# taz.de -- US-Gericht verhandelt Homoehe: Weg mit der „Magermilch-Ehe“ | |
> Als Edie Windsors Ehefrau starb, musste sie Steuern zahlen, als hätte sie | |
> eine Fremde beerbt. Nun klagt sie vor dem Obersten US-Gericht und hat | |
> gute Chancen. | |
Bild: Als hätte sie schon gewonnen: Edie Windsor feiert nach der Verhandlung | |
WASHINGTON taz | Die zierliche alte Dame, die alles ins Rollen gebracht | |
hat, steht mit strahlendem Lächeln vor dem Obersten Gericht, als sie in die | |
Fernsehkameras hinein sagt: „Ich glaube, es wird gut“. Die heute 83jährige | |
Edie Windsor, die erst seit dem vergangenen Jahrzehnt öffentlich dazu | |
steht, eine Lesbe zu sein, hat die US-Regierung wegen Diskriminierung durch | |
das „Gesetz zur Verteidigung der Ehe“ (Doma) verklagt. | |
Nachdem ihre Ehefrau im Jahr 2009 starb, musste sie so viele Steuern für | |
den Nachlass zahlen, als hätte sie von einer völlig Fremden geerbt. Edie | |
Windsor und Thea Spyer haben 44 Jahre zusammen gelebt. Zwei Jahre vor Theas | |
Tod sind sie nach Kanada gefahren, um in Toronto zu heiraten. | |
Der Fall „Windsor gegen USA“, mit dem sich die neuen obersten RichterInnen | |
in Washington am Mittwoch befassen, ist der zweite Tag in Folge, der | |
ausschließlich dem Thema gleichgeschlechtliche Ehe gewidmet ist. Am Vortag | |
hat das Gericht debattiert, ob Kalifornien verfassungskonform vorgegangen | |
ist, als der Bundesstaat die bereits zugelassene Ehe für Schwule und Lesben | |
im Jahr 2008 wieder kassiert hat. Am Mittwoch geht es um ein Bundesgesetz. | |
Das „Doma“ ist erst im Jahr 1996 verabschiedet worden. In einem Passus | |
definiert es die Ehe als „eine Beziehung zwischen einem Mann und einer | |
Frau“. Unabhängig davon, wie die einzelnen Bundesstaaten die | |
gleichgeschlechtliche Ehe handhaben. | |
Für verheiratete Lesben und Schwule hat dieses Bundesgesetz weitreichende | |
Folgen. Manche von ihnen haben wie Edie Windsor im Ausland geheiratet, | |
andere in den wenigen Bundesstaaten der USA, die die gleichgeschlechtliche | |
Ehe anerkannt haben – allen voran Massachusetts, das diese Reform im Jahr | |
2004 einführte. Doch im Bundesrecht bleiben sie alle diskriminiert. In | |
insgesamt 1.100 Bereichen – von der Krankenversicherung, über das | |
Steuerrecht, bis hin zur Rente nach einer Verwitwung – ignorieren die USA | |
ihren ehelicher Status. | |
„Es war die Leugnung unserer Beziehung“, sagt Edie Windsor über die 363.000 | |
Dollar Erbschaftssteuer. Wäre sie mit einem Mann verheiratet gewesen, hätte | |
sie keinen Cent Steuern zahlen müssen. Dabei hatte der Staat New York ihre | |
in Kanada geschlossene Ehe akzeptiert. | |
Edie Windsor hat alle vorausgegangenen Instanzen der US-Justiz gewonnen. | |
Als ihr Fall an diesem Mittwoch vor dem Obersten Gericht ankommt, sind | |
Tausende aus dem ganzen Land nach Washington gekommen. Die meisten stehen | |
auf Seiten von Edie Windsor. Aber auch ein paar radikale homophobe Gruppen, | |
darunter die „Westboro Baptist Church“, demonstrieren vor dem weißen | |
Gebäude. Auf ihren Transparenten steht, dass Lesben und Schwule in die | |
Hölle kommen. | |
## „Ängste, Abneigung, Feindseligkeit“ | |
Im Gericht, wo vier RichterInnen sitzen, die von demokratischen | |
Präsidenten, und fünf, die von Republikanern ernannt worden sind, zeichnet | |
sich an diesem Mittwoch Deutliches für die Position der Klägerin und viel | |
Skepsis gegenüber dem Doma-Gesetz ab. Richterin Ruth Ginsburg sagt, als | |
Konsequenz des Doma-Gesetzes gäbe es eine „Ehe und eine Magermilch-Ehe“. | |
Richterin Elena Kagan fragt, ob der Kongress im Jahr 1996 das Doma-Gesetz | |
aus „Ängste, Abneigung und Feindseligkeit“ gegen einerbestimmte Gruppe | |
verabschiedet habe. | |
Und Richter Anthony Kennedy, dessen Stimme im Obersten Gericht das Zünglein | |
an der Waage werden könnte, kritisiert das Doma-Gesetz aus einer | |
konservativen Perspektive. Er bezweifelt, dass es in die Zuständigkeit der | |
US-Hauptstadt fällt. Nach seiner Logik verletzt das Doma-Gesetz die | |
Autonomie der Bundesstaaten, die traditionell die Gesetze über Ehe-Fragen | |
schreiben. | |
Die VerteidigerInnen des Doma-Gesetzes sind in Washington rar geworden. Für | |
das unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton in Kraft getretene | |
Gesetz, setzen sich heute fast nur noch RepublikanerInnen ein. Ihre Partei | |
hat auch den Anwalt Paul Clement engagiert, der vor dem Obersten Gericht | |
das Gesetz erklärt. Doch angesichts einer öffentlichen Meinung, die sich in | |
Sachen gleichgeschlechtlicher Beziehungen radikal gewandelt hat, halten | |
sich prominente RepublikanerInnen mit Kommentaren zurück. | |
## Fehlender „Mut der Überzeugung“ | |
Präsident Barack Obama hat in Sachen gleichgeschlechtliche Ehe eine | |
komplizierte „Evolution“ hinter sich. Erst im vergangenen Mai erklärte er, | |
dass er glaube, Lesben und Schwule sollten heiraten dürfen. Doch schon | |
zuvor hatte seine Verwaltung es aufgegeben, das Doma-Gesetz öffentlich zu | |
verteidigen. Am Mittwoch sagt John Roberts, der konservative Vorsitzende | |
des Obersten Gerichtes, dem Präsidenten, der das Doma-Gesetz dennoch | |
weiterhin anwende, fehle der „Mut seiner Überzeugungen“. | |
Die Entscheidungen des Obersten Gerichtes zur gleichgeschlechtlichen Ehe | |
werden im Juni erwartet. Edie Windsor, die mit 77 geheiratet hat, und jetzt | |
für die volle Anerkennung ihrer Ehe kämpft, genießt ihren Erfolg schon | |
jetzt. „Thea wäre stolz und glücklich“, sagt sie am Mittwoch nach der | |
Verhandlung. | |
28 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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