# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Grün oder Merkel? Ach, nö. | |
> Mal eine ganz grundsätzliche Frage zur Bundestagswahl 2013: Soll | |
> Kanzlerin Angela Merkel wirklich weg? | |
Bild: Noch mal vier Jahre? Das ist doch nicht euer Ernst. Na gut. | |
Ich wollte über Zukunftsentwürfe reden, aber mein Gesprächspartner war ein | |
langjähriger bürgerlicher Spitzenpolitiker. „Zukunftsentwürfe?“, fragte … | |
erstaunt. Tenor: Wie naiv bist du denn? „Bei der Bundestagswahl geht es | |
doch nicht um unterschiedliche Zukunftsentwürfe.“ Die Frage sei allein: | |
Soll Merkel es noch mal vier Jahre machen? „Da wird kaum einer nein sagen“, | |
sagte ich. Er nickte. | |
Es gibt selbstredend ein paar Leute, die angesichts der strukturellen | |
Ungerechtigkeiten sagen: Die Frau muss weg. Erstens. Und zweitens: | |
Steinbrück, dieser Ungerechtigkeitsapostel, darf es auch nicht werden. Die | |
Kraft wäre doch toll! Frau und so. Dieses glückliche Leiden in der | |
Irrealität der Über-Ich-Moralisten ist gerade auch in einem Teil der | |
aufrechten Grünen verbreitet. Motto: Realität? Ohne mich. | |
Weil den Grünen aber grundsätzlich nicht wohl ist mit Steinbrück und sie | |
die ganze SPD nicht „immer so toll finden“ (Wahlprogramm), haben sie ihrer | |
Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt den Slogan „Grün oder Merkel“ | |
zugeteilt. | |
Hä? | |
## Lieber so tun als gäbe es Steinbrück nicht | |
Auf die Frage, ob Merkel den Kanzlerposten räumen soll, antwortet der | |
Deutsche laut MRG-Institut (mein repräsentatives Gefühl): „Och, nö. Lieber | |
nicht.“ Das gilt auch für Deutschlands wichtigsten Grünen. | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat gerade gesagt: „Mit Merkel habe | |
ich keine wirklichen Probleme“. | |
Wäre die Alternative „Kretschmann oder Mappus“, „Grün oder FDP“, | |
„Göring-Eckardt oder Kristina Schröder“, dann würde das im Kleinen echte | |
Gefühle bedienen. Die Alternative „Grün oder Merkel“ trifft dagegen den | |
Zeitgeist so rasant nicht. | |
Es ist ja nachzuvollziehen, dass man lieber so tut, als gäbe es Steinbrück | |
und die unglückliche Partei gar nicht, mit der man nach der Wahl exklusiv | |
regieren würde. Und dass man einen knackigen Gegensatz erfinden muss, folgt | |
dem angeblichen Mangel an geistig-kultureller Flexibilität in der (eigenen) | |
Wählerschaft. | |
Wo kämen wir denn da hin, wenn die Probleme des 21. Jahrhunderts – von der | |
Gerechtigkeit abgesehen – nicht mehr im Links-rechts-Schema zu denken | |
wären? Man müsste sich womöglich genauso Sorgen über die Kohle-Lobbyistin | |
Hannelore Kraft machen wie über Merkel. | |
## Ergebnis: immer Merkel | |
Aber das große Bedürfnis 2013, da hat mein Gesprächspartner recht, ist | |
nicht das grandiose Aufreißen von Perspektiven, sondern das Festhalten am | |
Status quo. Und bitte nicht schrill werden. Wir leben in einer | |
Merkel-Phase. Weil-Phase, Kretschmann-Phase, Göring-Eckardt-Phase. So kommt | |
es, dass die Grünen – weil sie sich ansonsten schön ruhig verhalten – | |
derzeit relativ gut dastehen mit ihrem perspektivlosen Grün oder | |
Merkel-Wahlkampf. | |
Womöglich kann der Slogan Moralwähler mobilisieren. Wähler aber, deren | |
Priorität es ist, dass die Grünen real regieren – etwa um der bedrohten | |
Energiewende willen – werden demobilisiert. Wähler, die Grüne und Merkel | |
relativ okay finden, werden zu Merkel geschoben. Denn: Da die SPD die | |
Linkspartei ausschließt und damit selbst ein toleriertes Rot-Grün, kommt am | |
Ende wahrscheinlich Schwarz-Rot raus. Was bedeutet: Es wird noch stiller in | |
diesem Land. | |
Egal, ob einer Grün wählt oder Merkel: Das Ergebnis ist immer Merkel – ohne | |
Grün. Wer SPD wählt, kriegt auch Merkel, aber ist immerhin dabei. Wer | |
Totenstille verhindern will, muss schon FDP wählen. Und dann kommt auch | |
Merkel raus. | |
2 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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