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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Du bist der Killer
> Fernseher an, drei Stunden Lebenszeit weggucken – OK. Nur sollte man dazu
> stehen und nicht ARD und ZDF für sein tristes Leben verantwortlich
> machen.
Bild: Und überall läuft der gleiche Mist...
Als ich nach längerer Abwesenheit in Berlin den Fernseher einschaltete, sah
ich Sonja Zietlow, Wigald Boning, Elton, Ulla Kock am Brink, Wayne
Carpendale, Barbara Schöneberger, Alice Schwarzer. Und eine
Pornoschauspielerin. Alle in öffentlich-rechtlichen Gesprächsrunden. Da
hätte ich doch sofort dramatisch ausrufen müssen: Ist das noch unser
Fernsehen? Ich aber dachte: so what.
Wie konnte es so weit kommen?
Es begann so: Wir kamen in dieses kalifornische Haus und sahen das
Fernsehgerät. Es riesig zu nennen wäre schwer untertrieben. Wir also
sofort: Na, die haben es nötig. Je größer der Kasten, desto kleiner der
intellektuelle Radius, das weiß jeder.
Aber sie hatten es gar nicht nötig. Sie hatten Netflix. Großes Kino.
Mit Netflix kann man sich Filme und Serien nach Haus streamen. Für 7,99
Dollar im Monat. Netflix produziert sogar eigene Serien. „House of Cards“
mit Kevin Spacey hat gerade neun Emmy-Nominierungen bekommen. „Orange is
The New Black“ gilt als noch besser. Jedenfalls genossen wir diese
Gegenwartskultur plötzlich nicht mehr nach dem Motto: Was kommt? Die Frage
war: Was wollen wir sehen?
Es gibt selbstverständlich Menschen, die längst eigene Wege des
Konsumierens von bewegten Bildern gehen. Jüngere sowieso. Aber die gelebte
Mehrheitskultur in Deutschland hat sich seit den 50ern nicht verändert:
Irgendwann setzt man sich vor den Fernseher und schaut mal. Das am
wenigsten Störende lässt man dann laufen. Ich am Ende doch ’nen alten
„Tatort“.
Man sieht nicht fern, um etwas zu sehen, sondern um zu fernsehen. Also, um
nichts sehen zu müssen. Vermutlich gilt das auch für den Konsum der
Nachrichtenformate. Fernsehen ist eine „time killing machine“, wie Anke
Engelke diese Woche in der FAZ sagt. Aber der Killer ist nicht das Gerät,
sondern immer der, der guckt.
Daraus folgt? Man kann jederzeit sagen: Alles ist so mühsam, ich nehme
abends, was im Fernsehen kommt, und schaue drei Stunden Lebenszeit weg. Nur
sollte man dazu stehen und nicht ARD und ZDF für sein tristes Leben
verantwortlich machen. Klar, den neuen Dokumentarfilm über Angela Davis
hatten weder Netflix noch unser Videoladen. Und ich wünsche mir auch
Gesprächsrunden mit Menschen, die neue Gedanken haben und neue Geschichten
erzählen können. Als moderner Bürger oder gar moderner Linker hat der
Mensch selbstverständlich ein Interesse, dass öffentliche Gelder dem
Gemeinwesen möglichst Gutes bringen. Aber da wir Gott sei Dank in einer
Demokratie leben, kann ja wohl keine humanistische Wissenselite
entscheiden, was gut ist. (Sonst hätten wir auch eine echte Energiewende.)
Ich kann mich jedenfalls in diesem Bereich getrost individuell aktivieren,
ohne die Solidargemeinschaft zu verraten, und mir meinen eigenen Mix
bewegter Bilder zusammenstellen, inklusive Frau Engelke, Sonntags-„Tatort“
und – na ja – dem „Aktuellen Sportstudio“. Wenn ich den Arsch hochkrieg…
heißt das.
Die erste und einzige Frage, die man sich beim Reinstarren stellen muss,
lautet jedenfalls nicht: Ist das noch unser Fernsehen? Sondern: Bin das
noch ich?
26 Jul 2013
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Fernsehen
Fernsehen
Serien
Peter Altmaier
USA
taz.gazete
Erfolg
Energiewende
Heinrich-Böll-Stiftung
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