| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Sie ist leider gegen Gewalt | |
| > Was für eine Revolution schwebt Ihnen vor, Marina Weisband – eine mit der | |
| > Waffe in der Hand? | |
| Bild: Liquid Personality: Marina Weisband. | |
| Mal abgesehen von „nö“, „jo“ und „Generation“, könnte „Revoluti… | |
| Lieblingswort von Marina Weisband sein, 25 Jahre alt, aufgewachsen in Kiew | |
| und Wuppertal, Exgeschäftsführerin der Piratenpartei und | |
| Bildungspolitikerin. „Revolution“ muss auf jeden Fall sein. In der BamS | |
| sagte sie sogar: „Wenn ich noch einmal in die Ukraine zurückgehen sollte, | |
| dann nur, um dort Revolution zu machen.“ | |
| Weil das Wort ja oft und gern eingesetzt wird, fragte ich im taz.studio bei | |
| der Leipziger Buchmesse nach. Was für eine Revolution schwebt Ihnen denn | |
| genau vor, Frau Weisband, eine mit der Waffe in der Hand? | |
| „In der Ukraine könnte das eine bewaffnete Revolution sein, ja“, sagte | |
| Marina Weisband. Allerdings gebe es ein Problem: „Ich bin | |
| konstitutionsmäßig nicht so super und leider auch gegen Gewalt, das stört | |
| mich bei meinen Umsturzplänen.“ Was Deutschland angeht, steht sie auf den | |
| Rechtsstaat. „Wenn wir eine Revolution machen, dann findet die in Köpfen | |
| und an Schulen statt.“ | |
| ## Leider keine Weltformel | |
| Und was kommt nach der Revolution, die offenbar eher eine Evolution ist? | |
| „Weiß ich nicht, das müssen die Menschen unter sich klären. Ich würde ja | |
| gegen meine Ideale verstoßen, wenn ich sagen würde: So oder so wird die | |
| Welt aussehen.“ Sie habe leider keine Weltformel. Wer Antworten verspreche, | |
| sei doch auch nur einer von denen da oben. Es gehe darum, dass viele sich | |
| trauten, ihre Thesen zu formulieren. Dann könne man darüber abstimmen. | |
| Tja. Sie hat großartige Momente hinbekommen, etwa als sie in einer | |
| Fernsehsendung den Bild-Chef anrief und ihm sagte, was er künftig zu tun | |
| habe. Nämlich weiterdrucken, was „zur Hölle“ er wolle, denn wir seien ein | |
| freies Land. So viel Linksliberalität muss man erst mal haben. Sie sollte | |
| auch für jene Journalisten gelten, die Weisband von oben herab verdammen | |
| für ihren unkonkreten „Teenager-Rousseauismus“. Sogar für die, die ihr in | |
| den Arsch kriechen und von dort japsen, wie sehr diese Gesellschaft sie | |
| brauche. | |
| Vielleicht stimmt das ja. Irgendwie. Sie hat Wirkungsmacht im Sinne | |
| Luhmanns, weil die Leute ihr zuhören wollen. Ihre Forderung nach | |
| Plattformneutralität, also gleichem, diskriminierungsfreiem, | |
| nichthierarchisiertem Zugang zu Geld und Bildung, aber auch zu Politik, ist | |
| ein schöner Gedanke. | |
| ## "Wir nennen es Politik" | |
| Sie glaubt an den Menschen und daran, dass er durch Aufklärung mündig | |
| werden kann, aber die Reaktion ihrer Twitter- und Parteifreunde auf ihre | |
| Denkversuche ist häufig nur dumm, diskriminierend, sexistisch und | |
| antisemitisch. Das macht sie „superfertig“, und wie das die Gesellschaft | |
| voranbringen soll ist „ein Widerspruch“, den sie stehen lässt. Sie klagt in | |
| ihrem Buch „Wir nennen es Politik“ ausgiebig über Medien, die sie auf ihr | |
| Aussehen reduzieren. Und lässt sich dann für die Promotion von Springer als | |
| „rotlippige Tango-Sexbombe“ (meedia) fotografieren. Womit sie immerhin das | |
| Schlimmste verhindert; eigentlich sollte sie sich in eine Badewanne setzen. | |
| Kurzum, Marina Weisband ist eine Liquid Personality. Wie wir alle. Nur | |
| widerständig, gemeinwohlorientiert, komplett unzynisch. Aber was folgt | |
| daraus? Das kann ich Ihnen sagen: Etwas anderes. Ich weiß zwar nicht, was, | |
| und Stefan weiß es auch nicht und Klaus schon gar nicht. Aber das ist gut, | |
| denn wenn wir es zu wissen glaubten, wären wir doch nur besserwisserische | |
| Grüne. Aber wir werden es herausfinden. Zusammen mit euch. | |
| 7 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
| ## TAGS | |
| Marina Weisband | |
| Piratenpartei | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |