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# taz.de -- Pflege von Demenzkranken: Recht auf ein selbstständiges Leben
> Der Ethikrat fordert, die Wünsche von Menschen mit Demenz stärker zu
> berücksichtigen. Dafür sollten „mehr finanzielle Ressourcen als bisher
> aufgewendet werden“.
Bild: Senioren in einer Pflege-WG für Demenzkranke.
BERLIN taz | Mit deutlichen Worten hat der Deutsche Ethikrat den bisherigen
Umgang mit pflegebedürftigen Demenzkranken kritisiert: „Bisher
konzentrieren sich die Maßnahmen der Politik auf die Diagnostik, das
zeitweilige Aufhalten der Krankheit durch eine entsprechende Medikation und
die Begleitung in der frühen Phase der Krankheit“, heißt es in seiner
78-seitigen Stellungnahme zu „Selbstbestimmung und Demenz“, die der
Ethikrat am Dienstag in Berlin vorlegte.
Der lange Weg des fortschreitenden Abbaus der Kräfte und Fähigkeiten der
Demenzpatienten erfahre hingegen weniger Aufmerksamkeit. Dabei belaste dies
die Betroffenen, Angehörigen und Begleiter oft enorm.
In Deutschland erkranken jährlich zwischen 200.000 und 300.000 Menschen an
einer Demenz. Die Alterung der Gesellschaft führt zu einem Anstieg der
Patienten auf mehr als zwei Millionen im Jahr 2050. Aktuell sind rund 1,2
Millionen Menschen betroffen. Der Ethikrat, ein von Bundesregierung und
Bundestag berufenes, aber unabhängig arbeitendes Wissenschaftlergremium,
unterstützt daher die Absicht der schwarz-gelben Koalition, einen
„Nationalen Aktionsplan Demenz“ zu entwickeln.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigten, dass selbst an
fortgeschrittener Demenz Erkrankte zu individuellem Erleben, persönliche
Wünsche inklusive, und sozialer Wahrnehmung fähig seien, heißt es im
Gutachten des Ethikrates. Umso stärker sei ihr Recht auf ein
selbstständiges und selbstbestimmtes Leben.
Geprüft werden soll daher, ob bereits aus der häuslichen Pflege vertraute
Personen einen Dementen im Krankenhaus betreuen könnten. Bei der
Bedürftigkeit dürfe nicht bloß die Körperpflege berechnet werden, auch der
„besondere Bedarf“ bei außerhäuslichen Aktivitäten müsse zählen. Angeh…
sollten zudem besser gestellt werden, indem durch Pflegezeiten – wie durch
der Elternzeit – Rentenansprüche erworben werden, fordert der Ethikrat.
Zur Transparenz und Kontrolle sollten die Bundesländer mindestens alle zwei
Jahre einen Bericht über die Anzahl erfolgter Unterbringungen in Heimen
sowie freiheitsbeschränkender Maßnahmen vorlegen. Bei gesetzlichen
Betreuungen müsse regelmäßig geprüft werden, ob sie die Wünsche der
Dementen berücksichtigten. Und: „Insgesamt sollten für den Bereich der
Begleitung und Versorgung von Demenzkranken und ihren Angehörigen mehr
finanzielle Ressourcen als bisher aufgewendet werden.“
Zwar hat die Bundesregierung bereits die Erhöhung der Beiträge für die
Pflegeversicherung um 0,1 Punkte beschlossen. Ab 2013 will
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) so jährlich 1,1 Milliarden Euro mehr
einnehmen. Experten bezweifeln jedoch, dass mit dieser Reform, die am
Donnerstag im Bundestag debattiert wird, die Forderungen des Ethikrats
finanziert werden können.
25 Apr 2012
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
G8-Gipfel
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