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# taz.de -- Kommentar CSU: Friedrich der Verfilzte
> Immer neue Vorwürfe erschüttern die bayerische Staatspartei. Nun steht
> auch Bundesinnenminister Friedrich in der Kritik.
So sehr sich die CSU derzeit bemüht, den Eindruck der alten Amigo-Partei
abzuschütteln, es will ihr nicht gelingen. Mit jedem Loch, das Bayerns
Ministerpräsident Horst Seehofer in seinem Kahn zu stopfen versucht, tut
sich an anderer Stelle ein neues auf.
Doch in fünf Monaten wird in Bayern und im Bund gewählt. Da muss sich eine
Partei eigentlich so stark wie möglich präsentieren und nicht wie ein
verfilzter Vetternwirtschaftsverein.
Seehofer allein würde das vermutlich gelingen, wäre da nicht sein
Spitzenpersonal in München und Berlin, Seit Dienstag steht nun auch
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in der Kritik. Er soll bei
Neueinstellungen in seinem Ministerium unionsnahe Bewerber bevorzugt haben.
Nach einem Bericht der [1][Welt] waren aus einer Liste von 470 Kandidaten
für die insgesamt 24 zu besetzenden Juristenstellen bei einer
Zwischenauswahl nicht wie vorgesehen die Bewerber mit der höchsten
Qualifikation ausgesucht worden, sondern vor allem Kandidaten mit CDU- und
CSU-Parteibuch oder mit Verbindung zur unionsnahen
Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Einstellungen waren bekannt geworden, weil
die Behindertenvertreterin des Ministeriums in dem Zusammenhang gegen den
Personalrat geklagt hatte.
## Sonderprüfung im Landtag
Friedrichs Ministerium wies die Anschuldigungen zwar zurück. „Wir vermuten
eher ein Wahlkampfmotiv“, sagte Friedrichs Sprecher Jens Teschke am
Dienstag. Die Parteimitgliedschaft habe bei der Auswahl keine Rolle
gespielt. Auch ein Mitglied der Jungen Liberalen, ein ehemaliger
Mitarbeiter der SPD und ein Stipendiat der SPD-nahen
Friedrich-Ebert-Stiftung befinden sich unter den erfolgreichen Bewerbern.
Dennoch passt dieser Vorwurf gut zu dem, was sich derzeit im Bayerischen
Landtag in München abspielt.
Dort plant der Oberste Rechnungshof eine Sonderprüfung im Zuge der
Abgeordneten-Affäre des Landtags. In insgesamt 79 Fällen hatten Abgeordnete
nach dem Jahr 2000 eine Übergangsregelung genutzt und enge Verwandte als
Mitarbeiter beschäftigt. Auch einige zum Teil ehemalige Abgeordnete von
SDP, Grünen und Freien Wählern sind darunter. Das Gros der Fälle häuft sich
aber bei der CSU.
Zwar waren diese Beschäftigungsverhältnisse aufgrund der Übergangsregelung
legal, moralisch aber höchst zweifelhaft. Vor allem dann, wenn man die
Fälle im Detail betrachtet: Die bayerische Justizministerin Beate Merk
hatte ihrer Schwester Aufträge erteilt, Kultusminister Ludwig Spaenle
seiner Frau. Agrarminister Helmut Brunner beschäftigte nicht nur seine
Gattin, sondern darüber hinaus auch seine Schwester und Nichte jahrelang
mit einem Mini-Job auf Staatskosten. Sie alle sollen die Löhne für ihre
Verwandten nun im Zuge von Seehofers Krisenmanagement zurückbezahlen. So
sollte die Angelegenheit möglichst schnell befriedet werden.
## Kinderarbeit
Nun macht die Prüfung des Rechnungshofs womöglich all diese Pläne zu nicht.
Denn bei der Prüfung wird es auch um die Gehaltssummen, die genauen
Verträge und die geleisteten Sozialabgaben gehen, die einige Abgeordnete
bislang tunlichst verschwiegen. Es ist denkbar, dass einige
Kabinettsmitglieder im Anschluss an die Prüfung ein ähnliches Schicksal
ereilt, wie den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid. Schmid hatte die
Affäre ausgelöst, weil er seiner Frau bis zu 5.500 Euro monatlich für
Bürotätigkeiten überwies. Er trat zurück.
Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Augsburg beantragt, Schmids
Immunität als Abgeordneter aufheben zu lassen. Diesem Antrag wurde
vorläufig stattgegeben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den
CSU-Politiker wegen des Verdachts auf Scheinselbständigkeit und
Sozialversicherungsbetrugs bei der Beschäftigung seiner Frau.
Nach Schmids eigener Aussage hat er seine Frau „rund um die Uhr
beschäftigt“ – wenn dies so war, kann sie aber kaum für andere Auftraggeb…
tätig gewesen sein. Und noch ein weiterer, bereits zurückgetretener
Politiker geriet unter Druck: Das Landtagsamt bescheinigte dem ehemaligen
Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Landtag, Georg Winter, dass das
Anheuern seiner beiden damals 13 und 14 Jahre alten Kinder im Jahr 2000
verbotene Kinderarbeit war. Nach der Kinderarbeitsschutzverordnung seien in
diesem Alter bestimmte Tätigkeiten erlaubt, teilte der Landtag mit –
Büroarbeit aber nicht.
Die gesamte CSU erscheint derzeit mal wieder als ein Lehrstück darüber, was
geschieht, wenn eine Partei schon zu lange regiert und es sich allzu
gemütlich gemacht hat, an der Macht: Ob die Bürgerinnen und Bürger Bayerns
daraus bei den Wahlen endlich die Konsequenzen ziehen?
8 May 2013
## LINKS
[1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article115986074/Ministerium-zum-Plu…
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
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Schwerpunkt Überwachung
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