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# taz.de -- Bienen und Pflanzengifte: Neues Futter für ein Verbot
> Die EU-Länder streiten sich, ob Pflanzengifte die Bienen schädigen,
> trotzdem erlaubt bleiben sollen. Zwei Studien liefern neue Argumente für
> ein Verbot.
Bild: Biene auf Traube: gespritzt oder nicht gespritzt?
BERLIN taz | Eine umstrittene Gruppe von Insektengiften kommt mit zwei
aktuellen Studien weiter unter Beschuss: Sowohl Forscher der Universitäten
von Dundee als auch von Newcastle attestieren den Neonikotinoiden, dass sie
die Nerventätigkeit der Bienen schädigen.
Die Pestizide werden von den Bauern als effektive Schädlingskiller sowohl
gegen Fraß am Saatgut als auch später an den Pflanzen geschätzt. Anders sei
Tieren wie der Kleinen Kohlfliege oder dem Rapserdfloh kaum noch
beizukommen. Die Gifte wirken auch anders als manche Pestizide nach
derzeitiger Kenntnis nicht schädlich auf den Menschen.
Das Thema ist derzeit in der Europäischen Union heiß umkämpft. Bei einer
Abstimmung über ein teilweises Verbot der Stoffe gab es Mitte März
überraschend ein Patt, unter anderem weil sich Deutschland enthalten hatte.
Auch die Begründung von Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) war
überraschend: Deutschland verhalte sich bereits vorbildlich und habe die
Stoffe für Wintergetreide verboten. Das sei mit dem EU-Vorschlag nicht mehr
möglich.
Allerdings interessiert das Wintergetreide (Gerste, Weizen) die Bienen gar
nicht. Hingegen will die EU die Neonikotinoide bei Raps verbieten, einer
der Haupttracht für Bienen. Dagegen protestieren sowohl der Bauernverband
wie auch die Pestizidindustrie. Die Imkerverbände hingegen fordern ein
Verbot seit Jahren.
Laut Auskunft des Bundesministeriums vom Gründonnerstag kommt das nun in
der Sache laufende EU-Berufungsverfahren Mitte Mai zum Abschluss. Ob die
neuen Erkenntnisse der Briten so schnell einfließen, ist unklar. Bisher war
die fachliche Grundlage eine Übersicht der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit ([1][EFSA]) aus dem Jahr 2012, die unter Berufung
auf die Arbeiten französischer Bienenforscher den Neonikotinoiden ein
Bienen schädigendes Verhalten attestierte.
## Bienen mit Gedächtnisschwund
Bei den aktuellen britischen Arbeiten wurden die Bienen wie die berühmten
pavlovschen Hunde trainiert. Man brachte den sehr geruchsempfindlichen
Sechsbeinern bestimmte Düfte bei. Manche dieser Düfte waren mit bestimmten
Orten verbunden, an denen sie eine Belohnung in Form von Zuckerwasser
erwartete.
Danach wurden die Pavlov-Bienen Landwirtschafts-üblichen Konzentrationen
der Neonikotinoide ausgesetzt und die Übung wiederholt. Die Forscher
beobachteten, dass die mit dem Gedächtnis befassten Nervenzellen-Pfade
nicht mehr wie vorher funktionierten, die Bienen konnten die Düfte
schlechter unterscheiden. Die Arbeiten sind in den kostenpflichtigen
Journalen [2][Nature Communications] und [3][Journal of Experimental
Biology] erschienen, eine Zusammenfassung auf [4][BBC Science].
Ein Bienenhirn ist komplizierter als man denkt. Das finden die
Nervenforscher seit einiger Zeit heraus. Gleichzeitig nutzen Neurobiologen
das Bienenhirn als Modell für das noch kompliziertere Gedächtnis des
Menschen, denn grundlegende Mechanismen sind doch dieselben – wie sich ein
stabiles Langzeitgedächtnis herausbildet zum Beispiel.
Professor Rudolf Menzel, Leiter des Instituts für Neurobiologie der FU
Berlin und bekannt aus dem Kinofilm „More than honey“ macht ähnliche
Versuche wie die Briten. Die Bienen werden dabei teilweise während des
Fluges mit Hilfe von kleinen aufgeklebten Radarantennen verfolgt. Das
ermöglicht genaue Tests in freier Natur unter realistischen Bedingungen.
Menzels Gruppe konnte schon detailliert nachweisen, wie die Nervenzellen
der Bienen auf Informationen reagieren, wie sie diese vom Kurzzeit- in das
Langzeitgedächtnis überführen. In einem aktuellen Interview im Bienen
Journal erklärt er die Effekte der Pestizide: Schon bei geringen
Konzentrationen stören sie das Langzeitgedächtnis. Dadurch finden die
Bienen schlechter von ihren Nahrungsplätzen zum Volk zurück.
## Eine Killerin namens Varroa
Am Raps selber findet man also keine tote Hummeln oder Bienen. Sie brauchen
einfach länger, bis sie ihren Stock wieder finden. Das kostet Zeit und
Kraft, schwächt so das Volk und kann ein weiteres Element sein im derzeit
beklagten Bienensterben. Das Hauptproblem ist dabei seit Jahrzehnten die
stecknadelkopfgroße Varroa-Milbe (amtlicher Name: varroa destructor).
Sie saugt im Sommer die Brut aus, im Winter die Bienen selbst. Dadurch
schwächt sie die Bienen und überträgt auch Viren. Solche geschwächten
Völker können dann weitere schädliche Einflüsse wie etwa durch
Neonikotinoide oder andere Insektengifte schlechter wegstecken. Die Gefahr,
dass sie den nächsten Winter nicht überstehen, wächst.
Der Autor ist selbst Hobby-Imker. Er hat gerade ein großes Volk verloren –
allerdings sind in Flugweite weder Bauern noch Rapsfelder. Das hat wohl die
Varroa ohne Gift geschafft.
28 Mar 2013
## LINKS
[1] http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/120601.htm
[2] http://www.nature.com/ncomms/journal/v4/n3/full/ncomms2648.html
[3] https://journals.biologists.com/jeb
[4] http://www.bbc.co.uk/news/science-environment-21958547
## AUTOREN
Reiner Metzger
Reiner Metzger
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