| # taz.de -- Adoption für Lesben und Schwule: Die letzte Bastion | |
| > Schwule und Lesben werden in Deutschland beim Adoptionsrecht | |
| > benachteiligt. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht. | |
| Bild: Die Klägerinnen im Dezember 2012 in Karlsruhe. | |
| Sie waren ein Einzelfall, aber dann ging es immer höher hinaus, sogar der | |
| Papst äußerte sich – nicht konkret über sie, aber zu ihrer Sache. Und nun | |
| verhandelt das höchste deutsche Gericht über das, was das Leben von | |
| Elisabeth und Cornelia Weise* seit neun Jahren ausmacht: die Frage, ob | |
| beide die Mutter der adoptierten Tochter sein dürfen. | |
| Benedikt XVI. sprach von einem „Angriff auf die wahre Gestalt der Familie | |
| aus Vater, Mutter und Kind“, weshalb die Weises auf einen fortschrittlichen | |
| Nachfolger hoffen. Gerichte dachten genauso, die Frauen gaben nicht auf. | |
| Kommende Woche entscheidet das Bundesverfassungsgericht. | |
| Elisabeth und Cornelia Weise sind lesbisch, seit über 20 Jahren ein Paar | |
| und seit 2004 Eltern. Cornelia ist 58, ihre Frau 53. Ihre Tochter Tanja | |
| wurde in Bulgarien geboren, kam als Adoptivkind zu ihnen, als sie vier | |
| Jahre alt war. Seitdem hat die heute 13-Jährige zwei Mamas. Für sie ganz | |
| normal. Rechtlich hat sie aber nur eine Mutter: Cornelia. Denn trotz | |
| eingetragener Lebenspartnerschaft dürfen sie ihre Tochter nicht gemeinsam | |
| adoptieren. | |
| Sie waren blauäugig damals, als sie sich für eine Adoption entschieden. | |
| Cornelia adoptiere alleine, der Rest werde sich schon ergeben, dachten sie. | |
| Die beiden schlossen 2005 eine Lebenspartnerschaft und beantragten die | |
| Zweitadoption durch Elisabeth. Doch eine solche Sukzessivadoption ist für | |
| homosexuelle Paare in Deutschland nicht möglich. Wäre Tanja leibliches Kind | |
| von Cornelia, hätte die Partnerin sie dagegen adoptieren können. | |
| ## Sieben Jahre Auseinandersetzung | |
| Es war ein langer Weg nach Karlsruhe, besonders wütend machte sie 2009 die | |
| Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts Hamm. „Das Kind soll in einer | |
| lebenstüchtigen Familie aufwachsen, in der es soziale Verhaltensweisen | |
| einübt, die ihm von einer weiblichen und männlichen Bezugsperson vorgelebt | |
| werden“, heißt es darin. Kindererziehung sei Aufgabe einer Familie aus | |
| Vater, Mutter und Kind. Sätze wie vom Papst. „Wir waren geschockt“, sagt | |
| Elisabeth Weise. Das Paar kämpfte weiter, am Dienstag werden sieben Jahre | |
| juristischer Auseinandersetzung ein Ende finden. | |
| „Es ist uns egal, ob wir diskriminiert werden. Aber dass unsere Tochter | |
| benachteiligt wird, ist schrecklich“, sagt Elisabeth Weise. Wenn sich ihre | |
| Mütter trennen oder Cornelia Weise etwas zustößt, wäre nicht klar, bei wem | |
| Tanja leben würde. | |
| Von einer solchen Benachteiligung homosexueller Paare wissen auch die | |
| Jugendämter. Christine Lindenmayer arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der | |
| Stuttgarter Adoptionsstelle des Jugendamtes. Sie hat schon viele schwule | |
| und lesbische Paare beraten, die ein Kind adoptieren wollen. „Ich vermittle | |
| ihnen kein Kind, weil ich es rechtlich nur an einen der beiden anbinden | |
| kann“, sagt sie. Lindenmayer ärgert es, dass die Rechtslage ihre Arbeit so | |
| einschränkt. „Ich habe hier einige schwule Männer gehabt, denen hätte ich | |
| sofort mein eigenes Kind anvertraut.“ Sie hofft, dass die Richter in | |
| Karlsruhe die Sukzessivadoption für Homopaare zulassen. „Dass es zunächst | |
| nur um diesen Sonderfall geht, ist natürlich Quatsch. Wir brauchen das | |
| gemeinsame Adoptionsrecht für Schwule und Lesben“, sagt sie. | |
| ## Eltern wollen es oft klassisch | |
| In bestimmten Fällen können homosexuelle Paare als Adoptiveltern sogar | |
| besser geeignet sein als heterosexuelle. „Bei Kindern, die | |
| Missbrauchserfahrungen durch Männer gemacht oder viele gewalttätige Männer | |
| kennen gelernt haben, können Frauen als Eltern von Vorteil sein“, sagt | |
| Rodika Quilitz. Sie arbeitet für die Berliner Adoptionsstelle. | |
| Prinzipiell werden die leibliche Eltern heute bei der Auswahl der | |
| Adoptiveltern einbezogen. „Sie wünschen sich in der Regel die klassische | |
| Familienkonstellation, einzelne könne sich gleichgeschlechtliche | |
| Adoptiveltern vorstellen“, sagt Quilitz. | |
| Nicht jeder Adoptionsvermittler hat eine so positive Haltung gegenüber | |
| Schwulen und Lesben, viele glauben – wie der Papst –, zur Familie gehörten | |
| Vater und Mutter. Kinder in Regenbogenfamilien würden diskriminiert oder | |
| gar selbst schwul oder lesbisch. Wissenschaftlich belegt sind diese | |
| Vorurteile nicht. Im Gegenteil: Kinder aus Regenbogenfamilien gelten in der | |
| Regel als selbstbewusster, leiden kaum unter Hänseleien. Trotzdem ist das | |
| Adoptionsrecht für Homosexuelle für Konservative die letzte Bastion, die | |
| sie nicht einreißen lassen wollen. | |
| ## Für Kinder einfacher als für Erwachsene | |
| Die Gesellschaft ist da deutlich weiter, hat Cornelia Weise beobachtet. Ein | |
| Junge aus Tanjas Kindergarten fragte sie einmal, wer sie eigentlich sei. | |
| „Die andere Mama von Tanja“, sagte sie. Der Junge reagierte unbefangen. | |
| „Ich hab auch zwei Papas und zwei Mamas“, sagte er. „Die Kinder kennen | |
| heute so viele Modelle von Familie. Sie können damit oft viel besser | |
| umgehen als Erwachsene“, sagt Cornelia Weise. | |
| Selbst haben sie bisher keine Diskriminierung im Miteinander erfahren, auch | |
| nicht ihre Tochter. Auf den medialen Rummel, der nach dem Urteil am | |
| Dienstag auf Tanja zukommen könnte, haben sie sie vorbereitet. „Wenn ihr | |
| jemand dumm kommt, will sie einfach fragen ’Und, haben deine Eltern schon | |
| einmal für irgendetwas gekämpft?‘“, sagt Cornelia Weise. | |
| * Die Namen der Familie Weise wurden geändert. | |
| 19 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Wrusch | |
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