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# taz.de -- G-8-Gipfel zu Demenz in London: Eine weltweite Volkskrankheit
> Die G-8-Staaten wollen bei der Erforschung für Demenzkrankheiten stärker
> kooperieren. Bis 2025 wollen sie ein wirksames Medikament entwickeln.
Bild: Eine von weltweit über 35 Millionen: Demenzkranke Frau in Frankfurt/Oder
BERLIN taz | Weltweit leben 35,6 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten
in Industrienationen mit alternden Bevölkerungen. „Und jährlich“, das gab
die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Margaret Chan,
am Mittwoch in London bekannt, „kommen 7,7 Millionen neue Fälle hinzu“ –
sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelinge.
2050 würden also vermutlich 115 Millionen Menschen weltweit an der
Krankheit leiden, die zum vollständigen Verlust der geistigen
Leistungsfähigkeit und absoluter Pflegebedürftigkeit führt. 115 Millionen
Menschen – das entspricht etwa der heutigen Einwohnerzahl Mexikos.
Diese alarmierenden Zahlen sind der Grund, warum Gesundheitsexperten und
Politiker der acht wichtigsten Industriestaaten der Welt am Mittwoch in
London zu einem G-8-Gipfel zusammenkamen, der erstmals und ausschließlich
dem Thema Demenz gewidmet war.
Gedächtnisverlust, so die Botschaft des Treffens, ist eine globale
Volkskrankheit, deren Bekämpfung eine höhere, internationalere und vor
allem interdisziplinäre Priorität eingeräumt werden muss. Insbesondere
müssten die internationale Zusammenarbeit, der Daten- und
Wissenschaftsaustausch bei der Erforschung von Demenz verbessert werden.
In ihrer Abschlusserklärung verpflichteten sich die G8-Gesundheitsminister
dazu, bis 2025 ein wirksames Medikament zur Heilung von Demenz zu
entwickeln oder zumindest ein Arzneimittel, das die Symptome wirksam
lindert. Zugleich sollen die Forschungsausgaben deutlich gesteigert und ein
globaler Forschungs-Fahrplan aufgestellt werden. Alle zwei Jahre, so die
Minister, werde man sich auf G8-Ebene über die entsprechenden
Forschungsergebnisse austauschen. Der nächste Gipfel soll 2015 in den USA
stattfinden.
Bislang sind die Ursachen für die Entstehung von Demenzerkrankungen nicht
bekannt. Eine Heilung gibt es nicht, und die medikamentösen
Linderungsmöglichkeiten sind „limitiert“, wie es der Vizegeneralsekretär
der OECD, Yves Leterme, diplomatisch formulierte. Klar ist nur: Die
Ablagerungen im Gehirn, klumpige Ansammlungen, Plaques genannt, bestehen
aus krankhaften Proteinen. Diese zerstören allmählich die Nervenzellen, die
die Menschen zum Denken, Erinnern, Sprechen und zur Orientierung brauchen.
## Vorbild Aids-Bekämpfung
Der britische Gesundheitsminister Jeremy Hunt sagte, die G-8-Staaten hätten
sich bereits 2005 erfolgreich einem riesigen gesellschaftlichen wie
medizinischen Problemfeld verschrieben – der Bekämpfung der
Immunschwächekrankheit Aids. Eine ähnliche Signalwirkung solle die
Demenz-Konferenz entfalten.
London hatte bereits im Vorfeld des Gipfels eine Verdopplung der Ausgaben
für die Demenzforschung auf 146 Millionen Euro bis 2022 zugesagt. Die durch
die Krankheit verursachten Kosten schätzten Fachleute allein für das Jahr
2010 weltweit auf über 600 Milliarden US-Dollar.
In Deutschland, wo derzeit 1,4 Millionen Menschen an Demenz leiden, ist die
Krankheit der Hauptkostentreiber in der Pflegeversicherung. SPD und Union
wollen den gesetzlichen Beitragssatz auch deswegen in den kommenden vier
Jahren um 0,5 Prozentpunkte erhöhen, das entspricht jährlichen
Zusatzeinnahmen von etwa 5 Milliarden Euro. Die Stiftung Patientenschutz
kritisierte, bei Demenz gebe es kein Erkenntnis-, sondern ein
Umsetzungsproblem. Ein Gipfel, auf dem Prognosen ausgetauscht würden, nütze
den Betroffenen nicht.
## Suche nach den Risikofaktoren
Zwar können Demenzen schon vor dem 50. Lebensjahr auftreten, ihre
Häufigkeit nimmt mit dem Alter aber erheblich zu. Die Risikofaktoren, die
Demenzen begünstigen, werden derzeit untersucht, auch am Zentrum zur
Erforschung des Demografischen Wandels an der Universität Rostock.
„Es sind sehr wahrscheinlich dieselben wie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen:
Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen,
Bewegungsmangel in der Mitte des Lebens“, sagte die Zentrumsdirektorin
Gabriele Doblhammer-Reiter der taz. Beim Thema Demenz müsse es in Zukunft
viel stärker um Prävention gehen als bisher.
11 Dec 2013
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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