# taz.de -- Kommentar Leistungsschutzgesetz: Ein völlig absurdes Gesetz | |
> Das Leistungsschutzrecht ist beschlossen, Abmahnanwälte können sich | |
> freuen. Ihr Geschäft ist nun sicher. Ob der Bundesrat das Gesetz kippen | |
> wird? | |
Bild: Nur ein Wort, kein Snippet, Glück gehabt. Nicht vom LSR betroffen. | |
Da haben die Presseverleger also nun ihr Leistungsschutzrecht. Ihre | |
Verbände haben Schwarz-Gelb bedrängt, es gab Entwurf um Entwurf – und am | |
Freitag nun verabschiedete der Bundestag ziemlich hektisch einen in letzter | |
Minute nachfrisierten Gesetzestext. | |
Dieses Leistungsschutzrecht, es sollte einst Hüter des so genannten | |
Qualitätsjournalismus werden. So tönten die Verlage. Schutzschild gegen den | |
großen Ausbeuter – die Suchmaschine Google. Aus dem Bundestag heraus kommt | |
nun aber ein Kompromisschen von einem Gesetz, bei dem so lange | |
nachgebessert wurde, bis kaum etwas davon übrig blieb. | |
Und das mehr Rechtsunsicherheit schafft, als es eine angebliche Schutzlücke | |
schließt. Glücklich werden die Verleger damit also nicht werden. Geschweige | |
denn ökonomisch befriedigt. | |
Wenn man an dieser ganzen Posse um das Gesetz überhaupt etwas positiv | |
finden mag, dann wohl, dass die Verleger mit ihrem Versuch, für mangelnden | |
Geschäftssinn auch noch Geld zu bekommen, nicht ohne Weiteres durchgekommen | |
sind. Denn das war der Gedanke dahinter: Statt neue Geschäftsmodelle zu | |
entwickeln, wollten die Verleger einfach mal die Hand bei jemandem | |
aufhalten, dem es gelungen ist, im Netz ziemlich dicke Werbeeinnahmen zu | |
erzielen. | |
## Die Faulheit der Verleger | |
Natürlich ist es im Interesse von Journalisten und einer gut informierten | |
Öffentlichkeit, dass Verlage finanziell so ausgestattet sind, dass sie gute | |
Arbeit leisten können. Und natürlich ist es verdammt schwer, Konzepte für | |
Journalismus im Netz zu entwickeln, über die sich ganze Redaktionen | |
finanzieren können. | |
Nur: Leitet sich daraus ein Recht auf Existenzsicherung ab? Es ist schon | |
eher schlicht, bei dem Laden kassieren zu wollen, der einem inzwischen | |
einen großen Teil der Leser auf die eigenen Internetseiten spült. Und | |
nebenbei ein paar kleinen Internet-Klitschen der Garaus zu machen, die | |
Verlagsinhalte ebenfalls besser auffindbar machen. | |
Und das Ergebnis? Juristen und Oppositionspolitiker verspotten das | |
verabschiedete Gesetz schon jetzt als „Konjunkturprogramm“ für | |
Rechtsanwälte – einfach weil es sehr viel Interpretations- und | |
Verhandlungsspielraum lässt. Wofür genau wie viel an die Verleger bezahlt | |
werden soll, wer überhaupt als Verleger zählt und wie das zu organisieren | |
sei, lässt das Gesetz weitgehend offen. Ebenso wie die Frage, was eine | |
„angemessene“ Beteiligung der Journalisten, also der Urheber der Texte auf | |
Verlagsseiten, sein könnte. | |
## | |
Den größten Klopper leisteten sich die Koalitionäre aber in dieser Woche. | |
In der größten Not, als selbst führende Schwarzgelbe das | |
Leistungsschutzrecht kritisierten, rangen die Regierungsparteien um einem | |
Kompromiss und fand ihn in einem Halbsatz: „einzelne Wörter oder kleinste | |
Textausschnitte“ sind nun vom Leistungsschutzrecht der Verleger | |
ausgenommen. | |
Damit torpedieren die Regierungsparteien das eigentliche Kernstück des | |
Leistungsschutzrechtes – denn das Lizensieren und Abkassieren für Snippets, | |
also kleine Textauszüge, mit denen zum Beispiel Suchmaschinen andeuten, was | |
sich hinter den Links ihrer Trefferlisten verbirgt, war das eigentliche | |
Kernstück des Leistungsschutzrechtes. Um das Kopieren ganzer Texte zu | |
regeln, braucht es diese Regelung nämlich nicht – das tut schon heute das | |
Urheberrecht. | |
Doch der Gesetzgeber drückt sich um eine genaue Definition, wie lang | |
„kleinste Textausschnitte“ sein dürfen, um lizenzfrei zu bleiben. So lang | |
wie ein Anreisser auf Rivva? 250 Zeichen wie die Snippets auf Google News? | |
Oder schon eine markante Überschrift in der URL eines Artikels? Danach kann | |
sich künftig richten, wie viel Erläuterungen Suchmaschinen-Nutzer in | |
Deutschland zu den blanken Links mitgeliefert bekommen. Ob innovative | |
Aggregationsdienste und Startups es sich leisten können, in Deutschland auf | |
den Markt zu kommen oder nicht. Und womit sich Abmahnanwälte demnächst | |
beschäftigen werden. | |
Besser wäre es gewesen, man hätte auf dieses Gesetz einfach komplett | |
verzichtet. Diese Erkenntnis ist sogar in die Reihen der Koalition | |
eingesickert: gut ein halbes Dutzend aus dem eigenen Lager enthielt sich | |
oder stimmte gegen das Gesetz. Darunter vor allem die Netzpolitiker der | |
Fraktionen. | |
## | |
In Frankreich, wo ebenfalls über die Einführung eines | |
Leistungsschutzrechtes diskutiert wurde, hat man vor wenigen Monaten eine | |
ganz andere Lösung gefunden: Hier organisierte die Regierung einen Deal mit | |
Google: Der Suchmaschinenkonzern willigte ein, einmalig 60 Millionen Euro | |
in einen Fonds einzuzahlen, der Projekte für den digitalen Wandel der | |
französischen Medien unterstützen soll – und unterzeichnete eine nebulös | |
gehaltene Erklärung, laut der er den Verlegern helfen will, durch einige | |
seiner Plattformen mehr Geld zu verdienen. | |
Gut daran ist ohne Frage, dass man um ein verkorkstes Gesetz wie in | |
Deutschland herumgekommen ist. Allerdings hat es eben auch einen | |
merkwürdigen Beigeschmack, wenn der Suchmaschinenkonzern den Sugar-Daddy | |
für Verlage gibt – denn: Unterstreichen die Verlage ihre Abhängigkeit von | |
Google, auf dessen Service sie nicht verzichten können, nicht nur noch, | |
wenn sie deren Almosen annehmen? | |
In Deutschland kann man nur hoffen, dass der Bundesrat das Gesetz in den | |
Vermittlungsausschuss verweist. Ganz schlecht stehen die Chancen dafür | |
nicht. Oder irgendwann später einmal die Feuerwehr auch der deutschen | |
Internetgesetzgebung: das Bundesverfassungsgericht. | |
1 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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