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# taz.de -- Diskussion um Satire: Kabarettist mit Brezel bedroht
> Warum muss den Religiösen jemand sagen, wann sie beleidigt sein sollen?
> Lernen Christen das von Muslimen? Ein Gespräch über Satire.
Bild: Wütende Proteste gab es gegen dieses Motiv des Erlösers. Allerdings ers…
BERLIN taz | Letzte Woche wurde Klaus Staeck, Präsident der Akademie der
Künste, 75 Jahre alt. Der politisch-satirische Plakatkünstler bat zum
Geburtstagsplausch. Anlass war, dass der dänische Karikaturist Kurt
Westergaard im vorigen Jahr nur mit Sicherheitsleuten eine Retrospektive
des Staeckschen Werks im dänischen Aarhus besuchen konnte.
Westergaard war einer der Zeichner der so genannten Mohammed-Karikaturen,
er skizzierte den Propheten mit Turbanbombe. Wegen des Bildchens wird er
noch immer bedroht, ein Axt-Attentäter widerlegte 2010 sehr eindrucksvoll
das Diktum, Kunst könne nichts bewirken. Den angekündigten Auftritt in
Berlin verhinderte jedoch ganz schnöde der Gesundheitszustand des
77-Jährigen.
Sichtlich fit dagegen der 85-jährige Dieter Hildebrandt, der lässige
österreichische Karikaturist Gerhard Haderer und Martin Sonntag von der
Caricatura in Kassel. Moderiert wurde die Runde von der ehemaligen
taz-Chefredakteurin Bascha Mika.
## Grenzen der Satire
Zwar mochte sich künstlerisch niemand für das Bomben-Bild in die Bresche
werfen, aber umso mehr für die Freiheit der Kunst, der Meinungsäußerung und
damit, so Staeck in hehrem Ernst, für die Demokratie an sich. Jedenfalls
dürfe Satire ihre Grenzen nicht finden, weil irgendwer sich in
irgendwelchen Gefühlen verletzt fühle. „Sonst könnten wir gleich alle
Bilder abhängen“, wie Sonntag anmerkte, der sich allerdings vor Gericht
genau darüber wird auseinandersetzen müssen.
Denn eine Jesus-Karikatur am Gebäude der Caricatura – ein unsichtbarer
Herrgott spricht da zu seinem Sohn am Kreuz die harten Worte „ Ey … du …
Ich hab deine Mutter gefickt“ – führte unlängst zu wütenden Protesten
aufgebrachter Christenmenschen; nach Anforderung durch einen Oberhirten,
davor hatte sich wochenlang niemand an dem hausgroßen Plakat gestört.
So sind sie eben, die sensiblen gläubigen Seelen: Erst muss ihnen mal
jemand sagen, was sie eigentlich verletzt, wie einst auch bei den dänischen
Mohammed-Bildern.
Zwar konnte jeder der Diskutanten über bizarre Anfeindungen berichten, von
Gotteslästerungsprozessen bis zu Kartons voller Schmähbriefe, aber
ernsthaft beunruhigt wirkten sie nicht: In Bayern habe Hildebrandt
lediglich mal jemand mit erhobener Brezel gedroht.
## Andere Stimmung
Trotzdem ist der Karikaturenstreit nicht spurlos vorübergegangen. Seit 2005
habe sich die Stimmung hierzulande geändert. Keineswegs hauptsächlich durch
beleidigte Muslime, vielmehr jammerten jetzt auch Christen bei allem, was
ihnen nicht passe, von verletzten religiösen Gefühlen, „da haben die
richtig was gelernt“, sagte Sonntag.
Und seit dieser Zeit ebenso unvermeidbar die stereotype Klage: Mit den
Moslems hättet ihr euch das nicht getraut! Was der Vierjährigen nach Freud
der Penis-, ist den Jan Fleischhauers, Hendryk M. Broders und Franz Josef
Wagners also der Dschihad-Neid.
Das hätte auch Westergaard nicht gewollt. Der via Videobotschaft zur
Kernfrage, über wen man denn nun Witze machen dürfe, anmerkte: „Dass wir
unsere muslimischen Mitbürger satirisch darstellen, bedeutet nicht
Exklusion, sondern Inklusion.“ Dann also auch Witze über Behinderte?
Hier wanden sich die durchsozialdemokratisierten Herren Staeck und
Hildebrandt ein wenig, letztlich sei der edelste Auftrag der Satire, die
Machtlosen gegen den Übermut der Mächtigen in Schutz zu nehmen, da müsse
jeder Künstler seine eigene Verantwortung prüfen. Also doch Grenzen? Martin
Sonntag: „Selbstverständlich. Die Grenzen der Satire liegen dort, wo die
Titanic sie setzt.“
Und in diesem zwar mit Schmunzelanekdoten durchsetzten, aber letztlich eher
unkomischen Gespräch folgte nun doch ein wirklich lustiger Moment, als
Bascha Mika angesichts dieser Antwort fast vom Stuhl fiel.
Immerhin. Und es tut sich was in der deutschen Satire-Diskussion: Tucholsky
wurde kein einziges Mal erwähnt.
6 Mar 2013
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Satire
Titanic
Mohammed-Karikaturen
Vatikan
Dieter Hildebrandt
Sat.1
Papst Benedikt XVI.
Christian Ulmen
Volksmusik
Mohammed
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