# taz.de -- Rechtsanwalt über umstrittene Deals: „Wie auf dem Basar“ | |
> Der Freiburger Rechtsanwalt Klaus Malek spricht zum Strafverteidigertag | |
> über die Häufung abgesprochener Urteile in Verfahren und falsche | |
> Geständnisse. | |
Bild: Vor allem bei komplexen Wirtschaftsverfahren wird zwischen Staatsanwaltsc… | |
taz: Herr Malek, an diesem Wochenende findet in Freiburg der bundesweite | |
Strafverteidigertag statt. Ein Hauptthema sind die „Deals“ in | |
Strafprozessen. Wie oft haben Sie als Anwalt schon ein Urteil mit dem | |
Gericht ausgehandelt? | |
Klaus Malek: In meiner 30-jährigen Tätigkeit als Strafverteidiger dürften | |
das wohl deutlich mehr als hundert sogenannte Verständigungen gewesen sein, | |
bei insgesamt rund drei- bis viertausend Strafprozessen. Allerdings nimmt | |
die Häufigkeit zu. Am Landgericht endet zurzeit etwa jeder dritte Fall, in | |
dem ich verteidige, mit einem Deal. | |
Wo findet so eine Verständigung statt? Im Sitzungssaal? | |
Nein, in der Regel trifft man sich im richterlichen Beratungszimmer, ohne | |
Öffentlichkeit. Beteiligt sind nur das Gericht, der Staatsanwalt und der | |
Verteidiger. Selbst der Angeklagte ist in aller Regel nicht dabei, obwohl | |
das Gesetz dies nicht ausschließt. Die Öffentlichkeit wird hinterher nur | |
kurz über das Ergebnis informiert. Transparenz sieht anders aus. | |
Und wie läuft so ein Deal ab? | |
Im Kern passiert folgendes: Das Gericht sagt, welche Strafe nach dem | |
bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ungefähr möglich wäre – wenn der | |
Angeklagte ein Geständnis ablegt. Die Verteidigung versucht, das Gericht | |
noch weiter herunterzuhandeln, mit dem Argument, dass der Angeklagte sonst | |
nicht mitmacht und dann ein langer Prozess erforderlich ist. Es ist leider | |
manchmal wie auf dem Basar. | |
Welchen Strafnachlass gibt es für ein Geständnis? | |
Das sind nach meiner Schätzung typischerweise zwanzig bis fünfundzwanzig | |
Prozent im Vergleich zu einer Verurteilung ohne Geständnis. Nach meiner | |
Erfahrung wird ein Geständnis im Rahmen eines Deals vom Gericht mehr | |
honoriert als ein frühzeitiges reuiges Geständnis aus freien Stücken – | |
obwohl das eigentlich mehr wert sein sollte. In vielen Fällen kommt es aber | |
gar nicht auf die absolute Höhe des Strafnachlasses an. Ziel ist oft nur, | |
die Strafe auf zwei Jahre oder weniger zu drücken, weil dann noch eine | |
Aussetzung zur Bewährung möglich ist. | |
Bei welchen Delikten kommen Deals vor allem vor? | |
Bei aufwendigen Wirtschafts- und Drogenverfahren. Bei Mordprozessen gibt es | |
dagegen in der Regel keine Verständigung über das Urteil, weil das die | |
Öffentlichkeit nicht akzeptieren würde und hier ein absolutes Strafmaß | |
gilt, das nicht verhandelbar ist. Außerdem sind Mordfälle im Normalfall | |
auch nicht die Prozesse, die am meisten Arbeit machen. | |
Sind die ausgehandelten Strafen in der Regel schuldangemessen? | |
Wenn ich ein rechtsstaatliches Verfahren will, genügt es nicht zu sagen: | |
Bei einem wie auch immer ausgehandelten Urteil kommt ungefähr das Gleiche | |
heraus wie bei einer richtigen Beweisaufnahme. | |
Sind ausgehandelte Urteile eher zu mild oder eher zu hart? | |
Von zu milden Urteilen habe ich noch nichts bemerkt. Wenn der Angeklagte | |
durch den angebotenen Strafnachlass zum Geständnis überredet wird, dann | |
verzichtet er ja auch darauf, um einen vollständigen oder teilweisen | |
Freispruch zu kämpfen. | |
Haben Sie bereits erlebt, dass im Rahmen eines Deals bewusst ein falsches | |
Geständnis abgelegt wurde? | |
Nein. Dazu würde ich auch nie raten, selbst bei scheinbar ungünstiger | |
Beweislage. Aber so etwas soll es durchaus geben. | |
In zwei Wochen urteilt das Bundesverfassungsgericht, ob Deals in | |
Strafverfahren gegen das Grundgesetz verstoßen. Was erhoffen Sie sich? | |
Als Kritiker würde ich mir natürlich ein Verbot der Urteilsabsprachen | |
erhoffen, aber das ist nicht realistisch. Gut wäre schon, wenn das | |
Verfassungsgericht sicherstellt, dass die vom Gesetzgeber und vom | |
Bundesgerichtshof aufgestellten Regeln eingehalten werden. So dürfen | |
Gerichte zum Beispiel keine exzessiven Strafen androhen, um Geständnisse zu | |
erwirken. | |
8 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
Christian Rath | |
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