| # taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Volle Pulle Wortspiel | |
| > Fußballdeutschland lechzt nach Vögel- und Saufgeschichten. Nun jedoch | |
| > erobert die Depressionsliteratur das Genre. | |
| Bild: Stefan Effenbergs Autobiografie „Ich hab’s allen gezeigt“ ist die e… | |
| „Ich fuhr erst mal zur nächsten Tankstelle und kippte mir einen rein.“ Das | |
| ist wohl einer der berühmtesten Sätze in der deutschen | |
| Fußballer-Literatur-Geschichte. Stefan Effenberg hat ihn in seiner | |
| Autobiografie geschrieben. Der ehemalige Möchtegernproll und Fußballer | |
| hatte die Frau eines Kollegen beim FC Bayern aufgerissen, und als der | |
| Kollege das mitbekommen hat, musste Effe erst mal einen Schnaps | |
| runterkippen. | |
| Fußballdeutschland hat die Vögel-, Sauf und Kickgeschichten von Effenberg | |
| verschlungen. Sein [1][„Ich hab’s allen gezeigt“] ist die erfolgreichste | |
| Autobiografie eines Fußballers, die in Deutschland je erschienen ist. Die | |
| 250.000 Exemplare, die für die erste Auflage gedruckt wurden, waren im | |
| Erscheinungsjahr 2003 schnell verkauft. | |
| Nicht ganz so gut, aber auch nicht schlecht hat sich Philipp Lahms [2][„Der | |
| feine Unterschied“] verkauft. Gelohnt hat sich das Bücherschreiben auch für | |
| Franz Beckenbauer und Oliver Kahn, wobei Zweiterer sich an den Erfolg von | |
| Franz Beckenbauer angehängt hat und einfach den Titel vom sogenannten | |
| Kaiser geklaut hat: „Ich“. Es lag wohl eher an der Prominenz der Autoren | |
| als an dem bescheidenen Titel (Wer kommt da schon mit drei Buchstaben | |
| aus?), dass sich die Bücher so gut verkauft haben. | |
| Ansonsten gelten Fußballerbücher eher als schwierig. Wohl auch deshalb | |
| lassen sich die Verlage immer irrwitzigere Titel für die meist doch recht | |
| flüchtigen Werke der Kicker einfallen. Fast scheint es so, als sei die | |
| Wortspielmafia, die das Kabarett in Deutschland immer wieder zu den | |
| abwegigsten Spracherzeugnissen („Altes oder nichts“, „Neues von Gestern“ | |
| etc.) zwingt, mittlerweile auch in der Verlagsbranche unterwegs. | |
| ## Das Leben besteht nicht nur aus Fußball | |
| „Ich pfeife auf den Tod“ wird das Buch des ehemaligen Schiedsrichters Babak | |
| Rafati heißen, der sich umbringen wollte, weil er mit dem Leistungsdruck | |
| nicht mehr zurechtgekommen ist. Das passt ganz gut zum „Freistoß ins Leben“ | |
| von Martin Bengtsson. Auch der Schwede wollte sich einst umbringen, als er | |
| 17-jährig im Jugendinternat von Inter Mailand feststellte, dass das Leben | |
| vielleicht doch nicht nur aus Fußball bestehen sollte. | |
| Auch traurig: Timo Heinze, der es beim FC Bayern nicht in die erste | |
| Mannschaft geschafft hat, obwohl er Kapitän der A-Jugend-Mannschaft war, | |
| hat ein Buch mit dem Titel „Nachspielzeit“ geschrieben. Die gab es für | |
| Robert Enke bekanntlich nicht. Dessen Lebensgeschichte hat Ronald Reng | |
| aufgeschrieben und damit den größten Fußballbestseller aller Zeiten in | |
| Deutschland verfasst. | |
| All die Bücher über den Druck in der brutalen Branche, die derzeit auf den | |
| Markt geworfen werden, scheinen sich an diesen Erfolg dranhängen zu wollen. | |
| Klartext spricht hier Exprofi Andreas Biermann in [3][„Rote Karte | |
| Depression“]. Und auch wenn Jens Lehmann ohne größere psychische Probleme | |
| durch sein Fußballerleben gekommen sein mag, so schreibt er doch: „Der | |
| Wahnsinn liegt auf dem Platz.“ | |
| Bald könnte es neben der ganzen Depressionsliteratur auch die | |
| Fußball-Burn-out-Bücher geben. Ralf Rangnick, der als Schalke-Trainer | |
| irgendwann einmal nicht mehr konnte, käme da als Autor infrage. Wie wäre es | |
| mit „Gelbe Karte Burn-out“ oder „Viererkette im Gehirn“? Und wenn Tim W… | |
| einmal versuchen sollte, seine Degradierung bei der TSG Hoffenheim zu | |
| verarbeiten, wie könnte das Buch dann heißen? „Hechtsprung ins Abseits“? | |
| Schwierig. Denn da stehen schon die Fans. „Ultras im Abseits“ nennen Martin | |
| Thein und Jannis Linkelmann ihr „Portrait einer verwegenen Fankultur“. | |
| Da ist es fast erstaunlich, dass die Suchtbeichte von [4][Uli Borowka] | |
| („Volle Pulle“) ganz ohne Fußballvokabel im Titel auskommt. Das Abseitsbild | |
| hätte eh nicht gepasst. Säufer sind im Fußball alles andere als außen vor �… | |
| siehe Stefan Effenberg. | |
| 21 Mar 2013 | |
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| Andreas Rüttenauer | |
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