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# taz.de -- Missstände in der Altenpsychiatrie: Im Bett auf dem Flur geparkt
> Die Zahl der Demenzkranken in psychiatrischen Kliniken und privaten
> Pflegeheimen wächst stetig. Nicht immer werden die Patienten optimal
> versorgt.
Bild: Hier in der psychiatrischen Klinik Wunstorf mussten demente Patienten unt…
BERLIN taz | In Deutschland sind rund 1,4 Millionen Menschen dement –
Tendenz steigend. Und immer mehr Demenzkranke werden in psychiatrischen
Kliniken und privaten Pflegeheimen untergebracht. „Die Kliniken stehen
unter Druck, und das geht zulasten der Patienten“, sagt Andreas Landmann
von der Kommission zur Kontrolle der Psychiatrien in Niedersachsen.
Wie es aussieht, wenn der Druck der Kliniken zulasten der Patienten geht,
zeigte sich zuletzt im niedersächsischen Klinikum Wunstorf im Raum
Hannover: Im Januar mussten mehrere Demenzkranke die Nacht in einem mit
Neonlicht erleuchteten Gemeinschaftsraum der Altenpsychiatrie verbringen.
In der vergangenen Woche hatte der Sohn eines inzwischen verstorbenen
Patienten neue Vorwürfe gegen die Klinik erhoben. Als sein Vater im Herbst
2012 mit der Diagnose Alzheimer eingeliefert wurde, sei er ebenfalls in
einen mit Neonröhren erleuchteten Aufenthaltsraum gebracht worden, wo man
ihn am Bett fixiert habe.
Die psychiatrischen Landeskliniken sind in Niedersachsen in den vergangenen
Jahren privatisiert worden. Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) hat nun
angekündigt, die Aufsicht über alle psychiatrischen Kliniken und
Abteilungen wieder zurückzuholen. Ihr Ministerium habe zwar nach dem
Niedersächsischen Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch
Kranke (NPsychKG) die Fachaufsicht über die beliehenen Einrichtungen, zu
denen auch Wunstorf gehört.
## Gründliche Prüfungen
„Es ist uns aber im Rahmen der Fachaufsicht nicht möglich, den
Personalschlüssel direkt zu kontrollieren“, sagt die Sprecherin des
Sozialministeriums, Heinke Traeger. Nun müsse man überprüfen, wie solche
Mängel zu beheben seien. „Das können wir aber nicht übers Knie brechen,
sondern dazu brauchen wir gründliche juristische Prüfungen.“
Christian Harig, Patientenberater und Mitglied des niedersächsischen
Psychiatrieausschusses, nennt den Fall Wunstorf die Spitze des Eisbergs.
„Seit Jahren haben wir auf Missstände in niedersächsischen Heimen und
Kliniken hingewiesen, und die Region Hannover hat versäumt, hier
einzugreifen“, sagt Harig.
## Monatelang im Isolierzimmer
Und für die Angehörigen von Patienten selbst sei es oft schwierig, auf
mangelhafte Pflege hinzuweisen. „Denn der kritische Patient wird nicht
unbedingt besser behandelt“, sagt Harig. Darum würden viele Angehörige
vieles still hinnehmen.
Landmann sagt, er erlebe immer wieder, dass Patienten monatelang in
Isolierzimmern fixiert würden, Nächte in fensterlosen Badezimmern
verbrächten oder regelmäßig in ihren Betten auf Klinikfluren geparkt
würden.
„Von ehemaligen Mitarbeitern in psychiatrischen Kliniken höre ich dann,
dass das doch immer so sei“, sagt Landmann. Fehler würden zwar kurzfristig
behoben, dann tauche aber die nächste Baustelle auf.
Das Problem sei, dass die Psychiatrie keine Patienten abweisen dürfe, sagt
der Sprecher des Klinikums, Bernhard Koch. Daher sei der Betreuungsaufwand
nicht kalkulierbar.
## Pflegekraft auf Abruf
Die Klinik hatte die Sammelunterbringung mit Personalmangel begründet und
will die Altenpsychiatrie künftig mit drei statt wie bisher zwei
Nachtdienststellen besetzen. Und bei „besonderen Belegungssituationen“
solle eine zusätzliche Pflegekraft gerufen werden können, so Koch.
Der Verband der Ersatzkassen (vdek) fordert, dass die Kliniken
Stellenbesetzungen nachweisen müssen. So könne verhindert werden, dass
bewilligte Gelder für Personal anderweitig eingesetzt werden – aber das
müsse auf Bundesebene geregelt werden.
„Wir hoffen, dass Niedersachsen hier einen Impuls setzen wird“, sagt Hanno
Kummer, Sprecher der vdek-Landesvertretung Niedersachsen.
25 Mar 2013
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
## TAGS
Demenz
Psychiatrie
Richter
Gesundheit
Demenz
Patientensicherheit
Alzheimer
UN
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