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# taz.de -- Piraten im Wahljahr: Die Postgender-Fraktion
> Auf den Landeslisten der Piraten finden sich Frauen bisher fast nur auf
> hinteren Plätzen. Nun steht die Frage nach einer Frauenquote im Raum.
Bild: Das Piratenschiff – geschlechtsneutral.
BERLIN taz | Der Vergleich hat es in sich: „Gemessen am Frauenanteil in der
Unionsfraktion sind wir bisher mit unseren Landeslisten noch gut im
Schnitt“, sagt Melanie Kalkowski, die Spitzenkandidatin der
nordrhein-westfälischen Piraten für die Bundestagswahl. Dann schiebt die
Finanzbeamtin aus Marl rasch hinterher: Natürlich sei es wünschenswert,
dass die Piraten als junge Partei mit einem höheren Frauenanteil im
Bundestag aufwarten könnten. „Aber noch wichtiger ist es, dass wir gute
Kandidaten unabhängig vom Geschlecht wählen.“
Da würden namhafte Piraten widersprechen. Mit Unbehagen sehen sie zu, wie
ein Landesverband nach dem anderen ganz überwiegend Männer auf die vorderen
Plätze nominiert.
9 der 16 Landeslisten stehen inzwischen fest. Bislang ist Melanie Kalkowski
bundesweit die einzige Spitzenkandidatin der Piraten. Sollte der Partei im
Herbst der Sprung in den Bundestag gelingen, droht Frauen die Rolle als
Ausnahmeerscheinungen in der Fraktion.
Nach einer Statistik der Partei kämen bei einem Ergebnis von bundesweit 5
Prozent 24 der bisher nominierten Bewerber ins Parlament – 19 Männer und 5
Frauen. Das entspräche einem Frauenanteil von 20 Prozent und in etwa der
Mischung, die CDU/CSU als Schlusslichter im Bundestag bieten.
## Umstrittener Appell: „Piratinnen in den Bundestag“
„Mit solchen Landeslisten bestätigen wir nur [1][Vorurteile gegen unsere
Partei], die so eigentlich gar nicht mehr stimmen“, warnt der Berliner
Landtagsabgeordnete Martin Delius. Längst begegne er überall in der Partei
fähigen Frauen. „Aber wenn es um wichtige Positionen geht, wird dieses
Verhältnis nicht abgebildet.“
Delius will dem nicht länger nur zusehen. Er gehört zu den Unterzeichnern
des umstrittenen Appells „Piratinnen in den Bundestag“ und hat sich
verpflichtet, bei der Nominierung der Berliner Landesliste am kommenden
Wochenende auf die umkämpften ersten vier Listenplätze nur Frauen zu
wählen.
Eigentlich aber geht ihm selbst dieser Appel nicht weit genug. Genau wie
der Berliner Fraktionschef Christopher Lauer plädiert er für eine
Quoten-Regelung. „Eine Quote wäre die fairste Lösung“, sagte Delius der
taz. „Sie löst zwar nicht die Ursachen für die Benachteiligung von Frauen
in Spitzenpositionen, aber wir müssen wenigstens die Symptome bekämpfen.“
Doch in der Partei gehört die Quote zu den Reizthemen. Selbst viele
Piratinnen wollen von dieser Form der Förderung nichts wissen. Sie sehe
„keine strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Piratenpartei“,
versichert auch die Spitzenkandidatin Kalkowski. „In NRW haben wir uns
deshalb bewusst gegen eine Quote entschieden.“ Ihr Landesverband finde
„freie Wahlen wichtig“. Eine Frauenquote – das Ende der freien Wahl?
## Am liebsten gar keine Frau-Mann-Kategorie
Bislang haben sich bei Liquid-Feedback-Voten stets die Quotengegner
durchgesetzt. Ein beliebtes Argument: Die Quote zementiere [2][„binäre
Geschlechterkategorien“]. Und eben dieses Mann-Frau-Denken wollen die
Piraten mit ihrer [3][„Postgender“-Vision] eigentlich überwinden.
Die Idee von einer „Postgender“-Gesellschaft ist sogar im Grundsatzprogramm
verankert. Bewusst zählt die Partei nicht, wie viele Frauen einen
Mitgliedsausweis haben. Ginge es nach den Piraten, müsste sogar der Staat
aufhören, das Geschlecht der Bürger zu erheben. Doch nicht zuletzt der
Blick auf die Kandidatenlisten lässt einige Piraten an dem als progressiv
gehandelten Konzept zweifeln.
„Die Postgender-Idee hat sich zum Teil selbst konterkariert“, urteilt
Michael Melter, einer von mehr als 30 Männern, die sich am kommenden
Wochenende um einen Platz auf der Landesliste in Berlin bewerben. „Sie hat
dazu geführt, dass viele Piraten das Problem ausgeblendet haben.“ Der
53-jährige Politikwissenschaftler hat sich entschlossen, nicht für den
ersten Platz der Berliner Liste zu kandidieren, weil er sich eine Frau auf
diese Position wünscht.
Zugleich befürwortet er eine „intelligente Quote“ – die sich an den
tatsächlichen Zahlenverhältnissen in der Partei orientiert. Doch was nach
einem Kompromissvorschlag klingt, birgt neuen Zündstoff. Schließlich
müssten die Piraten für eine solche Quote anfangen, die Frauen in der
Partei zu zählen. Tschüss Postgender?
Für Delius scheint das Alleinstellungsmerkmal jedenfalls nicht unantastbar.
Die Piraten müssten „zwischen grundsätzlichen politischen Forderungen und
kurzfristigen Zielen“ unterscheiden, sagt der Parlamentarier nüchtern: „Wir
sind ja Nerds, und wenn wir das Thema konsequent angehen wollen, brauchen
wir dafür Daten.“
19 Feb 2013
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## AUTOREN
Astrid Geisler
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