# taz.de -- Urteil zu Richterabsprachen: Das Geständnis muss richtig sein | |
> Dürfen Richter Angeklagten milde Strafen anbieten, wenn die gestehen? Ja, | |
> sagt das Verfassungsgericht. Doch wie das in der Praxis gehandhabt wird, | |
> sei nicht akzeptabel. | |
Bild: Urteilsabsprachen im Strafprozess bleiben möglich. | |
Urteilsabsprachen im Strafprozess bleiben möglich. Das | |
Bundesverfassungsgericht hat die seit 2009 geltende gesetzliche Regelung | |
für „derzeit noch“ verfassungskonform erklärt – obwohl das Gesetz von d… | |
deutschen Strafrichtern „in erheblichem Maße“ missachtet werde. | |
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte, die umstrittene Regelung sei | |
„keine Einladung zum Handel mit der Gerechtigkeit“, sondern wolle diese | |
gerade verhindern. | |
Seit den 70er Jahren gibt es in Deutschland Urteilsabsprachen, auch „Deal“ | |
oder „Verständigung“ genannt. Für ein Geständnis wird dem Angeklagten da… | |
eine mildere Strafe versprochen, wenn sich dadurch das Verfahren verkürzt. | |
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies in mehreren Grundsatzurteilen | |
gebilligt. Der Bundestag regelte die umstrittene Praxis 2009 sogar in der | |
Strafprozessordnung. | |
Anwälte kritisieren jedoch, dass die Deals immer wieder zu falschen | |
Geständnissen führen. Angeklagten werde mit einer unnötig hohen Strafe | |
gedroht, um sie zum Geständnis zu drängen. In Karlsruhe wurde unter anderem | |
der Fall eines Polizisten verhandelt. Der war angeklagt, er habe bei einer | |
Beschlagnahme Zigaretten zu sich genommen, um sie zu behalten. Das Gericht | |
drohte ihm mit einer vierjährigen Freiheitsstrafe wegen bewaffneten Raubs, | |
wenn er weiter leugne, und lockte mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe, | |
wenn er gestehe. Der Mann gestand – beharrt nun aber doch wieder auf seiner | |
Unschuld. | |
Bekannter sind die Fälle, in denen die Angeklagten möglicherweise zu mild | |
bestraft wurden. So erhielt Ex-VW-Vorstand Peter Hartz 2007 eine | |
zweijährige Bewährungsstrafe wegen Untreue, bei einem Schadensvolumen von | |
2,6 Millionen Euro. Die Verhandlung dauerte nur zwei Tage, da ihr ein Deal | |
vorausging. Solche Fälle kommen aber nie nach Karlsruhe, denn hier sparen | |
sich nicht nur Gericht und Staatsanwaltschaft viel Arbeit, auch der | |
Angeklagte ist zufrieden und legt deshalb keine Rechtsmittel ein. | |
## Das Geständnis muss richtig sein | |
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die gesetzliche Regelung | |
von 2009 nun als verfassungskonform gebilligt. Das Rechtsstaatsprinzip sei | |
nicht verletzt, schließlich müsse das Strafgericht auch bei einem | |
Geständnis-Deal die Wahrheit aufklären. Die Strafrichter dürften einen | |
Angeklagten laut Gesetz nur verurteilen, wenn sie von seiner Schuld | |
überzeugt sind. | |
Allerdings hatte ein Gutachten im Auftrag der Verfassungsrichter ergeben, | |
dass die gesetzliche Regelung, vor allem die Pflicht zur Transparenz der | |
Deals, in vielen Fällen missachtet wird. Karlsruhe stellte nun klar: Nur | |
Deals in der gesetzlichen Form seien zulässig, „informelle Verständigungen�… | |
sind illegal. Die Verfassungsrichter wiesen den Vorwurf zurück, das Gesetz | |
von 2009 sei „praxisuntauglich“. Der federführende Verfassungsrichter | |
Herbert Landau sagte: „Im Rechtsstaat bestimmt das Recht die Praxis und | |
nicht die Praxis das Recht.“ Der Gesetzgeber müsse regelmäßig | |
kontrollieren, ob die vorgesehenen Schutzmechanismen funktionieren. Bei | |
Bedarf müsse er nachbessern. | |
Konkret verlangte das Verfassungsgericht, dass Geständnisse vom | |
Strafgericht künftig stets auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden | |
müssen. Die Geständnisse müssten deshalb auch so konkret sein, dass eine | |
solche Prüfung überhaupt möglich ist. In der öffentlichen Verhandlung müsse | |
zudem ausführlicher über die Deals berichtet werden: nicht nur das | |
Ergebnis, sondern auch, wer den Vorschlag gemacht hat und welche Argumente | |
dabei zur Sprache kamen. Wenn ein Deal im Protokoll nicht erwähnt wird, | |
könne dies als „Falschbeurkundung“ bestraft werden. | |
Die Verfassungsrichter hoben drei geprüfte Strafurteile auf. In zwei Fällen | |
waren die Angeklagten über die Folgen eines Geständnisses nicht ausreichend | |
belehrt worden. Im dritten Fall – es ging um den erwähnten Polizisten – | |
stellten die Verfassungsrichter sogar einen unzulässigen „Handel mit der | |
Gerechtigkeit“ fest. | |
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19 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Richter | |
Strafe | |
Verfassungsgericht | |
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