# taz.de -- Bundeswehr in Afghanistan: Danke! Dort geblieben! | |
> Die Bundesregierung ziert sich, afghanischen Bundeswehrhelfern Asyl in | |
> Deutschland zu gewähren. In ihrer Heimat gelten sie als Verräter. | |
Bild: Afghanischer Bundeswehrhelfer in Kundus. Wenn die Bundeswehr abzieht, ver… | |
BERLIN taz | Rahim Nagibullas verletztes Bein war seine Chance. Drei Jahre | |
lang dolmetschte er für die Bundeswehr in Afghanistan, trotz seiner | |
Behinderung. Eine Mine hatte seinen Unterschenkel zerschmettert, seitdem | |
läuft er auf einer Prothese. Doch dann entzündete sich sein amputiertes | |
Bein und er musste zur Behandlung nach Deutschland. Nagibulla bat um Asyl | |
und sofort bekam er es amtlich: Er darf bleiben, weil sein Leben in | |
Afghanistan in Gefahr ist. | |
Denn in der Heimat gelten sie als Kollaborateure. Rund 1.300 Ortskräfte | |
arbeiten derzeit für die Bundeswehr in Afghanistan als Übersetzer, Fahrer | |
oder Reinigungskräfte, und fürchten die Rache der Aufständischen, wenn die | |
Bundeswehr 2014 abzieht. | |
Politiker aus Regierung und Opposition geben sich große Mühe, nicht den | |
Eindruck zu erwecken, sie ließen ihre afghanischen Mitarbeiter im Stich. | |
„Wir haben mit den afghanischen Ortskräften sehr gut zusammengearbeitet“, | |
sagt Hans-Peter Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der | |
CDU/CSU-Fraktion. „Deshalb müssen wir ihnen eine gute Perspektive schaffen | |
und Mitarbeiter und ihre Familien, die nachweisbar an Leib und Leben | |
bedroht sind, nach Deutschland einreisen lassen.“ | |
Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, ermahnt die | |
Regierung, die Sorgen der Afghanen ernst zu nehmen: „Ich erwarte, dass die | |
Bundesregierung großzügig bei der Aufnahme der afghanischen Ortskräfte | |
vorgeht“, sagt er. | |
Doch ein Ausreiseprogramm lehnt die Bundesregierung ab. „Wenn einer dieser | |
Mitarbeiter gefährdet ist, weil er für uns gearbeitet hat, dann werden wir | |
helfen“, sagt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Doch „das | |
muss keine Übersiedelung nach Deutschland sein“. | |
## Karsai: Asylangebote unterlassen | |
Damit unterstützt die Bundesregierung den afghanischen Präsidenten Karsai, | |
der bereits in mehreren Verbalnoten forderte, Asylangebote an afghanische | |
Ortskräfte zu unterlassen. „Wir wollen, dass die afghanischen Frauen und | |
Männer, die mit uns zusammengearbeitet haben, gerade die sind, die in | |
Afghanistan eine Brücke der Zusammenarbeit für die Zukunft des Landes | |
bilden“, sagt der Verteidigungsminister. | |
Ein Visum kommt erst an letzter Stelle. Zuvor müssen Mitarbeiter der | |
betroffenen Ressorts anhand von 14 Kriterien bestimmen, wie gefährdet eine | |
Ortskraft ist. Doch diese Kriterien sind geheim, auch Abgeordnete hätten | |
keine Ansicht, kritisiert Rainer Arnold (SPD). | |
Bereits 41 Ortskräfte der Bundeswehr und drei in der Polizeiausbildung | |
haben bisher Sicherheitsbedenken angemeldet. Doch erst zwei Fälle liegen | |
dem Innenministerium vor, das in letzter Instanz über eine Aufnahme | |
entscheidet. | |
Eigentlich sollten alle Mitarbeiter der Bundeswehr, die sich bedroht | |
fühlen, die Möglichkeit haben, nach Deutschland zu kommen, sagt Rahim | |
Nagibulla. Ein Ortswechsel helfe den bedrohten Ortskräften nicht weiter. | |
„Die Leute kapieren sofort, wer für die Nato arbeitet.“ | |
Wenn sie aber doch gebraucht werden, um am Aufbau Afghanistans mitzuwirken? | |
„Ich bin den Aufständischen in meinem Land zum Feind geworden“, sagt | |
Nagibulla. „Wo soll ich da eine sichere Arbeitsstelle finden?“ | |
## Urkunden gibt's reichlich | |
Außerdem habe niemand einen sicheren Arbeitsvertrag – „egal, ob er elf oder | |
zwei Jahre für die Soldaten sein Leben riskiert hat“, sagt er. Das Einzige, | |
was sie bekommen hätten, seien Urkunden, in denen die Bundeswehr die | |
afghanischen Mitarbeiter für ihren Einsatz lobt. | |
Vor wenigen Tagen telefonierte er mit seinen Freunden in Afghanistan. Sie | |
fühlten sich von der Bundeswehr im Stich gelassen, sagt er. Ein Freund, der | |
lange Zeit als Reinigungskraft in Masar-i-Scharif gearbeitet hat, versuche | |
jetzt, über Schleuser nach Deutschland zu kommen. Denn das Vertrauen in die | |
Bundeswehr habe er verloren, sagt Nagibulla: „Er hat lange genug zu hören | |
bekommen, die Bundeswehr sei nur von 8 bis 16 Uhr für ihn da und danach | |
müsse er selbst für seine Sicherheit sorgen.“ | |
22 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Julia Maria Amberger | |
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