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# taz.de -- Weltpremiere vor dem Genfer Autosalon: Protest in der heilen Autowe…
> Nissan-Arbeiter aus den USA prangern vor dem Autosalon in Genf ihre
> Arbeitsbedingungen an. Auch Vorwürfe gegen deutsche Hersteller gibt es.
Bild: Der japanische Autokonzern Nissan versucht in den USA die Gewerkschaftsre…
GENF taz | Auf dem 83. Genfer Autosalon, der am Dienstag für zehn Tage
seine Tore öffnete, werden wie alljährlich „Welt-, Europa- und
Schweizpremieren“ neuer Kfz-Modelle gefeiert. Doch diesmal gibt es eine
Premiere ganz anderer Art. Erstmals kommen auch die Bedingungen zur
Sprache, unter denen die auf dem Salon präsentierten Autos hergestellt
werden
Vor dem Eingang des Messegeländes Palexpo demonstrieren seit Dienstag und
bis einschließlich Sonntag Arbeiter aus dem Nissan-Werk in Canton im
US-Bundesstaat Mississippi gegen die Beschneidung ihrer Menschen-und
Gewerkschaftsrechte durch den zweitgrößten japanischen Autokonzern.
Unter dem Motto „Was unter dem Lack ist“ informieren die Nissan-Arbeiter
auch im Internet über die Gründe ihres Protests.
Seit Eröffnung der Fabrik in Canton im Jahr 2003 hat die Firmenleitung
verhindert, dass sich die inzwischen knapp 4.500 Beschäftigten in der
amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft United Auto Workers (UAW)
organisieren und der UAW das Mandat für kollektive Verhandlungen mit der
Firmenleitung über Löhne und Arbeitsbedingungen erteilen.
Diese „collective bargaining rights“ sind Kernstück der
Arbeitsgesetzgebung. Die US-Industriearbeiter hatten sie in der ersten
Hälfte des letzten Jahrhunderts nach harten und blutigen
Auseinandersetzungen durchgesetzt.
Nun werden sie auch den Beschäftigten in den beiden Nissanfabriken in
Smyrna und Decherd im Bundesstaat Tennessee vorenthalten.
## Gewerkschaften zurückdrängen
Die Methoden der Konzernleitung sind subtil: Nissan-Manager drohen
Arbeitern in Einzelgesprächen mit Jobverlust und der Schließung des Werks,
sollte die UAW in Canton erfolgreich sein. Dieselbe
Einschüchterungsbotschaft wird per Video auf dem Werksgelände verbreitet.
Zugleich kürzt die Firmenleitung Sozialleistungen und stellt immer mehr
Kurzarbeiter mit jederzeit kündbaren Verträgen ein, die für weniger Geld
die gleiche Arbeit verrichten wie ihre Kollegen mit festen Verträgen.
Derartige Drohungen sind in den strukturschwachen Südstaaten der USA
besonders wirksam. In den ehemaligen Hochburgen der Sklaverei und der
rassistischen Unterdrückung der afroamerikanischen Mehrheitsbevölkerung
herrscht im US-weiten Vergleich die höchste Arbeitslosigkeit. Die Löhne und
der gewerkschaftliche Organisationsgrad sind am niedrigsten.
## Gesetzte gegen Gewerkschaften
Zementiert wird diese Situation durch Antigewerkschaftsgesetze, die in den
letzten 30 Jahren in allen Südstaaten verabschiedet wurden, sowie durch
offen gewerkschaftsfeindliche Regierungspolitiker wie zum Beispiel den
derzeitigen republikanischen Gouverneur von Mississippi, Phil Bryant.
Großes Interesse an der Aufrechterhaltung dieser sogenannten günstigen
Standortbedingungen in Amerikas Süden haben auch die drei deutschen
Autokonzerne mit Produktionsstätten in den USA.
Den rund 2.300 Beschäftigten im VW-Werk in Chattanooga (Tennessee) wie den
Arbeitern in den beiden Daimler-Fabriken in Vanca (Alabama) und Cleveland
(North Carolina) sowie bei BMW in Greer (South Carolina) wurde bis heute
die Wahrnehmung ihrer Gewerkschaftsrechte verwehrt mit ähnlich subtilen
Methoden wie bei Nissan.
## Drohungen an Gewerkschaftler
In den beiden Daimlerwerken etwa wurde die Belegschaft vergangenes Jahr mit
dem Gerücht eingeschüchtert, nach einer Gewerkschaftsgründung würde die UAW
arbeitslose und daher besonders billige Facharbeiter aus der einstigen
Automobilmetropole Detroit in den Süden bringen.
Laut Indizien, die den Gewerkschaften in den USA und in Deutschland
vorliegen, haben sich die drei deutschen Autokonzerne darauf verständigt,
ihre Fabriken in den USA auf Dauer gewerkschaftsfrei zu halten.
Die Demonstranten in Genf und ihre gewerkschaftlich aktiven KollegInnen im
Nissan-Werk in Canton werden inzwischen von einer breiten Koalition von
BürgerrechtsaktivistInnen, Kirchenführern, Studenten und PolitikerInnen
unterstützt. Die Allianz will auch den GewerkschaftsaktivistInnen im Süden
der USA den Rücken stärken.
6 Mar 2013
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Autokonzerne
Gewerkschaft
Arbeiter
Daimler
Volkswagen
BMW
USA
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