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# taz.de -- Neues Hip-Hop-Album aus Berlin: Goethe, Schiller, Bach und Pi
> Warmer Sound, melancholische Texte, technisch versierter Rap: „Kompass
> ohne Norden“ von Prinz Pi ist ein Juwel des deutschen Hip-Hop. Alte Fans
> jammern trotzdem.
Bild: Vom Porno-Rapper zum nachdenklichen Dichter. Das finden nicht alle Fans g…
Knisterndes Feuerwerk, Schüsse, gedämpfter Piano-Klang in Moll. Dreißig
Sekunden Vorspiel, der Beat setzt ein, dann eine kräftige Stimme. Sie
erzählt von der Ziellosigkeit einer Jugend: „Ich warte dass mein Leben
beginnt / weiß was ich will, und ich weiß wer ich bin / Bin bald nicht mehr
Fähnchen im Wind, und ich lauf schon so lange / Weiß nicht wo hin“.
Auf seinem neuen Album „Kompass ohne Norden“, serviert Friedrich Kautz,
alias Prinz Pi, gesellschaftskritischen Rap, der fast schon poetisch
anmutet. Er trägt dabei Karohemd, ovale Hornbrille und einen ordentlich
gestutzten Bart. Seine Fans meinen, er sei einer der intellektuellsten
Rapper seiner Zeit: „Scheiß auf Goethe, Schiller, Bach. Unsere Urenkel
werden Pi interpretieren“, bejubeln sie ihren Rap-Prinzen aus Berlin.
Aufgewachsen in Berlin Zehlendorf, besuchte er ein elitäres Gymnasium in
Steglitz, lernte Latein und Griechisch. Im Gegensatz zu seinen
MitschülerInnen sprühte Friedrich Kautz Graffiti an Hauswände, und begann
zu rappen. „Dort war ich eher so der Außenseiter“, fasst Prinz Pi seine
Jugend zusammen.
## „Wir Battlen Jeden“
Bekannt wurde der 33-Jährige vor nun fast fünfzehn Jahren mit dem Song
„Keine Liebe“; ein Destillat aus Verschwörungstheorien: „Die Welt wird
kontrolliert von Rosenkreuzern und Triaden, Mafioso, Major Labels, Militärs
und Syndikaten, / der Vatikan führt einen Krieg um Kokain, / gegen CIA und
Contras und natürlich Westberlin“. Damals spittete er seine Texte noch
unter dem Namen Prinz Porno. Die Rap-Untergrundszene feierte ihn.
Er ging mit der Rap-Crew Beatfabrik auf die „Wir Battlen Jeden-Tour“. 2005
wollte er raus aus der schlüpfrigen Porno-Schublade, war es leid von
Plattenlabels immer vorverurteilt zu werden. Änderte Porno in Pi. Zurück
zur Bürgerlichkeit. Fans der ersten Stunde werfen ihm seitdem vor, nicht
mehr dope, nicht mehr cool genug zu sein, versprach ihnen der Rapper doch
vor wenigen Jahren noch gemeinsam mit Skandal-Musiker Frauenarzt, „wir
werden nie erwachsen, wir bleiben extrem“.
Auf seinen letzten beiden Alben zeigte sich der Berliner bereits gereifter.
„Rebell ohne Grund“, erschienen auf Prinz Pi's eigenem kleinen Plattenlabel
„Keine Liebe Records“, schaffte es 2011 sogar in die Top 10 der deutschen
Albumcharts. Prinz Pi ist rausgewachsen aus Baggy-Pants, die tief in den
Kniekehlen hängen, aus den grauen Kapuzen-Hoodies. Und in seinen Texten
wittert er nicht mehr das große Komplott. Sein Büro verlegte der Berliner
erst kürzlich vom Kreuzberger Wrangelkiez ins bürgerliche Schöneberg.
## Casper als Gast
Mit seinem 15. Soloalbum reiht er sich in eine Liste von Musikern wie
Xavas, Cro oder Casper ein, die mit nachdenklichem, technisch versiertem
Rap gerade große Erfolge feiern. Der Sound auf „Kompass ohne Norden“ ist
wärmer, vielfältiger als zuvor. Die Piano-Klänge, eingespielt auf einem
Steinway-Flügel, ziehen sich als roter Faden durch das Album. Gitarre,
Glockenspiel, Trompeten, scheppernde elektronische Einschläge, die mehr an
Pop als Rap erinnern, finden auf der Platte Platz.
„Kompass ohne Norden“ erzählt von Melancholie, Leid in der Liebe,
Depressionen, Jugendwahn und dem Erwachsen werden: „Es ist
Standortbestimmung, Rück- und Ausblick gleichermaßen“, sagt Pi über sein
Werk. Für das einzige Feature auf dem Album „100 x“ hat er sich keinen
geringeren als Casper, mit dem Album XOXO 2011 selbst an der Spitze der
deutschen Charts, ausgesucht. Gemeinsam beschwören sie die guten alten
Zeiten herbei: „Heut ist nicht unser Tag, hast du gesagt / Das war nicht
unser Jahr, ha'm wir gedacht / Doch im Rückblick war's übergut, wunderbar /
Ein Song spielte den ganzen Tag, hundertmal“.
## „Je retro desto neu“
Pi übt Kritik an den „modernen Zeiten“, die designt seien für die ewig
jungen Leute, nach dem Motto „Je retro desto neu“. Fragt sich ob das „der
Geist unserer Zeit“ sei. Der Rap-Prinz sagt, angekommen sei er nicht, aber
er habe verstanden, dass alles nur eine große Reise sei. Diese Reise
reflektiert er auf 13 Tracks und hält dabei seinen Hörern den Spiegel vor.
Alte Fans jammern dennoch über fehlende Streetcredibility. Um die kümmert
er sich aber nicht: „Ach, so was wie Straßencredibilität war mir immer
egal. Und allen Musikern, die ich selber wertschätze, sicherlich auch. Ob
die Beatles oder Bob Dylan sich um so was geschert haben?“.
Nach knapp 52 Minuten markieren zischende Pyrotechnika das Ende des Albums.
Im Ohr bleibt nachdenklicher Rap-Epos, milde Melodien und das bittersüße
Gefühl von Schwermut und Weltschmerz. Definitiv dope genug.
12 Apr 2013
## AUTOREN
Celestine Hassenfratz
## TAGS
HipHop
Berlin
Rap
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Arte
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Kraftwerk
Rap
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