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# taz.de -- ARD-Film über Demenz: Vergebens und vergessen
> Der Film „Die Auslöschung“ erzählt vom Kampf eines Mannes gegen den
> Verlust seiner selbst. Auf eine präzise Recherche folgt grandioses
> Schauspiel.
Bild: Er erobert sie, die beiden verlieben sich, sie ziehen zusammen. Und dann …
Wie sieht das Vergessen aus? Wird die Welt zum Schatten? Zum körnigen Bild
einer Videokamera? Was bleibt, wenn nur noch das Bild da ist, aber
keinerlei Kontext mehr? Und was bleibt von einem Menschen, der alles
vergessen hat?
Der ARD-Mittwochsfilm „Die Auslöschung“ ist zuallererst eine
Liebesgeschichte. Klaus Maria Brandauer gibt anfangs als
Kunstgeschichtsprofessor Ernst seine Paraderolle, den eitlen Gockel, so
aufschneiderisch, dass man gleich brechen möchte; Martina Gedeck spielt die
Restaurateurin Judith so leise kraftvoll verführerisch wie in „Rossini“
Ende der neunziger Jahre.
Er erobert sie, die beiden verlieben sich, sie ziehen zusammen. Ernst
verändert sich, ist nicht mehr so dominant wie früher, als er jedes
Gespräch an sich reißen musste. Anfangs führen seine Kinder (Birgit
Minichmayr und Philip Hochmair) dies auf den positiven Einfluss der neuen
Frau an seiner Seite zurück. Doch dann räumt Ernst seine Brille in den
Kühlschrank. Merke: Demenz ist im Film immer, wenn jemand seine Brille in
den Kühlschrank räumt.
„Die Auslöschung“ ist ein trauriger Film, weil man Demenz eben nicht heilen
kann. Weil wir zuschauen, wie ein Mensch immer weniger wird, bis der einst
hochdekorierte Professor im Rollstuhl vor einem Mobilé sitzt. Wir bangen
mit Judith und sehen, wie das Verführungs-Rot ihres Kleides zu glücklichem
Gelb wird, bevor es zu vernünftigem Rosé verblasst und schließlich durch
praktische schwarze Hosenanzüge ersetzt wird.
## Die absurdeste Krankheit im Internetzeitalter
Der Film erzählt aber auch, dass Liebe eine solche Belastung aushalten
kann. Agnes Pluch (Buch) und Nikolaus Leytner (Buch und Regie) haben ein
sensibles und genau recherchiertes Bild gezeichnet über den Verlauf jener
vielleicht absurdesten Krankheit im Zeitalter des totalen Gedächtnisses
Internet.
Jeder, der diese tückische Krankheit einmal als Angehöriger erlebt hat,
weiß, wie die Betroffenen anfangs die Symptome zu überspielen versuchen,
mit Witzen, Anekdoten und Sprichwörtern, die zuerst noch als Kommentare
funktionieren, mit der Zeit aber nur noch multipel einsetzbare Joker in
einem Spiel werden, dessen Regeln der Kranke vergessen hat.
Im Zeitraffer führt der Film durch die Krankheit, die mit Schusseligkeiten
beginnt und mit dem „gnädigen Punkt“ nicht endet, jenem Moment, in dem man
vergisst, dass man vergisst. Der Film verzichtet auf die großen
Katastrophen und konzentriert sich auf Alltägliches wie die abgeschraubten
Herdknöpfe, „weil zu oft was passiert ist“.
Martina Gedeck führt die Judith von jungmädchenhafter Verliebtheit bis zur
verantwortungsschweren Vertrautheit, ohne je zu überzeichnen. Brandauer,
der mit seinem Über-Spiel schon manches Mal die Grenze zur Schmierenkomödie
gefährlich gestreift hat, scheint hier im Laufe des Films mit der Rolle zu
verblassen.
Was er mit seinem Gesicht macht, ist unglaublich. Anfangs glänzend vor
Feistheit, bekommen die Züge mit der Zeit etwas Mildes, Liebes, hinter dem
auch der zuvor nach vorne gespielte Burgschauspieler zurücktritt. Am
Schluss sieht man einen verwirrten Greis mit versteinerter Mimik – ein
Bild, das im Gedächtnis bleibt.
## „Die Auslöschung“ läuft Mittwoch, 20.15 Uhr, in der ARD
8 May 2013
## AUTOREN
Lea Streisand
## TAGS
Demenz
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Krankheit
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Russland
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Bundestag
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