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# taz.de -- Die Wahrheit: Familiäre Sprachwirren
> Tagebuch einer Gestressten: In der internationalen Weltbürgerstadt Berlin
> kann es immer wieder Verständigungsproblemen kommen.
Bild: Unabhängig von Sinn und Inhalt sollten die manufakturierten Sätze von f…
Das Berliner Leben, umgeben von Milliardenbaustellen und
Touristenschwärmen, ist anstrengend. Der gestresste Bewohner kompensiert
dies insbesondere im Prenzlauer Berg gern in Form von Oraltherapie. Wem
Spätzlepampe nicht genügt, der kann sich im original amerikanischen Diner
mit tennisschlägergroßen Pancakes verwöhnen und vom vorbildlich
freundlichen Personal konsequent englisch ansprechen lassen.
Zu ersten Rucklern in der Kommunikation führt allerdings der Versuch, die
Bestellung in der Landessprache abzugeben. „Was habt ihr denn so an Säften?
– „Uh …?“ – „Frische Säfte …? – „Oh, Ssäff … well, orange…
Hauptstadt-Internationalisierung verläuft immer noch recht einseitig.
Legende die Anfangszeit, als die BVG ausländische Touristen mit feinstem
Brit-Akzent vor Irrwegen bewahrte: „Alexanderplatz. This tram is going to
terminate the-äh. All change please!“ The-äh …? Whe-äh? Und wechseln?
Sitzpätze? Unterwäsche? Lebenspartner? Foren entstanden, Blogger bloggten.
Heute terminates die Tram grammatikalisch korrekt „he-äh“. Die BVG tut ihr
Bestes, wo bleibt der Apfelsaft?
Hin und wieder jedoch führt das Leben aus der globalen Wirrnis in die
Eindeutigkeit des Regionalen. Anlässlich einer Beerdigung versammelt sich
die mehrheitlich aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet stammende Familie im Schatten
der Tiroler Alpen. Die Großtante, Ende 70, aus Gladbeck, hat was auf dem
Herzen. „Hömma, bleibt dat getz bei morgen Nammitach?“ – „Die Beisetzu…
Ja, sicher.“ Tiefer Zug an der Stuyvesant. „Au, dat is getz ’n Problem.�…
„Ja? Wieso denn?“ – „Na, da komm danach doch immer alle noch essen und
trinken un sowat, mainsse denn, dat die am Amnd wieda wech sint?“ – „Weil
…?“ – „Bayerndortmund.“ Ihr Seufzen echot vom gleichgültigen Bergmas…
„Wenn einer stierbt, kannsse nix machen.“ So viel Leid schnürt einem das
Herz zu.
Der glückliche Zufall hält einen ihr bis dato unbekannten Großneffen
bereit, 30, gebürtiger Hanseat, in der Kindheit zum Bayernfan mutiert und
nach langem Auslandsleben vertraut mit dem Weltfußball, nicht jedoch mit
den kulturellen Eigenheiten seines Heimatlandes. Familienzusammenführung:
„Kumma, dat ist deine Urgroßtante, die is lebenslanger Schalkefan und will
morgen Bayerndortmund …“ Die Fußballseele kennt nur eine Logik: „Super,
dann bist du ja auch für Bayern! Gucken wir zusammen!“ Die Tante zuckt kaum
merklich.
Am nächsten Abend kämpft sie vor dem Fernseher und fern der Trauergemeinde
einen einsamen, inneren Kampf: eigene Herkunft gegen Verbündung mit dem
verhassten Tabellenführer zwecks Vernichtung des Erzfeindes BVB. Der Neffe
ist fassungslos, die Frau verstehe, wer will. Die Tante verfolgt derweil
ketterauchend das Duell und leidet in beide Richtungen.
Am Ende triumphiert im Stadion der FC und in der Tante der Pott.
Versöhnungszigarette mit dem Neffen. Aber Jubel für die Bayern? „Nä,
ährlich, da hört der Spass auf!“ Oder wie der Weltbürger sagen würde: „…
fun terminates the-äh!“
13 Mar 2013
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Berlin
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Ostsee
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