| # taz.de -- Die Wahrheit: Zwischen China Club und Tulpenfest | |
| > Ein Anruf aus München, die beste Freundin kündigt ihren Berlinbesuch an. | |
| > Der Anlass – Ehemaligentreffen aus gemeinsamen Internatszeiten ... | |
| Bild: Auslöser des Hasses: Maultasche | |
| Nach langer Zeit ein Anruf aus München, die beste Freundin kündigt ihren | |
| Berlinbesuch an. Der Anlass – Ehemaligentreffen aus gemeinsamen | |
| Internatszeiten – überrascht, hatte man sich doch nach dem Abi geschworen, | |
| den größten Teil der Mitschüler unter der Rubrik „Leute, die man ganz oft | |
| nicht wiedersehen muss“ zu speichern. | |
| Woher der Sinneswandel? „Na, China Club!“ Die unwissende | |
| Hauptstadtbewohnerin erfährt, dieser pflege laut Web „ein modernes | |
| Verständnis von Internationalität und Anspruch“, sei irrsinnig exklusiv und | |
| Mitgliedschaft für Normalsterbliche nur nach Fürsprache und dem Abdrücken | |
| einer Aufnahmegebühr von 10.000 Euro möglich, nicht zu reden von den 1.500 | |
| Ösen Jahresbeitrag, und jetzt habe der Alumni Vorstand da was gerissen, und | |
| man dürfe da einfach so rein, inklusive Freigetränke! | |
| Ein paar Tage später steht man in vornehmer Nachbarschaft zum Adlon auf | |
| einer Art FDP-Party inmitten wohlgekleideter Männer und Frauen – mit Blick | |
| auf das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, auf dessen Stelen | |
| gerade ein Touristen-Hüpfwettbewerb ausgetragen wird. | |
| Pflichtbewusst sucht man das Gespräch mit einem Ehemaligen. „Und was machst | |
| du so?“ – „Ich hab eine Firma in Bukarest.“ – „Was denn für eine?�… | |
| Security Bereich.“ – „Ach? Und wen beschützt ihr da?“ – „Grenzsich… | |
| Wegen der Moldawier und Ukrainer. Schengen. Wir machen auch Flugabwehr.“ Oh | |
| … könnte ich bitte noch so ein Freigetränk …? | |
| Kaum hat man sich erholt, steht das nächste Society-Event an. Ein Freund | |
| aus alten Tagen lädt zum Doppelgeburtstag nach Potsdam, ins Starnberg von | |
| Brandenburg, wo blonde Frauen in SUVs den ganzen Tag zwischen Promivillen | |
| herumfahren! Noch ein Zwischenstopp beim Tulpenfest, in holländischen | |
| Kulissen bei Matjes und Pilsje frühlingswild zur Blaskapelle schunkeln, | |
| aber dann! | |
| Der Ort der Festlichkeiten entpuppt sich als frisch restauriertes Palais, | |
| welches ein „Haut- und Laserzentrum“ beherbergt. Angesichts der | |
| faltenlosen, stilettobewehrten Gratulantinnen, die sich auf der Freitreppe | |
| stauen, wappnet man sich instinktiv gegen kosmetische Attacken auf die | |
| eigene Unvollkommenheit, aber die Gastgeberin, ein apricotfarbenes | |
| Tüllwunder, fuchtelt Gott sei Dank nicht mit dem Laserschwert, sondern | |
| balanciert nur ein farblich abgestimmtes Tüllkind auf der Hüfte. | |
| Wo ist der Freund? Ein bundesweit bekannter Prominentenfriseur watschelt, | |
| sympathisch seine Plautze vor sich herschiebend, vorbei Richtung Festsäle. | |
| Dort schlittern kleine Mädchen in Rüschenkleidchen zu Lounge-Musik übers | |
| Parkett und jagen Luftballons im Stilettowald. Aber ja, das ist gar kein | |
| Geburtstag, sondern ein Werbefilm für Joghurt oder Geldanlagen oder Autos, | |
| in jedem Fall für Zukunft und Sicherheit! | |
| Keine Angst, kleine Mädchen, da ist einer im China Club, der passt auf, | |
| dass keine Bösen kommen und eure Luftballons platzen lassen. Damit ihr | |
| immer ruhig schlafen könnt. Und euer kranker Nachbar auch. Und falls der | |
| nicht schlafen will, dann haben wir ja noch die Flugabwehr. | |
| 24 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Pia Frankenberg | |
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