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# taz.de -- Gewalt in der Pflege: Machtmissbrauch im Altenheim
> Wohlfahrtsverbände und Beratungsstellen sind sich einig: Verstärkte
> Heimaufsicht hilft nicht gegen Gewalt in Altenheimen - verstärkte
> Prävention hingegen schon
Bild: Nicht immer wird mit Senioren so pfleglich umgegangen. Wie oft es zu Übe…
Hätte der Sohn einer 85 Jahre alten Bewohnerin des Bremer Pflegezentrums
„Forum Ellener Hof“ nicht illegal gehandelt – die Altenpflegerin, die sei…
Mutter gequält hat, würde wohl noch heute in ihrem Beruf arbeiten. Er hatte
der demenzkranken Frau lange keinen Glauben geschenkt, als die mehrfach
erzählte, sie würde im Heim geschlagen. Dann installierte er in ihrem
Zimmer heimlich eine versteckte Kamera, und die zeichnete auf, wie die
Pflegerin seine Mutter anschrie und an den Haaren zog.
Wie oft es zu gewalttätigen Übergriffen kommt, weiß niemand genau. Die
Dunkelziffer ist hoch. Ein Grund dafür ist, dass gerade Demenzkranken oft
zu wenig Glauben geschenkt wird: „Das ist ein riesengroßes Problem“, sagt
Arnold Knigge, Sprecher der [1][Landesarbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtspflege] (LAG FW). „Angehörige sollten jeden noch so kleinen
Hinweis ernst nehmen und das Gespräch mit der Heimleitung suchen“, sagt der
Ex-Sozialstaatsrat. Daneben gebe es Beratungsstellen – in Bremen seien das
die LAG-eigene Demenz-Informations- und Koordinationsstelle (DIKS) oder die
[2][Unabhängige Patientenberatung Bremen] (UPB). „Eine versteckte Kamera“,
so Knigge, „kann keine Lösung sein – da muss es andere Wege geben.“
Die kennen viele Angehörige jedoch nicht, und auch bei der LAG FW scheint
man nicht so ganz auf dem neuesten Stand zu sein: „Wir haben mit dem Thema
Pflege eigentlich gar nichts mehr zu tun“, sagt Adele Ihnen von der UPB.
„Dafür sind seit 2009 die [3][Pflegestützpunkte] zuständig.“ Sigrid
Hartmann arbeitet beim Bremer Stützpunkt und empfiehlt, bei einem Verdacht
die Heimaufsicht, die Pflegekassen und den medizinischen Dienst der
Krankenkasse zu kontaktieren: „Ich möchte aber ganz klar sagen, dass wir
wirklich tolle Pflegeheime haben und dieser schreckliche Fall als
Einzelfall betrachtet werden muss.“ Unter der dadurch losgetretenen Debatte
würden nun alle Heime leiden.
Das sieht Heinz Küpper anders. Er arbeitet bei der „Help-Line“, einer bei
der DIKS angesiedelten Telefonberatung für pflegende Angehörige. Obwohl ihm
persönlich kein Fall von Gewalt in der Pflege bekannt ist, sei ihm bewusst,
dass es sie gebe, nicht nur in Heimen: „Die Strukturen sind vergleichbar
mit denen bei Kindesmisshandlungen: Da stehen sich ein mächtiger und ein
ausgelieferter Mensch gegenüber. Und die ausgelieferten Menschen verraten
den Täter oft nicht.“ Tun sie es doch, „wird ihnen vielfach nicht
geglaubt.“
Alle sind sich einig: Es gibt zu wenig PflegerInnen, von denen zu viele zu
schlecht qualifiziert sind. Das führe zur Überlastung und zur Überforderung
– und vielleicht auch zu gewalttätigen Übergriffen. Aber: Alle sind sich
auch einig, dass das Problem vielschichtiger und eine Verstärkung der
Heimaufsicht keine Lösung ist.
„Es fehlt vielmehr an präventiven Maßnahmen“, so Arnold Knigge, „an
besserer Kommunikation, an regelmäßigen Fortbildungen und an der
Sensibilisierung bereits in der Ausbildung.“ In der Sozialdeputation, die
sich in ihrer morgigen Sitzung mit dem Thema befassen wird, will die LAG
eine entsprechende Fachtagung anregen.
Heinz Küpper wünscht sich indes eine Stärkung der ambulanten Pflege und
Fürsorge: „Heim bedeutet immer: Institution und Abhängigkeit.“
6 Nov 2012
## LINKS
[1] http://www.sozialag.de/
[2] http://www.patientenberatung-bremen.de/index.htm
[3] http://www.bremen-pflegestuetzpunkt.de/
## AUTOREN
Simone Schnase
Simone Schnase
## TAGS
Pflegekräftemangel
Bremen
Pflege
Demenz
Alzheimer
Altenpflege
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