaltend
Während SPD, Grüne, Linkspartei und FDP das Urteil teils euphorisch
kommentierten, von einem „Durchbruch für die Gleichstellung“ (Grüne)
sprachen, reagierten CDU und CSU zerknirscht bis zurückhaltend. Kaum jemand
wollte sich öffentlich äußern. Das Urteil sei „vertretbar“ und
„nachvollziehbar“, teilte die Unionsfraktion lediglich mit. Allerdings:
„Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Vater und Mutter für das Kind
gut sind“, heißt es weiter. Die Bundesregierung nahm das Urteil „mit groß…
Respekt“ zur Kenntnis, so Regierungssprecher Steffen Seibert.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann war einer der wenigen, die
sich am Dienstag konkret äußerten. Er begrüßte das Urteil aus Karlsruhe
ausdrücklich. „Das ist eine richtige und konsequente Entscheidung“, sagte
er der taz. Auch das gemeinsame Adoptionsrecht für schwule und lesbische
Paare müsste jetzt erlaubt werden. „Es fällt schwer, heute noch Argumente
zu finden, die gegen das gemeinsame Adoptionsrecht für homosexuelle Paare
sprechen“, so Kaufmann.
In der Union sei dies jedoch noch immer schwer durchsetzbar. „Das ist für
viele in der Partei ein dickes Brett. Bei dieser gesellschaftlichen
Entwicklung wollen sie nicht die Speerspitze bilden“, so Kaufmann, der
neben dem CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn der einzige schwul geoutete
Bundestagsabgeordnete seiner Fraktion ist.
(Az.: 1 BvL 1/11 u. a.)
19 Feb 2013
## AUTOREN
Christian Rath
Paul Wrusch
## TAGS
Adoptionsrecht
Homosexuelle
Bundesverfassungsgericht
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FDP
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