# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Facebook statt Obama | |
> Das Silicon Valley in Kalifornien ist einer der bedeutendsten | |
> Technologiestandorte der Welt. Aber sind die Unternehmer auch politisch | |
> interessiert? | |
Bild: Like? Zu Hause bei Facebook in Kalifornien | |
Draußen zogen die Campustouristen enthusiastisch schwitzend am Fenster | |
vorbei, als ich meinen Gesprächspartner mit der einen Frage konfrontierte. | |
Aus der Tiefe des Raumes. Ansatzlos. „Und wer rettet die Welt?“ | |
Er gab mir einen Blick, den ich frei übersetze mit: Was ist denn das jetzt | |
für eine Frage? Es ist eine beschissene Frage, aber sie stellt sich nun mal | |
und wo sollte man eine Antwort erhoffen dürfen, wenn nicht in Stanford? | |
Also, bitte: Woher kommt das Neue, das uns die heraufziehenden Energie-, | |
Ernährungs-, Flüchtlings- und Klimakriegskrisen des 21. Jahrhunderts | |
meistern lässt – aus Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft, genauer gesagt: | |
durch Technologie? | |
Kurze Pause. Dann wedelte mein Gesprächspartner mit der Hand Richtung Palo | |
Alto, Menlo Park und Mountain View. „Silicon Valley, also?“, fragte ich. | |
Der New Yorker hat vor ein paar Wochen eine jener Geschichten publiziert, | |
für die Magazine gemacht werden. 60.000 Zeichen beziehungsweise 10.200 | |
Worte. Und keinen Satz zu lang. | |
Es geht um die Frage, ob die Unternehmer des Silicon Valley jenseits ihrer | |
wunderschönen Slogans ernsthaft politisch und gesellschaftlich engagiert | |
sind. Darin wird auch beschrieben, dass und wie die Technologie-Unternehmen | |
San Francisco übernommen haben, dessen dominierendes Motto heute sei: Was | |
gut ist für die Tech-Industrie, ist auch gut für die Stadt. | |
Das ist das Denken, das die regierenden Grünen in Stuttgart mit der | |
dortigen Automobilindustrie verbindet. Nur in technologisch modern. Dass | |
die digitale Gesellschaft nicht nur als Freiheitsgewinn, soziale Teilhabe | |
und Bürgerrevolution zu verstehen ist, weiß man schon länger und im Grunde | |
auch, dass man sich beim Mailverkehr das „CC Obama“ sparen kann. Aber im | |
Gegensatz zur alten Industrie hat man den neuen Unternehmen aus dem Silicon | |
Valley eine soziale Dimension fast schon erschreckend naiv und beharrlich | |
abgenommen. | |
Im New Yorker wird erzählt, wie der Gründer eines sozialen Netzwerkes | |
anlässlich seines Geburtstages ein millionenteures Fest in einem Schloss | |
steigen lässt. Die Gäste müssen nur eine Bedingung erfüllen: Sie dürfen | |
niemanden an der Party teilhaben lassen: Facebook, Fotos, Tweets | |
strengstens verboten. Kommt ein bisschen unauthentisch, wenn man sein Geld | |
mit dem Versprechen einer grenzenlosen Teilhabe gemacht hat. | |
„Na ja, der New Yorker“, sagte mein Gesprächspartner. Er habe ihn | |
selbstverständlich auch abonniert. Aber es gehöre zum Kanon einer | |
New-York-orientierten Kultur, den Westen und das Silicon Valley skeptisch | |
zu sehen. Was stimme: Die Valley-Jungs seien nicht wirklich politisch | |
interessiert. Allerdings auch nicht ökonomisch. „Nein?“, fragte ich. | |
Er erzählte, was man über einen abgestürzten Unternehmer sage. „He’s sti… | |
safely over a billion.“ Ihm ist immer noch eine gute Milliarde geblieben. | |
Solchen Leuten gehe es nicht mehr um Geld. Sondern um Technologie und | |
Innovation. Aber wenn die Politik wirklich etwas will, reagieren sie wie | |
die alte Industrie und sagen: Lasst mich bloß in Ruhe. Sonst China. | |
Andererseits ist auch verständlich, dass man von der Politik nicht mehr | |
viel erwartet, wenn man in Kalifornien lebt. Und wie mühsam und ambivalent | |
echte Politik ist, sieht derjenige, der es nicht wusste oder verdrängt | |
hatte, ja an Obama. Das Hoffen auf Technologie kann man so gesehen auch als | |
abgeklärte Verzweiflung verstehen. | |
5 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
## TAGS | |
taz.gazete | |
Barack Obama | |
Schwerpunkt Facebook | |
Silicon Valley | |
Fernsehen | |
Erfolg | |
Energiewende | |
Heinrich-Böll-Stiftung | |
Marina Weisband | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Die eine Frage: Du bist der Killer | |
Fernseher an, drei Stunden Lebenszeit weggucken – OK. Nur sollte man dazu | |
stehen und nicht ARD und ZDF für sein tristes Leben verantwortlich machen. | |
Kolumne Die eine Frage: Der Herr der Zeit ist sterblich | |
Sollte man die Zeit vergessen, Giovanni di Lorenzo? Ein Gespräch in der | |
Sommerlounge mit dem Chefredakteur der Zeit. | |
Kolumne Die eine Frage: Altmaier blockiert absichtlich | |
Musste Umweltminister Röttgen gehen, weil er die Engergiewende wollte? | |
Vielleicht hat ja die Buchautorin Claudia Kemfert eine Antwort. | |
Kolumne Die eine Frage: Grüner Showdown | |
Ist Harald Welzer ein Fantast, Herr Fücks? Ein Besuch in der | |
Heinrich-Böll-Stiftung, im obersten Stockwerk des grünen Denkens. | |
Kolumne Die eine Frage: Sie ist leider gegen Gewalt | |
Was für eine Revolution schwebt Ihnen vor, Marina Weisband – eine mit der | |
Waffe in der Hand? | |
Kolumne Die eine Frage: Grün oder Merkel? Ach, nö. | |
Mal eine ganz grundsätzliche Frage zur Bundestagswahl 2013: Soll Kanzlerin | |
Angela Merkel wirklich weg? |