# taz.de -- Kommentar private Pflegevorsorge: 100 Millionen für die Gesichtspf… | |
> Der „Durchbruch“ im Koalitionsstreit um die Pflege hilft vor allem der | |
> FDP – zu einem horrenden Preis. Arme und Alte werden von dem staatlichen | |
> Zuschuss nichts haben. | |
Bild: 100 Millionen Euro an Pflege-Förderung stehen für das nächste Jahr ber… | |
Fünf Euro pro Monat. Das ist der Zuschuss, mit dem der Staat ab Januar die | |
private Pflegevorsorge unterstützen will. Genauer gesagt: fünf Euro pro | |
Monat maximal. Es könnten auch nur 0,97 oder 1,73 Euro Zulage sein, je | |
nachdem, für welche Versicherungspolice sich der einzelne entscheidet. | |
Denn insgesamt stehen für das nächste Jahr nur 100 Millionen Euro an | |
Pflege-Förderung bereit – für 80 Millionen Bundesbürger. Man muss diesen | |
Zahlen nichts hinzufügen, um zu verstehen: Der Bundesfinanzminister, der | |
dieses Geld zur Verfügung stellt, glaubt selbst nicht an den Erfolg des so | |
genannten Pflege-Riesters. | |
Der vermeintliche Durchbruch im koalitionsinternen Dauerstreit um die | |
Förderung privater Pflegezusatzversicherungen ist nichts anderes als ein | |
Programm zur Gesichtswahrung für den Bundesgesundheitsminister. Denn dessen | |
FDP hatte noch per Koalitionsvertrag geprahlt, es werde dank der Liberalen | |
eine zweite, privat finanzierte Säule eingeführt werden in der | |
Pflegeversicherung, individuell, obligatorisch und kapitalgedeckt. | |
Geblieben davon sind fünf Staats-Euro maximal, geeignet, den bürokratischen | |
Aufwand und die Verwaltungskosten abzudecken – sprich: zu verpuffen. Sowie | |
Zusatzversicherungen auf freiwilliger Basis. Einerseits. | |
## Sinnentleerte Förderung | |
Andererseits sind 100 Millionen Euro Staatsgeld jährlich nur dafür, dass | |
Daniel Bahr sein Gesicht nicht verlieren muss, ein hoher Preis in Zeiten, | |
in denen beispielsweise Schulkinder mangelhaftes Mittagessen vorgesetzt | |
bekommen, weil der Staat angeblich kein Geld hat, die Caterer kostendeckend | |
zu bezahlen. | |
Dazu kommt, dass die sinnentleerte Förderung privater Pflegeversicherungen | |
nicht dadurch besser wird, dass ihr Budget derzeit vergleichsweise klein | |
ist: Es könnte unter einer anderen Regierung oder einer anderen | |
Haushaltssituation jederzeit aufgestockt werden. Der Systemwechsel ist | |
eingeleitet. Und genau das macht die Sache gefährlich. | |
Für Zusatzversicherungen besteht von Gesetzes wegen keine Pflicht zum | |
Vertragsabschluss. Folglich können sich die privaten | |
Versicherungsunternehmen ihre Kunden nach Gutdünken auswählen. Oder für die | |
Unerwünschten so horrende Prämien verlangen, dass diese Kostenintensiven | |
freiwillig Abstand nehmen. | |
Faktisch ist damit aber ausgerechnet jene Gruppe von der staatlichen | |
Subvention ausgeschlossen, für die der Staat eine besondere Fürsorgepflicht | |
hat: Menschen mit dem statistisch höchsten Pflegerisiko, chronisch Kranke, | |
Arme und Alte. | |
5 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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