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# taz.de -- Initiative gegen Abzockerei: Es geht doch!
> Am Sonntag stimmen die Schweizer wahrscheinlich für das schärfste
> Aktienrecht der Welt. Das Gehalt von Managern soll begrenzt werden.
Bild: „You can't eat money“: Mahnender Hinweis für Topmanager, hier in Dav…
GENF taz | Ein Gehalt von knapp 20 Millionen Euro sollte VW-Chef Martin
Winterkorn in diesem Jahr bekommen. Nach massiver Kritik muss sich der
Topmanager des Autokonzerns nun mit 14,5 Millionen begnügen.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wiederum verlor an Glaubwürdigkeit,
weil er in zwei Jahren 1,6 Millionen Euro an Vortrags- und Buchhonoraren
kassierte.
In der Schweiz würden solche Beträge kaum öffentliche Aufregung
verursachen. Da muss jemand schon auf einen Schlag 72 Millionen Franken (60
Millionen Euro) kassieren. Und das auch noch fürs Nichtstun. So wie Daniel
Vasella, der letzte Woche nach 16 Jahren aus seiner Funktion als
Verwaltungsratspräsident des Basler Chemiekonzerns Novartis ausschied, den
er bis 2010 geleitet hatte.
In seiner aktiven Zeit bei dem Chemiekonzern verdiente Vasella bereits über
400 Millionen Franken. Damit der 59-jährige Manager bis Ende 2018 darauf
verzichtet, für die Konkurrenz zu arbeiten, sicherte Novartis ihm in einem
Geheimvertrag weitere 72 Millionen Franken als „Entschädigungszahlung“ zu.
Als dieser Geheimvertrag Mitte Februar bekannt wurde, gab es in der Schweiz
einen gewaltigen Aufschrei. Seitdem ist klar, dass die bis dahin
umstrittene „Abzockerinitiative“ bei einer Volksabstimmung an diesem ersten
Märzsonntag angenommen wird. Letzte Umfragen sagen eine für nationale
Referenden ungewöhnlich große Mehrheit von mindestens 70 Prozent voraus.
## Die Aktionäre bestimmen das Gehalt
Mit der Abzockerinitiative sollen die Managergehälter in den oberen
„Teppichetagen“ börsennotierter Unternehmen beschränkt werden, indem die
Aktionärsversammlungen jährlich neu über den Gesamtetat der Gehalts- und
Bonuszahlungen an die Topmanager beschließen. Voraus-, Entschädigungs- und
Konkurrenzausschlusszahlungen wie die für Vasella sollen ganz verboten
werden.
Dieser Vorschlag sei ja noch schlimmer, als den Fußballclubs die Zahlung
von Transfer- und Ablösegelder für neue Spieler zu untersagen, jammerte der
Zürcher Anwalt und Titularprofessor für Wirtschaftsrecht, Rolf Walter, noch
letzte Woche in einem Zeitungskommentar. Bei Annahme der Abzockerinitiative
würden „eidgenössische Unternehmen keine ausländischen Spitzenkräfte für
sich gewinnen können“, fürchtet Walter, der als Verwaltungsratsmitglied
mehrerer Schweizer Unternehmen ein üppiges Jahressalär bezieht.
Doch solche Einwände waren längst chancenlos in einer Debatte, die seit
über drei Jahren von immer neuen Nachrichten über schamlose Raffgier in den
oberen Etagen der Schweizer Wirtschaft bestimmt wird. Die Liste der 100
höchstbezahlten Verwaltungsratspräsidenten von Unternehmen mit Sitz in
Europa wurde 2011 und 2012 von fünf Schweizern angeführt: Vasella
(Novartis), Peter Braback-Letmathe (Nestle), Urs Rohner (Credit Suisse),
Franz Humer (Roche) und Dieter Rampi (Unicredit).
Lanciert wurde die Initiative gegen Abzockerei nicht von linken
Gruppierungen, sondern dem konservativen mittelständischen Zürcher
Unternehmer Thomas Minder. Minder ist parteilos, kooperiert als
Abgeordneter im Schweizer Parlament, dem Nationalrat, aber mit der Fraktion
der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP). Deren Übervater und
Chefstratege Christoph Blocher scheiterte mit dem Versuch, die SVP auf die
Ablehnung der Abzockerinitiative festzulegen. Mehrere Kantonssektionen
seiner Partei stellten sich hinter die Initiative.
Auch andere Parteien, Verbände und die Gewerkschaften sind gespalten.
Geschlossen unterstützt wird die Initiative nur von den Schweizer
Sozialdemokraten (SP) und den Grünen. Doch auch auf der politischen Linken
außerhalb wie innerhalb der SP gibt es Kritik: Die Initiative sei
„populistisch“ und stärke die Rechte und Einkommenschancen der Aktionäre,
die die bisherigen Lohnexesse der Topmanager immer kritiklos abgenickt
haben.
SP-Chef Christian Levrat räumte ein, dass „die Abzockerinitiative allein
noch keine wesentlichen Änderungen bringen wird“. Doch gebe sie „der
Bevölkerung die Möglichkeit, ein Signal zu setzen gegen eine
besorgniserregende Öffnung der Lohnschere in der Schweiz, die
explosionsartige Zunahme der Höchstlöhne und die krasse Konzentration der
Vermögen bei ein paar wenigen“.
Damit, sagt Levrat, verbesserten sich die Chancen für geplante
Volksinitiativen von SP und Grünen zur Einführung eines Mindestlohns und
zur Begrenzung der Höchsteinkommen von Topmanagern auf das Zwölffache des
in einem Unternehmen gezahlten Durchschnittslohns. Ob diese weiterführenden
Ziele von denen, die am Sonntag Ja zur Abzockerinitiative sagen, auch
unterstützt werden, wird sich zeigen.
## Sieg gegen Wirtschaftslobby
Der absehbare Sieg der Abzockerinitiative wird auf jeden Fall eine
Niederlage historischen Ausmaßes für den einst allmächtigen Schweizer
Wirtschaftsverband Economiesuisse sein. Er vertritt rund 100.000
Unternehmen aus 100 Branchenverbänden sowie 20 kantonalen Industrie- und
Handelskammern.
Aus ihrer Kriegskasse steckte die „Economiesuisse“ mehr als acht Millionen
Franken in den Abstimmungskampf gegen die Abzockerinitiative. Deren
Unterstützungskomitee hatte nur 200.000 Franken zur Verfügung. Auch vor
manipulativen Methoden schreckte die „Economiesuisse“ nicht zurück. Sie
bezahlte StudentInnen dafür, unter falschen Namen Onlineleserbriefe und
-kommentare gegen die Abzockerinitiative zu verfassen.
Der letzte Schlag gegen die Initiative sollte ein apokalyptisches Kurzvideo
sein, für das sich der Schweizer Regisseur Michael Steiner von der
„Economiesuisse“ einspannen und bezahlen ließ. Das Video zeigt eine völlig
verarmte Schweiz zwanzig Jahre nach Annahme der Abzockerinitiative und
Schweizer Wirtschaftsflüchtlinge, die in Süddeutschland Asyl suchen. Nach
Kritik in den eigenen Reihen verzichtete die „Economiesuisse“ auf die
Ausstrahlung.
2 Mar 2013
## AUTOREN
Andreas Zumach
Andreas Zumach
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Volksabstimmung
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Abzocke
Einkommensverteilung
Schwerpunkt Angela Merkel
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Schwerpunkt Finanzkrise
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