# taz.de -- Pflegereform: 0,1 Prozent Neuausrichtung | |
> Für den Gesundheitsminister ist die Pflegereform ein großer Schritt. | |
> Außer ihm sieht das aber fast keiner so. Streitpunkt ist nach wie vor | |
> eine Neudefinition des Pflegebegriffs. | |
Bild: Die Betroffenen sind mit der Pflegereform nicht zufrieden. | |
BERLIN taz | Am Mittwoch trat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) | |
in Berlin vor die Presse und kündigte für das kommende Jahr eine moderate | |
Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte an. | |
Dann teilte er mit, dies sei die „Neuausrichtung in der Pflege“, eine | |
Reform, an der sein Haus über Jahre gearbeitet und die das Kabinett nun | |
beschlossen habe. Künftig beträgt der Pflegebeitrag also 2,05 Prozent, für | |
Kinderlose 2,3 Prozent des Bruttoeinkommens. | |
Demenzkranke, deren Angehörige seit Jahren fordern, dass die | |
Pflegeversicherung nicht nur bei körperlichen Einschränkungen greift, | |
sondern auch bei geistig-seelischen Gebrechen zahlen möge, vertröstete Bahr | |
erneut: Die Einführung des hierzu nötigen „neuen | |
Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ könne noch dauern. Er habe jedoch einen | |
Expertenrat eingesetzt. Opposition und Sozialverbände sprachen von | |
„Etikettenschwindel“ (SPD), „Reförmchen“ (DGB) und „krachendem Schei… | |
(Grüne). | |
Im „Vorgriff“ auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff verteidigte sich Bahr. Er | |
werde dafür sorgen, dass das zusätzliche Geld – es handelt sich um | |
Einnahmen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro jährlich – vor allem den | |
500.000 Demenzkranken zugute komme, die zu Hause gepflegt werden und | |
bislang häufig keine Pflegestufe hatten. Sie bekämen ab 2013 monatlich ein | |
Pfegegeld von 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro. Dies, | |
so Bahr, mache die Pflege „zukunftsfest“. Auch für Pflegebedürftige der | |
Stufen eins und zwei sollen die Leistungen moderat angehoben werden. | |
Zudem gebe es künftig „mehr Flexibilität“ bei der Wahl der Leistungen: | |
Pflegebedürftige könnten statt einzelner Leistungen wie Körperpflege ein | |
Zeitvolumen wählen und selbst bestimmen, welche Leistungen in dieser Zeit | |
erbracht werden sollten. Pflege-Wohngruppen bekämen ab 2013 pro Bewohner | |
rund 200 Euro mehr als bisher. Davon, so Bahr, solle eine gemeinsame | |
Betreuung finanziert werden. | |
## Keine Einigung bei privater Pflegezusatzversicherung | |
Den Pflegekassen drohte Bahr Strafen an, sollten sie künftig länger als | |
fünf Wochen brauchen, um über einen Antrag zu entscheiden. Beratungstermine | |
müssten ebenfalls zügiger angeboten werden. | |
Ungeregelt bleibt die Frage nach einer privaten Pflegezusatzversicherung, | |
eines der Kernanliegen der FDP. Bahr wünscht sich eine steuerliche | |
Abzugsfähigkeit sowie staatliche Förderung in Form von Riester-ähnlichen | |
Zuzahlungen für alle, die für den Pflegefall zusätzlich privat vorsorgen. | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte Bahr in dieser Frage zuletzt | |
mehrfach düpiert – das Finanzministerium hält staatliche Zuschüsse für | |
wenig segensreich. Nun soll der Konflikt in ein eigenes Gesetz ausgelagert | |
werden. | |
28 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
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